Drei, zwei, eins – meins: Die Auktions-Plattform Ebay möchte unkompliziert sein, aber den Käufern auch Sicherheit bieten. Verkaufen, heißt es auf den Webseiten des Unternehmens, könne dort „jeder wie ein Profi“ – „nur, dass das jetzt ganz einfach ist“. Da sollte es doch auch leicht sein, eine Auktion zu beenden, dachte sich Marcel Thomas. Doch der 30 Jahre alte Industriekaufmann aus Mülheim an der Ruhr musste lernen, dass die Ebay-Welt auch kompliziert sein kann. Auktions-Abbrecher werden von anderen Nutzern regelrecht gejagt. Juristisch gab es kaum Auswege. Bis jetzt – denn nun macht ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) das nachträgliche Beenden einer Auktion erheblich einfacher.
Das Internetauktionshaus Ebay wehrt sich gegen "Abbruch-Jäger"
Aber was war überhaupt passiert? Thomas stellte seine Playstation 4 als Auktion ein und bot die Konsole zeitgleich auch bei Ebay-Kleinanzeigen an. Dort meldete sich sofort ein Käufer und machte ein gutes Angebot: 480 Euro auf die Hand, Abholung an der Haustür und das Beste: Thomas würde etwa 50 Euro Ebay-Gebühren sparen. Er war hin- und hergerissen, doch ein Klick auf „Auktion abbrechen“ bei Ebay genügte und Thomas jubelte: „Dort stand, dass ich Auktionen, die länger als zwölf Stunden dauern, ,ohne Einschränkungen’ abbrechen kann.“ Er wählte „alle Gebote streichen“ und fühlte sich sicher. Doch dann kam eine Nachricht eines Nutzers, der als Höchstbietender der abgebrochenen Auktion fragte, was denn aus der Playstation 4 geworden sei. „Ich schrieb, dass ich laut Ebay abbrechen durfte und die Konsole anderweitig verkauft habe.“
Das war das Startsignal für den Fragesteller, der sofort eine Drohkulisse aufbaute: Entweder Thomas liefere zum Schnäppchenpreis die Konsole oder er müsse Schadensersatz zahlen. Nach einer Bedenkzeit von drei Tagen, hieß es in der E-Mail weiter, würde sonst ein Anwalt die Sache in die Hand nehmen. Darunter standen sogar Name und Adresse von Thomas, die Ebay vorsorglich herausgegeben habe. Das saß. „So schnell handelt keiner, der nur eine Konsole will.“ Thomas untersuchte das Bieterprofil des E-Mail-Schreibers und fand: Innerhalb von 30 Tagen hatte dieser bei 864 Auktionen immer nur einmal auf eine Playstation 4 oder ein iPad Air geboten. Dem Bewertungsprofil zufolge ersteigerte er aber nichts davon – zumindest in keiner normal beendeten Auktion. Dass dahinter ein System steckt, wurde ihm klar, als er im Internet nach dem Ebay-Pseudonym googelte. Er fand zehn weitere Fälle, die derselbe Bieter nach einem Auktionsabbruch unter Druck gesetzt hatte. „Das Phänomen nennt man Abbruch-Jäger“, weiß er heute.
Konstantin Wehrhahn betreut die Webseite falle-internet.de und sammelt auf auktionshilfe.org Fälle von Abbruch-Jägern. Er sagt, dass es „ganze Ebay-Kategorien“ gibt, „in denen alle Angebote beboten“ werden. Bei bis zu 2000 Auktionen bieten diese Jäger mit, immer geht es um begehrte Objekte wie Smartphones, Tablets, Notebooks. Sie böten nie so viel, dass sie gewinnen werden und lägen bloß auf der Lauer. Die Logik dahinter ist simpel: Je teurer ein Produkt, desto stärker der Druck auf den Verkäufer, die Auktion abzubrechen, wenn es schlecht läuft. Außerdem steigen bei wertvollen Artikeln die Ebay-Gebühren und damit die Verlockung, sich abseits der Auktion mit einem Käufer zu einigen.
