Und er ist nicht der Einzige. Als man Philip Seymour Hoffman am Sonntag tot auf dem Badezimmerfußboden in seiner Wohnung in Manhattan fand, steckte die Nadel noch in seinem linken Arm. Der Schauspieler trug nur Boxershorts, neben ihm lagen fünf leere Heroin-Beutel. Ace of Spades und Ace of Hearts, Pik-Ass und Herz-Ass, so heißen die Heroin-Sorten. Über seine Wohnung verteilt waren Spritzen und fast 50 Beutel, manche leer, manche voll. Hoffman war 46 Jahre alt.
Über seinen Drogentod schreibt die Weltpresse. Über die vielen anderen Fälle in den vergangenen Wochen schreibt kaum einer. Immer häufiger sterben Menschen an einer Überdosis oder an verunreinigtem Heroin – vor allem an der Ostküste. In Philadelphia starben 2011 251 Junkies, 2010 waren es 138. Heroin, dem das Schmerzmittel Fentanyl untergemischt war, brachte seit September im kleinen Bundesstaat Maryland mindestens 37 Menschen um und in Pittsburgh und umliegenden Städten in Pennsylvania innerhalb einer Woche 22. Dealer verkaufen es mit ironischen Namen wie „Theraflu“, was eigentlich ein Grippemedikament ist, oder „Income Tax“ – Einkommensteuer. Alle 19 Minuten stirbt ein Amerikaner an Drogen, ein großer Teil von ihnen an Heroin.
Die Sucht breitet sich im ganzen Land aus, in allen Altersklassen und Bevölkerungsgruppen
Und jeder Fall von einer Überdosis oder von vermischtem Heroin zieht weitere nach sich, erklärt der Sozialarbeiter und Journalist Jeff Deeney, der selbst süchtig war: Die harten Abhängigen machen sich auf die Suche nach den besonders potenten Beuteln, wenn es Nachrichten über ihre Markennamen wie Ace of Hearts oder Ace of Spades gibt. „Überdosen werden zur Werbung für ein starkes Produkt.“
Philip Seymour Hoffman starb offenbar an einer Überdosis Heroin.
Heroin ist inzwischen fast eine Alltagsdroge in Amerika. In New York gibt es das Zeug an jeder Straßenecke, ja man kann es sich von Kurierdiensten an die Haustür bringen lassen. Hier ist die Zahl der Überdosis-Opfer zwischen 2010 und 2012 um 84 Prozent gestiegen. 382 Menschen.
Während der Konsum in Deutschland seit Jahren sinkt, steigt er in den USA. 2007 nahmen 373000 Amerikaner Heroin – in etwa so wie in den Jahren zuvor. 2012 waren es schon 669000. Von ihnen gelten 467000 als abhängig – fast doppelt so viele wie 2002, heißt es in einer Studie des US-Gesundheitsministeriums. Und die Nutzer werden immer jünger: 2009 war man beim ersten Schuss im Schnitt 25,5 Jahre alt, 2012 nur noch 23.
Die Sucht betrifft alle demografischen Gruppen“, sagt Gil Kerlikowske. Er arbeitet für das Weiße Haus, offiziell nennt man ihn Direktor des Office of National Drug Control Policy, inoffiziell heißt er Drogenzar. „Wir dachten lange, Heroin sei ein Problem der Innenstädte, aber inzwischen sehen wir es im ganzen Land, in allen Bevölkerungsgruppen und allen Altersklassen.“
Einer der Hauptgründe für den Anstieg ist, dass Heroin recht unkompliziert und billig zu haben ist. Vor ein paar Tagen hat die Polizei in Pittsburgh eine McDonald’s-Mitarbeiterin verhaftet, die Heroin verkaufte. Ihre Kunden sind zum Drive-in-Schalter gefahren, bestellten „ein Spielzeug“ und bekamen ihr Tütchen in den Boxen von Happy Meals. Heroin ist billig, vor allem wegen steigender Produktion in Mexiko, heißt es bei der Anti-Drogenbehörde Drug Enforcement Administration (DEA). Die DEA nennt Heroin schon eine Epidemie. Die mexikanischen Dealer hätten ihre Netzwerke in jüngster Zeit auch in den Mittleren Westen und Nordosten der USA ausgedehnt. An der Grenze zu Mexiko haben die US-Behörden 2012 1855 Kilo Heroin beschlagnahmt, das ist ein Anstieg von 232 Prozent im Vergleich zu 2008 – und natürlich finden die Polizisten nur einen Bruchteil der Ware.
