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Der kleine Prinz

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Dieser Prinz von Hohenlohe war natürlich ein Scharlatan. Ein Hochstapler. Ohne Skrupel und Moral. Ende Januar wurde er wegen Betrugs und anderer fürchterlicher Dinge zu elf Jahren Haft verurteilt. Aber um diesen Prinz von Hohenlohe geht es ja hier nicht.



Von Hohenlohe als mexikanischer Fahnenträger in Sotschi

Es ist der andere, der echte Prinz von Hohenlohe, der wenige Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele fröhlich vom Wiener Graben in die Dorotheergasse biegt. Typ: Ewig junger Skilehrer. Das schwarze Mützchen von Lacoste, die grüne Winterjacke mit Armee-Muster von Kappa. Braune Haut, roter Schal, volles Haar. Für ihn, den Fotografen des jährlichen „Skilehrerinnenkalender“, haben sich schon viele Frauen einen Schnupfen geholt. Zuletzt die libanesische Olympia-2014-Teilnehmerin Jacky Chamoun, die für Hohenlohe vor drei Jahren nur mit einem rosa Schlüpfer im Schnee posierte. Nachdem die Bilder gerade wieder aufgetaucht sind, wurde es nicht nur dem libanesischen Sportminister eiskalt. Er ordnete eine Untersuchung des Falles an, um den Ruf seines Landes zu schützen. Man kann das verstehen.

Doch hier, im Kaffeehaus Hawelka, trifft man sich mit Hubertus Prinz zu Hohenlohe, 55, allein aus diesem Grund: Er ist „the most interesting Olympian in world“ – so nannte ihn gerade der Fernsehsender NBC. Man weiß ja, dass bei Olympischen Spielen oftmals diejenigen, die auf den hinteren Plätzen landen, die besten Geschichten zu erzählen haben. Jamaikanische Bobfahrer zum Beispiel. Oder bebrillte britische Skispringer. So auch der Prinz, der, natürlich, im Slalom verlieren wird. Gewinnen würde er wohl selbst dann nicht, wenn seine Konkurrenz unter einem kollektiven Schleudertrauma litte.

„Hätte ich den Sport nicht gehabt, wär’s wahrscheinlich böse mit mir ausgegangen“, sagt Hubertus von Hohenlohe. Früher wohnte der Prinz beim Hawelka quasi gegenüber. Damals sei er mit dem Ambros und dem Fendrich um die Häuser gezogen. Später auch mit Lionel Richie. Jetzt hätten die Russen die halbe Wiener Innenstadt aufgekauft, deshalb wohne er weiter weg, in der Zirkusgasse. Im gleichen Haus wie der Künstler Wurm, sagt Hohenlohe und bestellt sich beim livrierten Kellner eine „Schartner Bombe“, was man in Österreich für Limonade hält.

Tagelang hat Hohenlohe, der dieses Jahr zum sechsten und wohl letzten Mal bei Olympia antritt, in der Zirkusgasse auf den Paketdienst gewartet. Wegen der Skischuhe, die er an diesem Abend, dem Vorabend seines Abflugs nach Sotschi, noch so dringend braucht. „Aber es ist immer noch nichts angekommen. Ich meine: Was denken die sich? Dass ich zwischen 10 und 15Uhr nur auf das Klingeln eines Paketmannes warte?“ Der Prinz trommelt mit den Fingern auf den Holztisch, an dem wahrscheinlich schon Alfred Hrdlicka mit Hans Moser saß. Das Leben, es ist nicht immer „higher than Mars“, wie der Prinz vergangenes Jahr in der ZDF-„Frühlingsshow“ sang. Schlagersänger, das ist Hohenlohe nämlich auch.

Geboren wird Hubertus Prinz zu Hohenlohe 1959 in Mexiko-Stadt. Seine Mutter ist die Schmuckdesignerin, Schauspielerin und Fiat-Agnelli-Nichte Ira von Fürstenberg, die bereits mit 15 Jahren Alfonso Prinz zu Hohenlohe heiratet, was der Boulevardpresse damals fabelhaft bunte Seiten beschert. In den fünf Jahren, die die Ehe währt, kommen Hubertus und sein (mittlerweile verstorbener) Bruder Christoph auf die Welt. Als die junge Mutter sich kurz darauf in die Arme eines brasilianischen Playboys flüchtet, wird um die Brüder heftig gestritten. Kindesentführung, Privatdetektive, Polizei – es geht hoch her. Schließlich zieht der Vater, der als Geschäftsmann den Grundstein für den Erfolg des VW-Käfer in Mexiko legte, mit seinen beiden Jungs nach Spanien. In dem Fünf-Sterne-Hotel, das er in Marbella führt, geht der internationale Jetset ein und aus. Audrey Hepburn, die Callas, Queen, Michael Jackson. „Am Pool schnitten wir mit David Bowie Verse aus Papier aus und mischten sie immer wieder neu“, erzählt Hohenlohe und beträufelt seine Lippen mit Schartner Bombe. „An so einem Abend entstand ,Heroes‘.“ Doch dem Vater sei das vollkommen berauschte Marbella für seine beiden heranwachsenden Söhne „zu frivol“ gewesen. Also habe er Hubertus und seinen Bruder in eine österreichische Klosterschule geschickt. „Das war die schlimmste Zeit meines Lebens“, sagt Hohenlohe. „Sollte man von mir jemals Buße verlangen für etwas, das ich falsch gemacht habe – in dieser Zeit habe ich alles abgegolten.“ Jetzt war sein Leben zwar nicht mehr frivol, dafür aber furchtbar. Und doch hatte diese Zeit auch ihr Gutes: Der Prinz entdeckte seine Liebe zum Skisport. Er siegte mal hier und mal da, raste in Kitzbühel die Streif hinunter.

