Unter dem Sand muss eine Wunderkerze vergraben sein. So sieht es jedenfalls aus, wenn aus dem grauen Pulver gelblich-weiße Funken schießen. Diesen ersten Eindruck rückt Olaf Rehme vom Siemens-Forschungszentrum im Berliner Bezirk Spandau schnell zurecht. Die Quelle der Funken liegt nicht unter, sondern weit oberhalb des Sandbetts: Ein Laserstrahl bringt das Pulver punktgenau zum Schmelzen. Und es handelt sich auch nicht um Sand, Staub oder ein anderes unscheinbares Material, sondern um Stahl in Pulverform – winzige, genau abgemessene Metallpartikel einer besonders festen Legierung.
Das Darmstädter Fraunhofer Institut erforscht die Nutzung des 3-D-Druckens für Museen
Immer wieder fährt der Lichtstrahl das gleiche Muster nach: Erst zeichnet er die Konturen von sechs Stäbchen mit dünnen Strichen nach, dann malt er ruckelnd die umschlossene Fläche aus. Die Tönung des Pulvers verwandelt sich dabei von einem matten Mittelgrau in glänzendes Dunkelgrau. Dann fährt eine Schütte über das Muster und bedeckt es mit einer 0,05 Millimeter dünnen Schicht aus frischem Stahlpulver. „Der Laser schmilzt es dann an der exakt gleichen Stelle. Jede dieser Schichten verbindet sich mit der darunter, und so entstehen dreidimensionale Objekte“, erklärt Olaf Rehme. Es ist eine Art 3-D-Drucker, der aus Stahlpulver Metallteile macht.
Was in dem Siemens-Labor passiert, könnte die industrielle Produktion umwälzen. Das Drucken von Metallobjekten, in der Fachsprache „Selective Laser Melting“ (SLM) genannt, werde „disruptiv“ wirken, also heutige Vorgänge in Fabriken abrupt beenden, sagt Andreas Fischer-Ludwig, der bei Siemens für die Fertigungstechnik von Gasturbinen unter anderem im Werk Berlin-Moabit verantwortlich ist. „In zehn bis 15 Jahren stehen in Fertigungsanlagen Reihen von Druckern neben den heutigen Werkzeugmaschinen.“
Das Verfahren kehrt Jahrtausende der Handwerks- und Industrietradition um. Bislang wurde Rohmaterial selektiv verkleinert und verformt. Wie tief verankert diese Arbeitsweise in der Sprache ist, zeigen Verben wie sägen, bohren, hobeln, fräsen, drehen und schleifen. Und nun entsteht ein Verfahren, das Bauteile durch selektives Hinzufügen von Rohmaterial erzeugt, fast so wie Kinder eine Strandburg bauen.
Ersonnen haben das Forscher vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen schon vor fast 20 Jahren. „Das SLM-Verfahren erlaubt es, sehr komplexe metallische Bauteile in kleinen Serien herzustellen“, sagt Axel Bauer, Sprecher des Instituts. „Bei herkömmlicher Fertigung wären die Stückkosten sehr hoch, beim 3-D-Druck bezahlt man nur das Gewicht des Materials und nicht die Komplexität der Struktur.“ Um eine solche Maschine zu programmieren, wird eine digitale Konstruktionszeichnung (CAD-Datei) in dünne Schichten zerlegt. Der Laser fährt deren Konturen ab und schmilzt Pulverpartikel, die sich beim Aushärten mit dem bereits erstellten Sockel verbinden; dessen oberste Lage wird dazu ebenfalls angeschmolzen.
Die Genauigkeit der auf diese Weise erzeugten Formen erreicht inzwischen mühelos einen zwanzigstel Millimeter. Bei kleinen 3-D-Druckern, die es bereits im Alltag gibt, besteht das Pulver aus Kunststoff. In diesem Fall dient das Verfahren meist der Erstellung eines Modells oder Prototyps. Inzwischen bieten Firmen das 3-D-Drucken auch als Service an. Jedermann kann dann eine Computerdatei mit der Geometrie seines Bauteils auf einer Webseite hochladen – der Druckerbetreiber schickt das fertige Produkt zu -, so wie man es aus der Fotografie kennt. Maschinen für den privaten Hausgebrauch gibt es auch schon; sie spritzen flüssigen Kunststoff auf die bereits gedruckten Lagen, der sich beim Abkühlen verfestigt. Die Universität im britischen Exeter hat sogar einen Drucker für Schokolade entwickelt. Oft wirkt die Methode wie eine Spielerei.