Im Gegensatz dazu wird es immer teurer und schwieriger, verschreibungspflichtige Medikamente zu bekommen. Oxycontin etwa, ebenfalls ein Opiat und ein legal erhältliches Schmerzmittel, war lange eine begehrte Droge. Die Szene taufte es Hillbilly Heroin, weil die Pillen besonders gern von der weißen Landbevölkerung genommen wurden, die man als Hillbillies verunglimpft. Eine Pille kostet laut dem Sozialarbeiter Deeney auf dem Schwarzmarkt 40 Dollar, wenn man sie preiswert bekommt. In manchen Gegenden sind bis zu 100 Dollar dafür fällig. Es wurde teurer, weil die Behörden und Pharmakonzerne es schwerer gemacht haben, Oxycontin zu bekommen – das Angebot sank, der Preis stieg.
Erst im Januar hat die New Yorker Polizei eine Drogenhöhle in der Bronx gefunden
Eine Tüte Heroin kostet auf der Straße dagegen nur etwa zehn Dollar, und die Wirkung ist die gleiche. In der Heroin-Hauptstadt New York bekommt man es teils für sechs Dollar. In den vergangenen Jahren ist Heroin reiner geworden, es wirkt also stärker. Offenbar stecken auch dahinter die Kräfte der Marktwirtschaft: Weil mit den Pillen neue Konkurrenz für Heroin entstand, musste Heroin besser werden, um noch Abnehmer zu finden. Die Qualität des Stoffes schwankt aber stärker als die der Pillen. „Viele Abhängige sind zu Heroin gewechselt, weil es leichter zu haben ist und ein ähnliches Hoch liefert“, schreibt die DEA in ihrem Drogenbericht. „Therapiestellen berichten, dass Opiat-Süchtige immer die Droge nehmen, die billiger und leichter zu haben ist.“ Die Zahl der Oxycontin-Abhängigen sinkt. Auch der Schauspieler Hoffman soll eine Zeit lang das Opium-Schmerzmittel genommen haben.
Der Gouverneur von Vermont, Pete Shumlin, hat seine gesamte Rede an das Parlament in der vergangenen Woche dem massiven Drogenproblem gewidmet, das es inzwischen in seinem kleinen, ländlichen Bundesstaat gibt. „In jedem Winkel unseres Staates bedrohen uns Heroin- und Opiat-Abhängigkeiten“, sagt er. „Was als Problem mit Oxycontin und anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten in Vermont begann, hat sich zu einer ausgewachsenen Heroinkrise entwickelt.“
Kaum eine Droge macht so schnell süchtig wie Heroin, einer von vier Menschen, die es probieren, wird abhängig. Heroin beeinflusst das zentrale Nervensystem. Auf ein blitzartiges Hochgefühl folgen Ruhe, Unbeschwertheit und Selbstzufriedenheit. Je nach Qualität des Stoffes wirkt er zwischen zwei und fünf Stunden. Danach kommen Entzugserscheinungen. Da sich der Körper an das Gift gewöhnt, müssen Süchtige die Menge immer weiter steigern.