Er war gut. Gut genug, um in die österreichische Olympia-Skimannschaft zu kommen, war er aber nicht.

Weil er neben dem Liechtensteiner auch noch den mexikanischen Pass besitzt, gründete Hohenlohe den ersten mexikanischen Skiverband (heute 25Mitglieder) und brachte sich dort selbst als möglichen Winter-Olympioniken ins Spiel. An Selbstbewusstsein und an FIS-Punkten mangelte es ihm nicht. Schon gar nicht an Beziehungen. Der Titel „Prinz“ war ein Entrée, auch in die Wiener Künstlerwelt. Hohenlohes neue Vaterfigur hieß jetzt Hansi Hölzel alias Falco und tüftelte gemeinsam mit ihm an den Texten von „Junge Römer“ und „America“. Auch, erzählt der blauäugige Hohenlohe, sei man gemeinsam im Rotlichtviertel ausgegangen. Die Details zu dieser Geschichte ruhen auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Auf Station in New York fand der smarte, sportliche, katholisch erzogene Jetset-Prinz bei Andy Warhol Anschluss – was nur beweist, wie unerhört nah sich Pop, Kunst, Adel, Wirtschaft und Sport im Grunde sind. „Zwischen all den Superstars, Pornostars und Künstlern war ich die Cherry-Tomate im Salat“, grinst der Prinz. Seit nunmehr 20 Jahren ist er mit der italienischen Modedesignerin Simona Gandolfi liiert. Die zwei Kinder, die sie hat, habe sie „in einer Beziehungspause“ von einem anderen bekommen, erzählt Hohenlohe indifferent. Bei Simona handele es sich wiederum um die Cousine des bombigen italienischen Abfahrtstars Alberto Tomba. Angesichts der italienischen Verwandtschaft schmerzt es ihn noch heute, dass ihn Mexiko ausgerechnet für die Winterspiele in Turin 2006 nicht aufgestellt hatte. „Alle saßen im Stadion und warteten auf meinen Einzug“, sagt er. „Doch ich durfte nicht – und trauerte im Hotel vor dem Fernseher.“ Hernach habe er ein „ordentliches Donnerwetter“ abgezogen, bei den mexikanischen Sportfunktionären. Mit Erfolg: In Sotschi durfte er wieder die mexikanische Fahne hochhalten. Und weil auch auf der Piste alles stimmen muss, ließ sich Hohenlohe von einem Sportausstatter diesmal ein Skianzug-Unikat im Stil der mexikanischen Mariachi-Tracht entwerfen. Diese Tracht liegt ihm irgendwie mehr als die alpenländische. Ein Münchner Textilhaus hatte dem Prinz jüngst eine Rechnung über mehrere Tausend Euro geschickt. Wie sich herausstellte, hatte dieses Trachtenkostüm jedoch der soeben zu jahrelanger Haft verurteilte Betrüger-Prinz von Hohenlohe aus Deutschland bestellt.

Jetzt also noch einmal die ganz große Show. Obwohl, sagt von Hohenlohe, eigentlich sei er ja Künstler und anerkannter Fotograf. „In Köln wurden meine Fotos neben denen von Gursky ausgestellt.“ Die eher künstlerischen natürlich. Nicht die mit den entblößten Skihaserln, zum Beispiel aus Libanon. Aber wie gesagt: Bei Hohenlohe hängt sowieso irgendwie alles zusammen. Mit den niederländischen Bolland-Brüdern, die bereits Falco produzierten, hat der Prinz soeben zwei neue Schunkelschlager aufgenommen. Wahrscheinlich darf er die bald wieder auf einer Styropor-Insel im ZDF-Pool singen. Im Privatkanal des Red-Bull-Milliardärs Dietrich Mateschitz wiederum tritt er als Fremdenführer auf. „Mateschitz sagte: ,So jemanden wie dich brauche ich bei Servus.tv. Ich geb dir das Geld, und du machst, was du willst.‘“ Ideale Bedingungen für guten Journalismus!

Nun schreibt er in Sotschi Geschichte als ältester Teilnehmer (zweitältester der Winterspiel-Historie). Das macht natürlich wehmütig. „Früher verbrachten wir Sportler die Abende gemeinsam, spielten Tischfußball oder Pingpong. Manchmal besuchte uns jemand wie John Denver, packte die Gitarre aus und sang dazu“, erzählt der Prinz. „Das ist heute nicht mehr so. Heute starrt jeder nur noch auf sein Smartphone.“ Alles geht vorüber. Spätestens nach dem Herrenslalom am kommenden Wochenende.

Und nach Sotschi? Wiener Opernball, Italien, Mexiko, der nächste Skilehrerinnenkalender und am letzten August-Wochenende die jährliche Hubertus-Jetset- Party in Marbella. Ein bisschen Sport, ein bisschen Musik, ein bisschen Spaß – so kann das Leben ewig währen. Aber jetzt muss der Prinz wieder in die Zirkusgasse. Vielleicht war ja der Paketdienst da.

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