Die Tür geht auf und sechs blaue Augenpaare schauen den Besuch aufmerksam an. Evelyn Haas trägt ihren zweitjüngsten Sohn Jakob auf dem Arm, Tochter Emma hält Benjamin, mit zwei Monaten der Kleinste. „Komm’ rein, ich hab’ Kuchen gebacken“, sagt Evelyn Haas freundlich und winkt in die Küche, die blonden Kinder rennen ihr nach. Die Küche: aufgeräumt und sauber. Der Flur: Ordentlich hängen die bunten Jacken an der Kindergarderobe, daneben eine Bank zum Schuhe anziehen. Was ein bisschen aussieht wie eine Kita, ist das Zuhause der Familie Haas: zwei Erwachsene und sechs Kinder vom Säugling bis zum Teenager.
Familie Haas ist eine ganz normale Großfamilie, in der es trubelig und liebevoll zugeht. Doch die Eltern kennen auch die kleinen Schwierigkeiten, die viele Kinder mit sich bringen: dass es oft eng zugeht, dass sie manchmal schief angeschaut werden und dass am Monatsende kein Geld zum Sparen da ist. Sie haben sich dennoch dafür entschieden. „Ich wollte immer eine große Familie“, sagt Simon Haas, der Vater, ein ruhiger Typ, der nicht aussieht, als würde er sich schnell aus der Ruhe bringen lassen. „Ich war selbst Einzelkind.“ Evelyn Haas hat fünf Geschwister und sagt: „Ich hab mir da nicht so viele Gedanken gemacht, aber für mich war klar: Wenn ich heirate, will ich Kinder.“
Mit sechs Kindern ist die Familie Haas aus Aubing deutschlandweit eine Seltenheit. Die meisten Familien haben ein oder zwei Kinder, nur jede siebte Familie in München hat laut dem Statistischen Jahrbuch drei und mehr Kinder. Doch Familie zu haben liegt im Trend: In München steigen die Zahlen seit sieben Jahren an. 2013 kamen 15951 Kinder zur Welt, 8131Buben und 7820 Mädchen. Das sind 859 Babys mehr als im Jahr 2012 – ein erneutes Plus von 5,7 Prozent. „Wer ein Kind hat, der bekommt auch ein zweites, ist unsere Erfahrung“, sagt Evelyn Haas. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr mehr Geschwisterkinder geboren als Erstgeborene. Dass Evelyn und Simon Haas inzwischen sechs Kinder haben – Matilda, 11, Leonie, 9, Max, 7, Emma, 5, Jakob, 3, und den kleinen Benjamin – liegt daran, dass die Familie sich an die Lehre der katholischen Kirche halten will: „Wir sind offen zum Leben – es gibt kein Ende“, sagt Evelyn Haas.
1935: Eine Bauernfamilie betet vor dem Essen ein Tischgebet - auch heute gibt es noch Familien von dieser Dimension.
Aus dem Kinderzimmer schlüpft Jakob an den Esstisch, sammelt die Kuchenreste von den Tellern seiner Geschwister und steckt sie in den Mund. Evelyn Haas steht auf, holt die Kehrschaufel, während sie weiterspricht, und fegt unter dem Tisch zusammen. Der Ablauf ist so eingespielt, dass es ihr selbst gar nicht auffällt. Auf Außenstehende wirkt die Organisation von acht Personen uferlos. Doch Evelyn Haas ist entspannt und fröhlich, sie kann anpacken und zuhören. Sie ist das Zentrum der Familie und hält alle Fäden in der Hand, wenn ihr Mann in der Arbeit ist. Statt mit einem dicken Organizer führt Evelyn Haas ihr „Unternehmen Familie“ aus dem Kopf: „In den Kalender schreibe ich nur Schulaufgaben und besondere Termine, ich weiß auswendig, wann welches Kind zum Sport muss oder zum Musikunterricht.“ Sechs Kinder, zehn verschiedene Hobbys: Ballett, Trampolin, Reiten und Nachhilfe, jedes spielt ein anderes Instrument. Dazu Arzttermine, Ausflüge, Schulaufgaben. Wenn die Kinder zum Zahnarzt müssen, macht Evelyn Haas für den Nachmittag einen Strich in den Kalender und packt alle Kinder ins Auto. „Da stöhnen dann zwar die Sprechstundenhilfen, aber anders lässt sich das für uns nicht regeln.“ Eigentlich hatte die 37-Jährige Lehrerin werden wollen, doch als im Studium erst Matilda und dann Leonie geboren wurden, brach sie ab.