Die Behörden finden immer wieder Drogenhöhlen, sind aber hilflos. Insgesamt hat die DEA in New York im vergangenen Jahr 44 Kilo beschlagnahmt, fast 20 Prozent der gesamten Funde in den USA, ein Wert von rund 43 Millionen Dollar. Das Geschäft ist größer geworden und professioneller. Erst im Januar fand die Polizei eine Heroin-Mühle in einer Wohnung im New Yorker Stadtteil Bronx mit Hunderttausenden Tütchen mit Namen wie „iPhone“ oder „Government Shutdown“. Sie waren acht Millionen Dollar wert und für Dealer im gesamten Nordosten der USA vorgesehen. Der Fund sei ein Warnzeichen, wie lukrativ das Geschäft geworden ist, sagt Bridget Brennan, New Yorks Drogen-Sonderbeauftragte. „Eine Beschlagnahmung dieser Größe sollte allen die Augen öffnen über das Ausmaß des Heroin-Problems, mit dem wir konfrontiert sind.“
Über seinen Drogentod schreibt die Weltpresse. Über die vielen anderen Fälle in den vergangenen Wochen schreibt kaum einer. Immer häufiger sterben Menschen an einer Überdosis oder an verunreinigtem Heroin – vor allem an der Ostküste. In Philadelphia starben 2011 251 Junkies, 2010 waren es 138. Heroin, dem das Schmerzmittel Fentanyl untergemischt war, brachte seit September im kleinen Bundesstaat Maryland mindestens 37 Menschen um und in Pittsburgh und umliegenden Städten in Pennsylvania innerhalb einer Woche 22. Dealer verkaufen es mit ironischen Namen wie „Theraflu“, was eigentlich ein Grippemedikament ist, oder „Income Tax“ – Einkommensteuer. Alle 19 Minuten stirbt ein Amerikaner an Drogen, ein großer Teil von ihnen an Heroin.
Die Sucht breitet sich im ganzen Land aus, in allen Altersklassen und Bevölkerungsgruppen
Und jeder Fall von einer Überdosis oder von vermischtem Heroin zieht weitere nach sich, erklärt der Sozialarbeiter und Journalist Jeff Deeney, der selbst süchtig war: Die harten Abhängigen machen sich auf die Suche nach den besonders potenten Beuteln, wenn es Nachrichten über ihre Markennamen wie Ace of Hearts oder Ace of Spades gibt. „Überdosen werden zur Werbung für ein starkes Produkt.“
Philip Seymour Hoffman starb offenbar an einer Überdosis Heroin.
Heroin ist inzwischen fast eine Alltagsdroge in Amerika. In New York gibt es das Zeug an jeder Straßenecke, ja man kann es sich von Kurierdiensten an die Haustür bringen lassen. Hier ist die Zahl der Überdosis-Opfer zwischen 2010 und 2012 um 84 Prozent gestiegen. 382 Menschen.
Während der Konsum in Deutschland seit Jahren sinkt, steigt er in den USA. 2007 nahmen 373000 Amerikaner Heroin – in etwa so wie in den Jahren zuvor. 2012 waren es schon 669000. Von ihnen gelten 467000 als abhängig – fast doppelt so viele wie 2002, heißt es in einer Studie des US-Gesundheitsministeriums. Und die Nutzer werden immer jünger: 2009 war man beim ersten Schuss im Schnitt 25,5 Jahre alt, 2012 nur noch 23.
Die Sucht betrifft alle demografischen Gruppen“, sagt Gil Kerlikowske. Er arbeitet für das Weiße Haus, offiziell nennt man ihn Direktor des Office of National Drug Control Policy, inoffiziell heißt er Drogenzar. „Wir dachten lange, Heroin sei ein Problem der Innenstädte, aber inzwischen sehen wir es im ganzen Land, in allen Bevölkerungsgruppen und allen Altersklassen.“
Einer der Hauptgründe für den Anstieg ist, dass Heroin recht unkompliziert und billig zu haben ist. Vor ein paar Tagen hat die Polizei in Pittsburgh eine McDonald’s-Mitarbeiterin verhaftet, die Heroin verkaufte. Ihre Kunden sind zum Drive-in-Schalter gefahren, bestellten „ein Spielzeug“ und bekamen ihr Tütchen in den Boxen von Happy Meals. Heroin ist billig, vor allem wegen steigender Produktion in Mexiko, heißt es bei der Anti-Drogenbehörde Drug Enforcement Administration (DEA). Die DEA nennt Heroin schon eine Epidemie. Die mexikanischen Dealer hätten ihre Netzwerke in jüngster Zeit auch in den Mittleren Westen und Nordosten der USA ausgedehnt. An der Grenze zu Mexiko haben die US-Behörden 2012 1855 Kilo Heroin beschlagnahmt, das ist ein Anstieg von 232 Prozent im Vergleich zu 2008 – und natürlich finden die Polizisten nur einen Bruchteil der Ware.