Doch wenn das Ausgangsmaterial aus Metallpulver besteht, wird das Verfahren erwachsen. Aluminium, Titan, Stahl, selbst Gold können die Maschinen in fast beliebige Formen bringen. Überhängende Formen, die sich nach oben verbreitern, sind etwas schwierig, da produziert der Druck zum Teil noch eine Art Orangenhaut, wie Proben aus dem Siemens-Labor zeigen. Überhaupt hat das Verfahren Probleme mit Oberflächen, sie sind meist noch nicht so glatt wie in der herkömmlichen Produktion und müssen nachbearbeitet werden. Dennoch sieht die Industrie großes Potenzial in dem Verfahren. Die deutsche Firma MTU sei Pionier bei Flugzeugtriebwerken, sagt Axel Bauer vom ILT, von Daimler und BMW bei den Autoherstellern, Feisto in der Feinmechanik und der Bremer Firma Bego bei Zahnprothesen. Die meisten jener Unternehmen, die die Drucker herstellen, stammen ebenfalls aus Deutschland.
Die Elektrokonzerne General Electric und Siemens sind vergleichsweise spät in das SLM-Verfahren eingestiegen, produzieren inzwischen aber (oder werden es demnächst) unter anderem Einspritzdüsen für Gasturbinen. Auch das Bauteil, das Andreas Fischer-Ludwig von Siemens gern zeigt, stammt aus dem SLM-Verfahren. Es soll Wasserstoffgas in die Brennkammer einer Turbine leiten und sieht aus wie ein aufgeblasener Dart-Pfeil, der sich durch einen Weihnachtsstern gebohrt hat. Das Innere des Metallteils haben die Ingenieure so entworfen, dass sich Gas und Luft optimal verwirbeln, was die spätere Verbrennung verbessert. Das Gemisch tritt dann durch einen der sternförmig angeordneten Schlitze aus und streicht an der Spitze des Pfeils entlang.
Eine derart komplexe Düse ließe sich mit herkömmlichen Methoden schlicht nicht fertigen, sagt Fischer-Ludwig. Nur moderne 3-D-Drucker im Werk im schwedischen Finspång können es herstellen. Das führt dazu, dass Entwickler neue Freiheiten beim Design bekommen und kaum noch darauf achten müssen, wie sich ein Bauteil herstellen lässt. „Bisher kam der Ingenieur mit seinem Design zur Produktionsplanung, wo es dann öfter hieß: ,Das geht nicht‘ oder ,das ist zu teuer‘. Dann machte er Kompromisse, opferte seine Ideen. Das ist nun bald nicht mehr nötig“, sagt Nicolas Vortmeyer, Technologie-Chef bei Siemens-Energy.
Am nächsten Schritt, laut Vortmeyer der „letzten Barriere“, arbeiten die Forscher in Berlin-Spandau. Sie wollen mit dem Verfahren bewegte Teile fertigen, die hohen Belastungen widerstehen. Die Stäbchen, die sie in ihrem Labor mit den knisternden Funken ausdrucken, dienen dabei als sogenannte Zugproben. Indem eine spezielle Maschine sie zerreißt, lässt sich exakt feststellen, welchen Kräften das gedruckte Metall standhält. Die Siemens-Forscher hoffen, dass es starke Kräfte sind. Der Konzern plant schließlich, die Schaufeln seiner Gasturbinen, die in Kraftwerken Strom erzeugen, in Zukunft zu drucken statt zu gießen.
Turbinenschaufeln sind hohle Stahlteile von ungefähr zehn mal zwanzig Zentimetern, auf die gewaltige Kräfte wirken. Wenn sie 50-mal pro Sekunde herumwirbeln, sind ihre Spitzen weit schneller als die Schallgeschwindigkeit. Die Zentrifugalkraft zerrt an ihnen, als würden 20 Autos an jeder Schaufel hängen. Jede von ihnen leitet die mechanische Leistung von elf Porsche-Sportwagen weiter, auf diesen Vergleich ist man bei Siemens besonders stolz. Und sie müssen 1300Grad Celius aushalten, 25000 Stunden lang.
Die Schaufeln können ihren Einsatz nur überstehen, weil sie mit Keramik ummantelt und von Kühlkanälen durchzogen sind. Und diese Kanäle wollen die Entwickler noch ausgefeilter formen, das heißt: eben nicht ausgefeilt, sondern ausgedruckt. Eine bessere Kühlung würde bewirken, dass die Energie des verbrannten Erdgases effizienter in jene Drehbewegung umgewandelt wird, die den Stromgenerator antreibt. Also auch: mehr Profit für den Betreiber und weniger CO₂-Ausstoß.