Jetzt ist an einen Job außer Haus ohnehin nicht mehr zu denken. „Die Angelina Jolie, die von der Leyens – das ist doch unrealistisch, ich weiß nicht, wie viele Nannys die haben“, sagt sie. Manchmal ärgere sie dieses Bild schon. Noch mehr aber stößt sie sich an dem „Hartz-IV-Stempel“, wie sie es nennt, die Fragen, ob die Kinder alle von einem Mann seien oder gar „Unfälle“. „Dabei sind wir eine ganz normale Familie“, sagt Evelyn Haas. Sie beziehen kein Hartz IV, Simon Haas arbeitet als Systemadministrator im Rechenzentrum der Caritas und verdient gut. Doch sechs Kinder sind teuer, die Hobbys noch dazu. Um sich das leisten zu können, fährt die Familie nicht in den Urlaub. Weil ein paar Mal ins Freibad gehen hundert Euro kostet, baden sie im See.
Oberbürgermeister Christian Ude nannte den Baby-Boom in München kürzlich eine „außerordentliche Herausforderung an das Wohnungsangebot“. Das spürt auch Familie Haas: Momentan wohnen die acht auf 88Quadratmetern: die drei Kleinen teilen sich ein Zimmer, die zwei Großen, die Eltern mit Benjamin. Wohnzimmer, Bad, Küche. Doch sie finden nichts Größeres. Um eine Wohnung zu kaufen, fehlen die Rücklagen. Acht-Zimmer-Sozialwohnungen gibt es praktisch nicht. Wenn sie sich um eine Wohnung bewerben, legen viele Makler auf. Dabei ist es bei der Familie ordentlicher als bei vielen anderen mit weniger Kindern. Evelyn Haas weiß: Ohne System geht es nicht. Anders würden die Kinder morgens nie pünktlich in die Schule kommen. Geweckt wird um sechs – dann stehen die Müslischalen schon bereit. Evelyn Haas schiebt ein Blech Aufbackbrezen in den Ofen – für die Vesperboxen. In Zweiergruppen stehen die Kinder im Bad, Zähne putzen, Haare kämmen, Simon Haas prüft nach. Geduscht wird am Abend, Badetag für die Kleinen ist am Wochenende.
„Ich find’s schön, so viele Geschwister zu haben, da hab ich immer jemanden zum Spielen“, sagt Max. „Manchmal ist das nervig, wenn ich Hausaufgaben mache und ständig kommt jemand rein“, sagt Leonie. Manchmal, da haben sie sich schon durchgerechnet, wie sie dastehen würden, wenn Simon Haas nicht arbeiten würde – dann bekämen sie mehr Wohnraum. „Aber das will ich ja auch nicht“, sagt der Vater. Doch oft träumt die Familie davon, Platz zu haben, vielleicht einen Garten. „Wir wünschen uns ein Haus, das wir billig bekommen und dann sanieren“, erzählen sie. Am liebsten noch in diesem Jahr.
Familie Haas ist eine ganz normale Großfamilie, in der es trubelig und liebevoll zugeht. Doch die Eltern kennen auch die kleinen Schwierigkeiten, die viele Kinder mit sich bringen: dass es oft eng zugeht, dass sie manchmal schief angeschaut werden und dass am Monatsende kein Geld zum Sparen da ist. Sie haben sich dennoch dafür entschieden. „Ich wollte immer eine große Familie“, sagt Simon Haas, der Vater, ein ruhiger Typ, der nicht aussieht, als würde er sich schnell aus der Ruhe bringen lassen. „Ich war selbst Einzelkind.“ Evelyn Haas hat fünf Geschwister und sagt: „Ich hab mir da nicht so viele Gedanken gemacht, aber für mich war klar: Wenn ich heirate, will ich Kinder.“
Mit sechs Kindern ist die Familie Haas aus Aubing deutschlandweit eine Seltenheit. Die meisten Familien haben ein oder zwei Kinder, nur jede siebte Familie in München hat laut dem Statistischen Jahrbuch drei und mehr Kinder. Doch Familie zu haben liegt im Trend: In München steigen die Zahlen seit sieben Jahren an. 2013 kamen 15951 Kinder zur Welt, 8131Buben und 7820 Mädchen. Das sind 859 Babys mehr als im Jahr 2012 – ein erneutes Plus von 5,7 Prozent. „Wer ein Kind hat, der bekommt auch ein zweites, ist unsere Erfahrung“, sagt Evelyn Haas. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr mehr Geschwisterkinder geboren als Erstgeborene. Dass Evelyn und Simon Haas inzwischen sechs Kinder haben – Matilda, 11, Leonie, 9, Max, 7, Emma, 5, Jakob, 3, und den kleinen Benjamin – liegt daran, dass die Familie sich an die Lehre der katholischen Kirche halten will: „Wir sind offen zum Leben – es gibt kein Ende“, sagt Evelyn Haas.