Im Gegensatz dazu wird es immer teurer und schwieriger, verschreibungspflichtige Medikamente zu bekommen. Oxycontin etwa, ebenfalls ein Opiat und ein legal erhältliches Schmerzmittel, war lange eine begehrte Droge. Die Szene taufte es Hillbilly Heroin, weil die Pillen besonders gern von der weißen Landbevölkerung genommen wurden, die man als Hillbillies verunglimpft. Eine Pille kostet laut dem Sozialarbeiter Deeney auf dem Schwarzmarkt 40 Dollar, wenn man sie preiswert bekommt. In manchen Gegenden sind bis zu 100 Dollar dafür fällig. Es wurde teurer, weil die Behörden und Pharmakonzerne es schwerer gemacht haben, Oxycontin zu bekommen – das Angebot sank, der Preis stieg.
Erst im Januar hat die New Yorker Polizei eine Drogenhöhle in der Bronx gefunden
Eine Tüte Heroin kostet auf der Straße dagegen nur etwa zehn Dollar, und die Wirkung ist die gleiche. In der Heroin-Hauptstadt New York bekommt man es teils für sechs Dollar. In den vergangenen Jahren ist Heroin reiner geworden, es wirkt also stärker. Offenbar stecken auch dahinter die Kräfte der Marktwirtschaft: Weil mit den Pillen neue Konkurrenz für Heroin entstand, musste Heroin besser werden, um noch Abnehmer zu finden. Die Qualität des Stoffes schwankt aber stärker als die der Pillen. „Viele Abhängige sind zu Heroin gewechselt, weil es leichter zu haben ist und ein ähnliches Hoch liefert“, schreibt die DEA in ihrem Drogenbericht. „Therapiestellen berichten, dass Opiat-Süchtige immer die Droge nehmen, die billiger und leichter zu haben ist.“ Die Zahl der Oxycontin-Abhängigen sinkt. Auch der Schauspieler Hoffman soll eine Zeit lang das Opium-Schmerzmittel genommen haben.
Der Gouverneur von Vermont, Pete Shumlin, hat seine gesamte Rede an das Parlament in der vergangenen Woche dem massiven Drogenproblem gewidmet, das es inzwischen in seinem kleinen, ländlichen Bundesstaat gibt. „In jedem Winkel unseres Staates bedrohen uns Heroin- und Opiat-Abhängigkeiten“, sagt er. „Was als Problem mit Oxycontin und anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten in Vermont begann, hat sich zu einer ausgewachsenen Heroinkrise entwickelt.“
Kaum eine Droge macht so schnell süchtig wie Heroin, einer von vier Menschen, die es probieren, wird abhängig. Heroin beeinflusst das zentrale Nervensystem. Auf ein blitzartiges Hochgefühl folgen Ruhe, Unbeschwertheit und Selbstzufriedenheit. Je nach Qualität des Stoffes wirkt er zwischen zwei und fünf Stunden. Danach kommen Entzugserscheinungen. Da sich der Körper an das Gift gewöhnt, müssen Süchtige die Menge immer weiter steigern.
Die Behörden finden immer wieder Drogenhöhlen, sind aber hilflos. Insgesamt hat die DEA in New York im vergangenen Jahr 44 Kilo beschlagnahmt, fast 20 Prozent der gesamten Funde in den USA, ein Wert von rund 43 Millionen Dollar. Das Geschäft ist größer geworden und professioneller. Erst im Januar fand die Polizei eine Heroin-Mühle in einer Wohnung im New Yorker Stadtteil Bronx mit Hunderttausenden Tütchen mit Namen wie „iPhone“ oder „Government Shutdown“. Sie waren acht Millionen Dollar wert und für Dealer im gesamten Nordosten der USA vorgesehen. Der Fund sei ein Warnzeichen, wie lukrativ das Geschäft geworden ist, sagt Bridget Brennan, New Yorks Drogen-Sonderbeauftragte. „Eine Beschlagnahmung dieser Größe sollte allen die Augen öffnen über das Ausmaß des Heroin-Problems, mit dem wir konfrontiert sind.“