Bisher lässt sich diese Vision aber nicht verwirklichen. Die Drucker in Finspång fertigen zwar Modelle der Schaufeln aus 3000Pulverschichten in 48 Stunden. Doch obwohl das Pulver das gleiche Material ist, das sonst beim Gießen verwendet wird, sind die Bauteile weniger stabil.
Das Problem zeigt sich auf dem Bild eines Elektronenmikroskops, das einen detaillierten Blick auf das gedruckte Metall ermöglicht. Man erkennt dort die Struktur der horizontalen Schichten, die der Laser nacheinander verschmolzen hat. Diese störten die Festigkeit nicht, sagt Ursus Krüger vom Siemens-Forschungszentrum. Das Gleiche gilt für ein auffälliges vertikales Muster, schmale Bereiche mit einer weißlichen Verfärbung, die an den Überzug von zu lange gelagerter Schokolade erinnert. „Dass sich diese Verfärbungen bilden, hat mit der schlagartigen Erstarrung des zuvor durch den Laser aufgeschmolzenen flüssigen Metalls zu tun“, erklärt Krüger.
Erst der Vergleich mit einem weiteren Bild bringt den Siemens-Forschern Klarheit. Die sogenannte Korngröße sei im gedruckten Material viel kleiner als in gegossenen Bauteilen, so der Entwickler, weil der Laser jeden Bereich nur kurz erwärmt hat. Die winzigen Körner nehmen dem Material Zähigkeit, die es braucht, um der Zentrifugalkraft in der Turbine zu widerstehen.
Den Entwicklern steht daher eine mühselige Fummelei bevor. Sie erproben andere Legierungen von Metallen, variieren die Geschwindigkeit und Leistung des Lasers, ändern die Temperatur des Pulvers, die Dicke der Schichten und viele andere Parameter, die sich beim Metalldrucken einstellen lassen. 150 Faktoren beeinflussen das Ergebnis, sagt Fischer-Ludwig. „Am Ende muss es ein Prozess sein, der reproduzierbar gute Qualität liefert.“
Darum haben die Siemens-Mitarbeiter auch wenig Angst vor Produkt-Piraterie. Es genüge eben nicht, die Computerdatei der Konstruktionszeichnung zu kopieren und in irgendeinen 3-D-Drucker zu füttern. Im Gegensatz zu einer mp3-Version eines Musikstücks, die den meisten Zuhörern genügt, enthält die CAD-Zeichnung nicht alle Informationen, die man zum Drucken von Turbinenschaufeln oder Einspritzdüsen braucht.
Das Darmstädter Fraunhofer Institut erforscht die Nutzung des 3-D-Druckens für Museen
Immer wieder fährt der Lichtstrahl das gleiche Muster nach: Erst zeichnet er die Konturen von sechs Stäbchen mit dünnen Strichen nach, dann malt er ruckelnd die umschlossene Fläche aus. Die Tönung des Pulvers verwandelt sich dabei von einem matten Mittelgrau in glänzendes Dunkelgrau. Dann fährt eine Schütte über das Muster und bedeckt es mit einer 0,05 Millimeter dünnen Schicht aus frischem Stahlpulver. „Der Laser schmilzt es dann an der exakt gleichen Stelle. Jede dieser Schichten verbindet sich mit der darunter, und so entstehen dreidimensionale Objekte“, erklärt Olaf Rehme. Es ist eine Art 3-D-Drucker, der aus Stahlpulver Metallteile macht.
Was in dem Siemens-Labor passiert, könnte die industrielle Produktion umwälzen. Das Drucken von Metallobjekten, in der Fachsprache „Selective Laser Melting“ (SLM) genannt, werde „disruptiv“ wirken, also heutige Vorgänge in Fabriken abrupt beenden, sagt Andreas Fischer-Ludwig, der bei Siemens für die Fertigungstechnik von Gasturbinen unter anderem im Werk Berlin-Moabit verantwortlich ist. „In zehn bis 15 Jahren stehen in Fertigungsanlagen Reihen von Druckern neben den heutigen Werkzeugmaschinen.“
Das Verfahren kehrt Jahrtausende der Handwerks- und Industrietradition um. Bislang wurde Rohmaterial selektiv verkleinert und verformt. Wie tief verankert diese Arbeitsweise in der Sprache ist, zeigen Verben wie sägen, bohren, hobeln, fräsen, drehen und schleifen. Und nun entsteht ein Verfahren, das Bauteile durch selektives Hinzufügen von Rohmaterial erzeugt, fast so wie Kinder eine Strandburg bauen.