Sind die Jäger bei einem Abbruch Höchstbietender, schlagen sie zu. Die Masche gibt es schon länger, manche dieser Jäger wurden von Ebay auch schon gesperrt. Auf Anfrage äußert man sich beim Internetauktionshaus aber nur allgemein, nicht zum Phänomen der Abbruch-Jäger und auch nicht zum Fall von Marcel Thomas. Wehrhahn dagegen kann listenweise weitere Jäger und ihre Verbindungen untereinander aufzählen, sagt, dass die von Ebay Gesperrten unter falschen Namen weiter jagen und verweist auf die ungleich größere Zahl von Opfern.
Aber wie sieht die Sache eigentlich rechtlich aus? Dass bei einer abgebrochenen Auktion trotzdem ein Kaufvertrag entsteht, erlauben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Ebay. Wer Ware für einen Euro einstellt, erklärt sich bereit, diese auch für einen Euro zu verkaufen. Es entsteht ein schwebend wirksamer Kaufvertrag, der mit jedem Höchstbietenden neu geschlossen und mit dem Unterlegenen aufgelöst wird – bis er nach Ablauf der Auktionszeit in Kraft tritt. Laut Paragraf 6, Nummer 6 der AGB gilt das auch bei einem Auktionsabbruch und kennt nur zwei Ausnahmen. Erstens: Der Gegenstand wurde gestohlen oder ohne die Schuld des Verkäufers beschädigt. Zweitens: Der Verkäufer hat sich geirrt. Über das Produkt, den Preis oder sein Angebot. Darüber müsste aber ein Gericht entscheiden, ob das zum Anfechten des Kaufvertrags ausreicht.
Doch warum berufen sich Menschen wie Marcel Thomas nicht auf einen der zwei Punkte und machen es den Abbruch-Jägern zumindest schwerer? Sie rennen in ihr Verderben, weil sie Ebay missverstehen, sagt Wehrhahn. Beim Auktionsabbruch dürfen sie als Begründung wählen „Der Artikel steht nicht mehr zum Verkauf“. Laut Wehrhahn wird das als „Freifahrtsschein“ gedeutet. Doch einen solchen gibt es nicht. Die Informationen, die Ebay bietet, seien zwar nicht falsch, „doch die Vielzahl der Verkäufer, die den Inhalt nicht oder verkehrt verstanden haben, zeigen, dass damit ganz objektiv ein falscher Eindruck erzeugt wird“. Auch dazu wollte sich Ebay nicht äußern.
Bisher blieb Verkäufern wie Marcel Thomas damit nur die Hoffnung, den Abbruch-Jägern einen fehlenden „Rechtbindungswillen“ nachzuweisen. Dass es ihnen also bei ihren massenhaften Geboten nicht um das Ersteigern, sondern allein um den Schadensersatz geht. Das wird schwierig, sagt der Anwalt und Experte für Internetrecht Johannes Richard, denn kein Bieter müsse Ebay „in die Hand versprechen, dass er die Auktion gewinnen will“ und er wisse ja auch nicht, „ob der Anbieter abbricht“. Ebay stelle die Rechtslage objektiv sogar ganz gut dar.
Bewegung in die Sache kommt nun aber durch ein Urteil des BGH (Az. VIII ZR 63/13). Im konkreten Fall ging es um einen Kraftfahrzeugmotor. Der Verkäufer richtete dem Höchstbietenden aus, der Motor habe woanders mehr Geld eingebracht. Der Streit endete in einer Klage, doch vor dem Berufungsgericht lieferte der Verkäufer eine andere Begründung: Er habe sich über den Motor geirrt, der ohne Straßenzulassung sei und deshalb abgebrochen. Das Gericht meinte, das könne zwar ein Grund sein, ließ ihn aber nicht mehr gelten. Dafür sei es nun zu spät. Der BGH dagegen legte die Ebay-AGB wörtlich aus und befand, der Abbruch sei gültig.
Das Entscheidende an dem Urteil ist für Anwalt Richard: Bei Ebay muss der Verkäufer „nicht mehr unverzüglich wegen Irrtums anfechten“. Wichtig ist allein: „Er hätte anfechten können“. Konkret heißt das: Für Abbruch-Jäger wird es schwerer, weil die Gegenseite Zeit hat, nach einem Irrtum zu suchen, der zum Abbruch berechtigt. „Der Anwalt des Verkäufers müsste schon sehr dumm sein, wenn er dem Gericht nicht eine Vielzahl von möglichen Anfechtungsgründen vorträgt. Nur ein einziger muss überzeugen.“
Für die Opfer von Abbruch-Jägern ist das zwar gut, aber das Urteil „öffnet dem Rausmogeln aus einer Auktion Tür und Tor“, analysiert Richard. Das mache das Leben für professionelle Verkäufer bei Ebay viel leichter. Läuft es nicht für sie, können sie Auktionen abbrechen, die Kunden bekommen statt eines Schnäppchens nur eine Mail: Auktion abgebrochen.