1935: Eine Bauernfamilie betet vor dem Essen ein Tischgebet - auch heute gibt es noch Familien von dieser Dimension.
Aus dem Kinderzimmer schlüpft Jakob an den Esstisch, sammelt die Kuchenreste von den Tellern seiner Geschwister und steckt sie in den Mund. Evelyn Haas steht auf, holt die Kehrschaufel, während sie weiterspricht, und fegt unter dem Tisch zusammen. Der Ablauf ist so eingespielt, dass es ihr selbst gar nicht auffällt. Auf Außenstehende wirkt die Organisation von acht Personen uferlos. Doch Evelyn Haas ist entspannt und fröhlich, sie kann anpacken und zuhören. Sie ist das Zentrum der Familie und hält alle Fäden in der Hand, wenn ihr Mann in der Arbeit ist. Statt mit einem dicken Organizer führt Evelyn Haas ihr „Unternehmen Familie“ aus dem Kopf: „In den Kalender schreibe ich nur Schulaufgaben und besondere Termine, ich weiß auswendig, wann welches Kind zum Sport muss oder zum Musikunterricht.“ Sechs Kinder, zehn verschiedene Hobbys: Ballett, Trampolin, Reiten und Nachhilfe, jedes spielt ein anderes Instrument. Dazu Arzttermine, Ausflüge, Schulaufgaben. Wenn die Kinder zum Zahnarzt müssen, macht Evelyn Haas für den Nachmittag einen Strich in den Kalender und packt alle Kinder ins Auto. „Da stöhnen dann zwar die Sprechstundenhilfen, aber anders lässt sich das für uns nicht regeln.“ Eigentlich hatte die 37-Jährige Lehrerin werden wollen, doch als im Studium erst Matilda und dann Leonie geboren wurden, brach sie ab.
Jetzt ist an einen Job außer Haus ohnehin nicht mehr zu denken. „Die Angelina Jolie, die von der Leyens – das ist doch unrealistisch, ich weiß nicht, wie viele Nannys die haben“, sagt sie. Manchmal ärgere sie dieses Bild schon. Noch mehr aber stößt sie sich an dem „Hartz-IV-Stempel“, wie sie es nennt, die Fragen, ob die Kinder alle von einem Mann seien oder gar „Unfälle“. „Dabei sind wir eine ganz normale Familie“, sagt Evelyn Haas. Sie beziehen kein Hartz IV, Simon Haas arbeitet als Systemadministrator im Rechenzentrum der Caritas und verdient gut. Doch sechs Kinder sind teuer, die Hobbys noch dazu. Um sich das leisten zu können, fährt die Familie nicht in den Urlaub. Weil ein paar Mal ins Freibad gehen hundert Euro kostet, baden sie im See.
Oberbürgermeister Christian Ude nannte den Baby-Boom in München kürzlich eine „außerordentliche Herausforderung an das Wohnungsangebot“. Das spürt auch Familie Haas: Momentan wohnen die acht auf 88Quadratmetern: die drei Kleinen teilen sich ein Zimmer, die zwei Großen, die Eltern mit Benjamin. Wohnzimmer, Bad, Küche. Doch sie finden nichts Größeres. Um eine Wohnung zu kaufen, fehlen die Rücklagen. Acht-Zimmer-Sozialwohnungen gibt es praktisch nicht. Wenn sie sich um eine Wohnung bewerben, legen viele Makler auf. Dabei ist es bei der Familie ordentlicher als bei vielen anderen mit weniger Kindern. Evelyn Haas weiß: Ohne System geht es nicht. Anders würden die Kinder morgens nie pünktlich in die Schule kommen. Geweckt wird um sechs – dann stehen die Müslischalen schon bereit. Evelyn Haas schiebt ein Blech Aufbackbrezen in den Ofen – für die Vesperboxen. In Zweiergruppen stehen die Kinder im Bad, Zähne putzen, Haare kämmen, Simon Haas prüft nach. Geduscht wird am Abend, Badetag für die Kleinen ist am Wochenende.
„Ich find’s schön, so viele Geschwister zu haben, da hab ich immer jemanden zum Spielen“, sagt Max. „Manchmal ist das nervig, wenn ich Hausaufgaben mache und ständig kommt jemand rein“, sagt Leonie. Manchmal, da haben sie sich schon durchgerechnet, wie sie dastehen würden, wenn Simon Haas nicht arbeiten würde – dann bekämen sie mehr Wohnraum. „Aber das will ich ja auch nicht“, sagt der Vater. Doch oft träumt die Familie davon, Platz zu haben, vielleicht einen Garten. „Wir wünschen uns ein Haus, das wir billig bekommen und dann sanieren“, erzählen sie. Am liebsten noch in diesem Jahr.