Ersonnen haben das Forscher vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen schon vor fast 20 Jahren. „Das SLM-Verfahren erlaubt es, sehr komplexe metallische Bauteile in kleinen Serien herzustellen“, sagt Axel Bauer, Sprecher des Instituts. „Bei herkömmlicher Fertigung wären die Stückkosten sehr hoch, beim 3-D-Druck bezahlt man nur das Gewicht des Materials und nicht die Komplexität der Struktur.“ Um eine solche Maschine zu programmieren, wird eine digitale Konstruktionszeichnung (CAD-Datei) in dünne Schichten zerlegt. Der Laser fährt deren Konturen ab und schmilzt Pulverpartikel, die sich beim Aushärten mit dem bereits erstellten Sockel verbinden; dessen oberste Lage wird dazu ebenfalls angeschmolzen.
Die Genauigkeit der auf diese Weise erzeugten Formen erreicht inzwischen mühelos einen zwanzigstel Millimeter. Bei kleinen 3-D-Druckern, die es bereits im Alltag gibt, besteht das Pulver aus Kunststoff. In diesem Fall dient das Verfahren meist der Erstellung eines Modells oder Prototyps. Inzwischen bieten Firmen das 3-D-Drucken auch als Service an. Jedermann kann dann eine Computerdatei mit der Geometrie seines Bauteils auf einer Webseite hochladen – der Druckerbetreiber schickt das fertige Produkt zu -, so wie man es aus der Fotografie kennt. Maschinen für den privaten Hausgebrauch gibt es auch schon; sie spritzen flüssigen Kunststoff auf die bereits gedruckten Lagen, der sich beim Abkühlen verfestigt. Die Universität im britischen Exeter hat sogar einen Drucker für Schokolade entwickelt. Oft wirkt die Methode wie eine Spielerei.
Doch wenn das Ausgangsmaterial aus Metallpulver besteht, wird das Verfahren erwachsen. Aluminium, Titan, Stahl, selbst Gold können die Maschinen in fast beliebige Formen bringen. Überhängende Formen, die sich nach oben verbreitern, sind etwas schwierig, da produziert der Druck zum Teil noch eine Art Orangenhaut, wie Proben aus dem Siemens-Labor zeigen. Überhaupt hat das Verfahren Probleme mit Oberflächen, sie sind meist noch nicht so glatt wie in der herkömmlichen Produktion und müssen nachbearbeitet werden. Dennoch sieht die Industrie großes Potenzial in dem Verfahren. Die deutsche Firma MTU sei Pionier bei Flugzeugtriebwerken, sagt Axel Bauer vom ILT, von Daimler und BMW bei den Autoherstellern, Feisto in der Feinmechanik und der Bremer Firma Bego bei Zahnprothesen. Die meisten jener Unternehmen, die die Drucker herstellen, stammen ebenfalls aus Deutschland.
Die Elektrokonzerne General Electric und Siemens sind vergleichsweise spät in das SLM-Verfahren eingestiegen, produzieren inzwischen aber (oder werden es demnächst) unter anderem Einspritzdüsen für Gasturbinen. Auch das Bauteil, das Andreas Fischer-Ludwig von Siemens gern zeigt, stammt aus dem SLM-Verfahren. Es soll Wasserstoffgas in die Brennkammer einer Turbine leiten und sieht aus wie ein aufgeblasener Dart-Pfeil, der sich durch einen Weihnachtsstern gebohrt hat. Das Innere des Metallteils haben die Ingenieure so entworfen, dass sich Gas und Luft optimal verwirbeln, was die spätere Verbrennung verbessert. Das Gemisch tritt dann durch einen der sternförmig angeordneten Schlitze aus und streicht an der Spitze des Pfeils entlang.
Eine derart komplexe Düse ließe sich mit herkömmlichen Methoden schlicht nicht fertigen, sagt Fischer-Ludwig. Nur moderne 3-D-Drucker im Werk im schwedischen Finspång können es herstellen. Das führt dazu, dass Entwickler neue Freiheiten beim Design bekommen und kaum noch darauf achten müssen, wie sich ein Bauteil herstellen lässt. „Bisher kam der Ingenieur mit seinem Design zur Produktionsplanung, wo es dann öfter hieß: ,Das geht nicht‘ oder ,das ist zu teuer‘. Dann machte er Kompromisse, opferte seine Ideen. Das ist nun bald nicht mehr nötig“, sagt Nicolas Vortmeyer, Technologie-Chef bei Siemens-Energy.