Das Internetauktionshaus Ebay wehrt sich gegen "Abbruch-Jäger"
Aber was war überhaupt passiert? Thomas stellte seine Playstation 4 als Auktion ein und bot die Konsole zeitgleich auch bei Ebay-Kleinanzeigen an. Dort meldete sich sofort ein Käufer und machte ein gutes Angebot: 480 Euro auf die Hand, Abholung an der Haustür und das Beste: Thomas würde etwa 50 Euro Ebay-Gebühren sparen. Er war hin- und hergerissen, doch ein Klick auf „Auktion abbrechen“ bei Ebay genügte und Thomas jubelte: „Dort stand, dass ich Auktionen, die länger als zwölf Stunden dauern, ,ohne Einschränkungen’ abbrechen kann.“ Er wählte „alle Gebote streichen“ und fühlte sich sicher. Doch dann kam eine Nachricht eines Nutzers, der als Höchstbietender der abgebrochenen Auktion fragte, was denn aus der Playstation 4 geworden sei. „Ich schrieb, dass ich laut Ebay abbrechen durfte und die Konsole anderweitig verkauft habe.“
Das war das Startsignal für den Fragesteller, der sofort eine Drohkulisse aufbaute: Entweder Thomas liefere zum Schnäppchenpreis die Konsole oder er müsse Schadensersatz zahlen. Nach einer Bedenkzeit von drei Tagen, hieß es in der E-Mail weiter, würde sonst ein Anwalt die Sache in die Hand nehmen. Darunter standen sogar Name und Adresse von Thomas, die Ebay vorsorglich herausgegeben habe. Das saß. „So schnell handelt keiner, der nur eine Konsole will.“ Thomas untersuchte das Bieterprofil des E-Mail-Schreibers und fand: Innerhalb von 30 Tagen hatte dieser bei 864 Auktionen immer nur einmal auf eine Playstation 4 oder ein iPad Air geboten. Dem Bewertungsprofil zufolge ersteigerte er aber nichts davon – zumindest in keiner normal beendeten Auktion. Dass dahinter ein System steckt, wurde ihm klar, als er im Internet nach dem Ebay-Pseudonym googelte. Er fand zehn weitere Fälle, die derselbe Bieter nach einem Auktionsabbruch unter Druck gesetzt hatte. „Das Phänomen nennt man Abbruch-Jäger“, weiß er heute.
Konstantin Wehrhahn betreut die Webseite falle-internet.de und sammelt auf auktionshilfe.org Fälle von Abbruch-Jägern. Er sagt, dass es „ganze Ebay-Kategorien“ gibt, „in denen alle Angebote beboten“ werden. Bei bis zu 2000 Auktionen bieten diese Jäger mit, immer geht es um begehrte Objekte wie Smartphones, Tablets, Notebooks. Sie böten nie so viel, dass sie gewinnen werden und lägen bloß auf der Lauer. Die Logik dahinter ist simpel: Je teurer ein Produkt, desto stärker der Druck auf den Verkäufer, die Auktion abzubrechen, wenn es schlecht läuft. Außerdem steigen bei wertvollen Artikeln die Ebay-Gebühren und damit die Verlockung, sich abseits der Auktion mit einem Käufer zu einigen.
Sind die Jäger bei einem Abbruch Höchstbietender, schlagen sie zu. Die Masche gibt es schon länger, manche dieser Jäger wurden von Ebay auch schon gesperrt. Auf Anfrage äußert man sich beim Internetauktionshaus aber nur allgemein, nicht zum Phänomen der Abbruch-Jäger und auch nicht zum Fall von Marcel Thomas. Wehrhahn dagegen kann listenweise weitere Jäger und ihre Verbindungen untereinander aufzählen, sagt, dass die von Ebay Gesperrten unter falschen Namen weiter jagen und verweist auf die ungleich größere Zahl von Opfern.
