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China, wie es singt und lacht

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Vor allem junge Chinesen finden die Frühlingsgala langweilig und feiern lieber selbst ausgiebig.

Am Freitag beginnt in China ein neues Jahr, das Jahr des Pferdes. Am Donnerstag ist Silvesterabend, dann sitzt ganz China vor dem Fernseher. Wie jedes Jahr seit nun drei Jahrzehnten. Die Frühlingsfestgala des Staatssenders CCTV ist seit ihrem Start 1983 die meistgesehene Fernsehshow des Planeten. Eine Mischung aus „Wetten dass..?“, „Musikantenstadl“ und „Dinner for one“ plus Jackie Chan plus Minderheitenkarneval plus eine Prise getanzter Parteiverherrlichung. Peng Liyuan, die Ehefrau von Parteichef Xi Jinping, eine singende Generalmajorin der Kunsttruppen der Volksbefreiungsarmee, war öfter zu Gast. CCTV behauptet, neun von zehn chinesischen Familien schalteten ein. Es schauen bloß nicht alle hin. Die Gala hat ein Problem, seit ein paar Jahren schon: Die Jugend vor allem schaut weg. Zu altbacken, zu schmalzig, zu fade, die Show.

Abends um acht den Fernseher an und gucken, bis draußen die Böller krachen – für ganze Generationen ist das eine Silvestertradition wie Teigtäschchenessen und ‚Hongbao‘ (mit Geld gefüllte rote Umschläge) austauschen. Es gebe nur einen Brauch, der den Chinesen heute noch mehr Spaß macht, als die Gala zu schauen, schreibt Global Times-Chefredakteur Hu Xijin: „Über die Gala zu schimpfen“. Sind es noch 700 Millionen Zuschauer wie mancherorts kolportiert? Das glaubt längst keiner mehr. Nur mehr 400 Millionen? Für die Frühlingsfestgala ist das ein Absturz. Dabei ist sie der Geldesel des Staatssenders.

Im Jahr 2005 machten die Werbeeinnahmen rund um die Gala mehr als die Hälfte der Jahreseinnahmen des Senders aus; 2012 waren es 15,9 Milliarden Yuan, umgerechnet knapp zwei Milliarden Euro. Für Werbung in einer einzigen Sendung. Im vergangenen Jahr allerdings veröffentlichte CCTV zum ersten Mal die Zahlen nicht mehr. „Nicht einmal das Publikum selbst kann erklären, warum es die Show gleichzeitig ansieht und verdammt“, heißt es in der Magisterarbeit eines chinesischen Studenten aus dem Jahr 2012 über die Gala. Die Arbeit zitiert eine Umfrage, bei der die Leute gefragt wurden, warum sie anschalteten. Die häufigsten Antworten: Gewohnheit. Um mit der Familie zusammen zu sein. Als Berieselung beim Mahjongspiel. „Weil wir die Show mögen“, sagten genau 21,9 Prozent.

In diesem Jahr holten die Macher den Starregisseur Feng Xiaogang als kreativen Kopf. Feng ist bekannt für intelligente Komödien und gilt in manchen Kreisen als ziemlich cool. Kurz nach seiner Berufung flehte er in einer Pressekonferenz die Zensoren aber schon an, den Künstlern doch bitte „ein wenig Freiraum zu lassen“, und warnte zugleich vor zu hohen Erwartungen: Er könne jetzt schon sagen, dass die Gala ihn mehr verändert habe als er die Gala, verriet er der Jangtse Abendzeitung.

An diesem Donnerstagabend ist es also so weit. Prügel im Netz gab es schon vor der Veröffentlichung des Programms. „Wetten, dass sie den ,Chinesischen Traum’ besingen?“, maulte ein Nutzer in Anspielung an den neuen Slogan der KP-Führung. Dann kam das Programm heraus: die übliche Mischung aus Sketchen, Akrobatik, Zauberei, Gesang und Tanz. „Das rote Frauenbataillon“, ein Ballett aus der Kulturrevolution für die Nostalgiker, steht neben dem koreanischen Popstar Lee Min Ho für die Jungen. Sophie Marceau wird „La vie en rose“ singen, im Duett mit Liu Huan, einem chinesischem Roy Black.

Nicht singen wird Cui Jian, Chinas Rockikone, Idol vieler Studenten vom Tiananmenplatz 1989, denen er damals, kurz vor dem Massaker, sein Lied „Ich habe nichts“ widmete. Kurz war das der Aufreger im chinesischen Internet: Regisseur Feng hatte Cui Jian offenbar eingeladen. Aber dann funkte die Zensur dazwischen, Cui Jian sollte nur ein harmloses Liedchen spielen dürfen. Er sagte ab. Der Tenor im Netz war Erleichterung: „Ich habe tief durchgeatmet, als ich von Cui Jians Absage hörte“, schrieb ein Nutzer. „Für kurze Zeit war es, als wolle meine erste Liebe auf den Strich gehen.“

Nun sucht der Sender Zuflucht in der Vergangenheit: „Der angesagte Hongkonger Sänger Ming Man Cheung wird in die Show zurückkehren, 30 Jahre nachdem er ‚Mein chinesisches Herz‘ sang.“ Beliebt ist der Sänger höchstens in ergrauten Patriotenkränzchen. Diesmal singt er: „Mein chinesischer Traum“. Die Verjüngung ist wohl ein Langzeitprojekt. Regisseur Feng hat schon klargestellt: „Ein zweites Mal mache ich das nicht.“

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