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Fast wie früher

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Umwelt- und Wirtschaftsministerium streiten erbittert über milliardenschwere Entlastungen für die deutsche Industrie. Dabei wollten sie doch eigentlich Frieden schließen

Berlin - Am Anfang war die Eintracht. Eine Eintracht, wie man sie lange nicht gesehen hatte zwischen einem Umwelt- und einem Wirtschaftsminister. 'Wir haben regierungsamtlich beschlossen, uns zu mögen', sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) kurz nach Amtsantritt, und auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sparte nicht mit großen Worten. Das Klima zwischen beiden Häusern sei gut wie lange nicht, schwärmte der FDP-Chef. Der Zank, den er noch mit Altmaiers Vorgänger Norbert Röttgen hatte, sollte endlich vorbei sein; Zank gibt es schließlich auch so schon genug.



Vor fridedlicher Kulisse: Rösler, Altmaier und Merkel bei den zweiten Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen im Herbst 2012

Nicht einmal ein halbes Jahr sind die Bekundungen alt. Sonderlich aktuell sind sie aber nicht mehr: Zwischen den beiden Häusern bahnt sich ein handfester Streit an, es geht um milliardenschwere Entlastungen für die deutsche Industrie. Vereinbart sind sie innerhalb der EU schon seit Längerem, sie sollen Belastungen durch den europäischen Emissionshandel kompensieren. Hintergrund sind die verschärften Vorgaben im Emissionshandel, die vom 1. Januar an gelten sollen. Anders als bislang müssen die Stromversorger dann restlos alle Klimaschutzzertifikate ersteigern. Zwar schlugen die Versorger selbst den Wert geschenkter Zertifikate in der Vergangenheit schon auf den Strompreis auf. Doch das Wirtschaftsministerium fürchtet einen weiteren Anstieg. Deshalb sollen stromintensive Unternehmen den Großteil der erwarteten Zusatzkosten erstattet bekommen, Größenordnung: schätzungsweise eine halbe Milliarde Euro im Jahr.

Die EU-Kommission hat das unter Auflagen genehmigt, nur die Bundesregierung ist sich nicht einig. Mitte Juni hatte das Bundeswirtschaftsministerium einen ersten Entwurf für die Kompensation vorgelegt, Altmaier war gerade drei Wochen im Amt. Dann geschah nichts. Das Bundesumweltministerium (BMU), so heißt es nun in einem internen Argumentationspapier des Wirtschaftsressorts, habe darauf 'erst 6 1/2 Wochen später mit Vorlage eines eigenen, restriktiveren Entwurfs reagiert'. Seitdem blockiere das Ministerium alle Gesprächsangebote, heißt es in dem Papier, das der SZ vorliegt. Es ist ein Ton, wie man ihn zwischen den beiden Häusern so länger nicht mehr vernommen hat.

Das Wirtschaftsministerium wähnt hinter der Zurückhaltung der regierungsamtlichen Freunde eine fiese Strategie: Man wolle strengere Klimaschutz-Auflagen aushandeln. 'Es ist zu vermuten, dass Dissenspunkte des BMU bewusst als Verhandlungspunkte zur Durchsetzung seiner Forderung beim ,30-Prozent-Ziel" aufgebaut worden sind.' Die Befürchtung kommt nicht von ungefähr, denn die Aufstockung des europäischen Klimaziels ist eine Herzensangelegenheit Altmaiers. Bisher hat sich die EU darauf verpflichtet, ihre Emissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken, gemessen an 1990. Schon jetzt ist es so gut wie erreicht. Mehrere EU-Staaten und Teile der EU-Kommission fordern deshalb eine Aufstockung oder zumindest eine künstliche Verknappung der Klimaschutz-Zertifikate. Rösler will das nicht.

Altmaier selbst widmete dem 30-Prozent-Ziel sogar ein eigenes Kapitel seines Zehn-Punkte-Programms, Titel: 'Neuer Schwung für den Klimaschutz'. Bis Ende September solle es eine abgestimmte Haltung der Bundesregierung geben, bis zur nächsten großen Klimakonferenz in Doha müsse die EU darüber eine Einigung erlangen. Doch der September ist lange her und die Klimakonferenz nur noch vier Wochen entfernt - eine Haltung allerdings hat weder die EU noch die Bundesregierung.

Beiden Ministern rennt die Zeit davon. Noch bis Ende 2012, mahnt das Wirtschaftsministerium, müsse die Kompensation beschlossen sein - rechtzeitig für die neuen Regeln im Emissionshandel. Altmaier bräuchte eine Einigung sogar noch früher. Beide halten an ihren Positionen fest.

Kürzlich fand sich die Kompensation sogar an ganz unerwarteter Stelle wieder: in einem Kompromiss zur Förderung der Gebäudesanierung. In einem komplizierten Deal sollte die Gebäude-Förderung aus dem Energie- und Klimafonds des Bundes gezahlt werden, auch das Umweltministerium begrüßte den Vorstoß. Im Gegenzug aber hätte das Wirtschaftsministerium dafür die Regie über die Kompensations-Millionen übernommen. Da war es dann mit der Einigkeit auch schon wieder vorbei.

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