Aber wie sieht die Sache eigentlich rechtlich aus? Dass bei einer abgebrochenen Auktion trotzdem ein Kaufvertrag entsteht, erlauben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Ebay. Wer Ware für einen Euro einstellt, erklärt sich bereit, diese auch für einen Euro zu verkaufen. Es entsteht ein schwebend wirksamer Kaufvertrag, der mit jedem Höchstbietenden neu geschlossen und mit dem Unterlegenen aufgelöst wird – bis er nach Ablauf der Auktionszeit in Kraft tritt. Laut Paragraf 6, Nummer 6 der AGB gilt das auch bei einem Auktionsabbruch und kennt nur zwei Ausnahmen. Erstens: Der Gegenstand wurde gestohlen oder ohne die Schuld des Verkäufers beschädigt. Zweitens: Der Verkäufer hat sich geirrt. Über das Produkt, den Preis oder sein Angebot. Darüber müsste aber ein Gericht entscheiden, ob das zum Anfechten des Kaufvertrags ausreicht.
Doch warum berufen sich Menschen wie Marcel Thomas nicht auf einen der zwei Punkte und machen es den Abbruch-Jägern zumindest schwerer? Sie rennen in ihr Verderben, weil sie Ebay missverstehen, sagt Wehrhahn. Beim Auktionsabbruch dürfen sie als Begründung wählen „Der Artikel steht nicht mehr zum Verkauf“. Laut Wehrhahn wird das als „Freifahrtsschein“ gedeutet. Doch einen solchen gibt es nicht. Die Informationen, die Ebay bietet, seien zwar nicht falsch, „doch die Vielzahl der Verkäufer, die den Inhalt nicht oder verkehrt verstanden haben, zeigen, dass damit ganz objektiv ein falscher Eindruck erzeugt wird“. Auch dazu wollte sich Ebay nicht äußern.
Bisher blieb Verkäufern wie Marcel Thomas damit nur die Hoffnung, den Abbruch-Jägern einen fehlenden „Rechtbindungswillen“ nachzuweisen. Dass es ihnen also bei ihren massenhaften Geboten nicht um das Ersteigern, sondern allein um den Schadensersatz geht. Das wird schwierig, sagt der Anwalt und Experte für Internetrecht Johannes Richard, denn kein Bieter müsse Ebay „in die Hand versprechen, dass er die Auktion gewinnen will“ und er wisse ja auch nicht, „ob der Anbieter abbricht“. Ebay stelle die Rechtslage objektiv sogar ganz gut dar.
Bewegung in die Sache kommt nun aber durch ein Urteil des BGH (Az. VIII ZR 63/13). Im konkreten Fall ging es um einen Kraftfahrzeugmotor. Der Verkäufer richtete dem Höchstbietenden aus, der Motor habe woanders mehr Geld eingebracht. Der Streit endete in einer Klage, doch vor dem Berufungsgericht lieferte der Verkäufer eine andere Begründung: Er habe sich über den Motor geirrt, der ohne Straßenzulassung sei und deshalb abgebrochen. Das Gericht meinte, das könne zwar ein Grund sein, ließ ihn aber nicht mehr gelten. Dafür sei es nun zu spät. Der BGH dagegen legte die Ebay-AGB wörtlich aus und befand, der Abbruch sei gültig.
Das Entscheidende an dem Urteil ist für Anwalt Richard: Bei Ebay muss der Verkäufer „nicht mehr unverzüglich wegen Irrtums anfechten“. Wichtig ist allein: „Er hätte anfechten können“. Konkret heißt das: Für Abbruch-Jäger wird es schwerer, weil die Gegenseite Zeit hat, nach einem Irrtum zu suchen, der zum Abbruch berechtigt. „Der Anwalt des Verkäufers müsste schon sehr dumm sein, wenn er dem Gericht nicht eine Vielzahl von möglichen Anfechtungsgründen vorträgt. Nur ein einziger muss überzeugen.“
Für die Opfer von Abbruch-Jägern ist das zwar gut, aber das Urteil „öffnet dem Rausmogeln aus einer Auktion Tür und Tor“, analysiert Richard. Das mache das Leben für professionelle Verkäufer bei Ebay viel leichter. Läuft es nicht für sie, können sie Auktionen abbrechen, die Kunden bekommen statt eines Schnäppchens nur eine Mail: Auktion abgebrochen.