Am nächsten Schritt, laut Vortmeyer der „letzten Barriere“, arbeiten die Forscher in Berlin-Spandau. Sie wollen mit dem Verfahren bewegte Teile fertigen, die hohen Belastungen widerstehen. Die Stäbchen, die sie in ihrem Labor mit den knisternden Funken ausdrucken, dienen dabei als sogenannte Zugproben. Indem eine spezielle Maschine sie zerreißt, lässt sich exakt feststellen, welchen Kräften das gedruckte Metall standhält. Die Siemens-Forscher hoffen, dass es starke Kräfte sind. Der Konzern plant schließlich, die Schaufeln seiner Gasturbinen, die in Kraftwerken Strom erzeugen, in Zukunft zu drucken statt zu gießen.
Turbinenschaufeln sind hohle Stahlteile von ungefähr zehn mal zwanzig Zentimetern, auf die gewaltige Kräfte wirken. Wenn sie 50-mal pro Sekunde herumwirbeln, sind ihre Spitzen weit schneller als die Schallgeschwindigkeit. Die Zentrifugalkraft zerrt an ihnen, als würden 20 Autos an jeder Schaufel hängen. Jede von ihnen leitet die mechanische Leistung von elf Porsche-Sportwagen weiter, auf diesen Vergleich ist man bei Siemens besonders stolz. Und sie müssen 1300Grad Celius aushalten, 25000 Stunden lang.
Die Schaufeln können ihren Einsatz nur überstehen, weil sie mit Keramik ummantelt und von Kühlkanälen durchzogen sind. Und diese Kanäle wollen die Entwickler noch ausgefeilter formen, das heißt: eben nicht ausgefeilt, sondern ausgedruckt. Eine bessere Kühlung würde bewirken, dass die Energie des verbrannten Erdgases effizienter in jene Drehbewegung umgewandelt wird, die den Stromgenerator antreibt. Also auch: mehr Profit für den Betreiber und weniger CO₂-Ausstoß.
Bisher lässt sich diese Vision aber nicht verwirklichen. Die Drucker in Finspång fertigen zwar Modelle der Schaufeln aus 3000Pulverschichten in 48 Stunden. Doch obwohl das Pulver das gleiche Material ist, das sonst beim Gießen verwendet wird, sind die Bauteile weniger stabil.
Das Problem zeigt sich auf dem Bild eines Elektronenmikroskops, das einen detaillierten Blick auf das gedruckte Metall ermöglicht. Man erkennt dort die Struktur der horizontalen Schichten, die der Laser nacheinander verschmolzen hat. Diese störten die Festigkeit nicht, sagt Ursus Krüger vom Siemens-Forschungszentrum. Das Gleiche gilt für ein auffälliges vertikales Muster, schmale Bereiche mit einer weißlichen Verfärbung, die an den Überzug von zu lange gelagerter Schokolade erinnert. „Dass sich diese Verfärbungen bilden, hat mit der schlagartigen Erstarrung des zuvor durch den Laser aufgeschmolzenen flüssigen Metalls zu tun“, erklärt Krüger.
Erst der Vergleich mit einem weiteren Bild bringt den Siemens-Forschern Klarheit. Die sogenannte Korngröße sei im gedruckten Material viel kleiner als in gegossenen Bauteilen, so der Entwickler, weil der Laser jeden Bereich nur kurz erwärmt hat. Die winzigen Körner nehmen dem Material Zähigkeit, die es braucht, um der Zentrifugalkraft in der Turbine zu widerstehen.
Den Entwicklern steht daher eine mühselige Fummelei bevor. Sie erproben andere Legierungen von Metallen, variieren die Geschwindigkeit und Leistung des Lasers, ändern die Temperatur des Pulvers, die Dicke der Schichten und viele andere Parameter, die sich beim Metalldrucken einstellen lassen. 150 Faktoren beeinflussen das Ergebnis, sagt Fischer-Ludwig. „Am Ende muss es ein Prozess sein, der reproduzierbar gute Qualität liefert.“
Darum haben die Siemens-Mitarbeiter auch wenig Angst vor Produkt-Piraterie. Es genüge eben nicht, die Computerdatei der Konstruktionszeichnung zu kopieren und in irgendeinen 3-D-Drucker zu füttern. Im Gegensatz zu einer mp3-Version eines Musikstücks, die den meisten Zuhörern genügt, enthält die CAD-Zeichnung nicht alle Informationen, die man zum Drucken von Turbinenschaufeln oder Einspritzdüsen braucht.