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Die größte Banane der Welt

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Es soll Familien geben, bei denen die Ernährer-Eltern gar nicht so schnell Bananen nachkaufen können, wie sie der Nachwuchs vertilgt. Auf der Beliebtheitsskala der Deutschen rangiert das krumme Obst auf dem zweiten Platz, gleich nach dem Apfel. Bananen sind, man weiß das, sehr gesund. B- und C-Vitamine, Kalium und Magnesium, die Liste ist lang. Bananen taugen auch für zweifelhafte Witze. In der alten DDR galten sie als das Symbol westlichen Wohlstands, was sie zum bevorzugten Stichwort für sarkastische Bemerkungen machte („Was ist eine Banane in den Farben der DDR?“ - „Eine Essiggurke.“) Legendär das Titelbild der allzeit spottenden Zeitschrift Titanic zur Wende 1989: „Zonen-Gaby (17) im Glück (BRD): Meine erste Banane“. Auch vielen Entwicklungsgruppen galt und gilt die Banane als Symbol – als Symbol allerdings für die Ausbeutung der Dritten Welt, für schlechte Arbeits- und Umweltbedingungen auf Plantagen. Die Bewegung zum Vertrieb „fair gehandelter“ Produkte hatte ihre ersten großen Erfolge mit Bananen.




Die Weltherrschaft über die Bananen könnte bald bei Chiquita Fyffes liegen

Mit solchen Erinnerungen halten sich Ed Lonergan und David McCann nicht auf. Sie haben am Montag ihre Unternehmen Chiquita Brands aus Charlotte (US-Bundesstaat North Carolina) und Fyffes aus Dublin fusioniert. Das neue Unternehmen Chiquita Fyffes soll zum größten Bananenhändler der Welt und zum führenden Anbieter von abgepackten Salaten, Melonen und Ananas werden. Die Fusion im Wert von 1,07 Milliarden Dollar wird komplett über Aktien abgewickelt. Chiquita-Aktionäre werden 50,7 Prozent am neuen Konzern halten, Fyffes-Aktionäre 49,3Prozent. Die Börsen reagierten begeistert: Der Kurs der Fyffes-Aktie stieg um mehr als 30 Prozent, jener der Chiquita-Aktie um 16 Prozent.

Die neue Firma wird einen Umsatz von 4,6 Milliarden Dollar haben und 32000 Menschen beschäftigen. Firmensitz ist Dublin, die neue Aktie wird in New York notiert sein. David McCann, bisher Chef von Fyffes, wird Vorstandsvorsitzender des Gesamtunternehmens, Chiquitas Ed Lonergan Vorsitzender des Verwaltungsrats. Ziel der Fusion ist es, angesichts eines gnadenlosen Preisverfalls in den Supermärkten jährlich 40 Millionen Dollar vor Steuern zu sparen – und neue Anbaugebiete zu erschließen. Die beiden Marken Chiquita und Fyffes bleiben erhalten.

Nach den Plänen des Managements in Charlotte und Dublin soll die Fusion im Laufe dieses Jahres abgeschlossen sein. Voraussetzung ist, dass die Kartellbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks zustimmen. Das dürfte allerdings keine ganz sichere Bank sein, immerhin werden bereits heute 80 Prozent des Bananenhandels von vier Anbietern beherrscht: Chiquita, Fyffes, Fresh Del Monte und Dole Food.

In den Erklärungen der Konzerne steht auch ein Satz, der Menschen mit einem längeren Gedächtnis stutzen lassen kann: Beide Unternehmen, so Chiquita-Chef Lonergan, hätten „eine lange Geschichte und eine ausgezeichnete Reputation, die sich auf der festen Verpflichtung gründet, die Erwartung unserer Kunden zu übertreffen“.

Ausgezeichnete Reputation?

Es stimmt schon, erst Chiquita Brands hat aus der Banane ein Massenprodukt gemacht und so in den armen Ländern Lateinamerikas Zehntausende Arbeitsplätze gesichert und in den Verbraucherländern Qualitätsstandards gesetzt. Die 145 Jahre alte Fyffes-Gesellschaft war insofern Pionier, als sie den Bananenanbau auf den Kanarischen Inseln entdeckte und Kühlschiffe von Jamaika nach London fahren ließ.

Die Geschichte von Chiquita Brands hat allerdings auch eine dunkle Seite, die weit in die Vergangenheit zurückreicht. Die Firma wurde 1863 als Ein-Mann-Unternehmen gegründet. 1870 kaufte Lorenzo Dow Baker 160 Büschel Bananen in Jamaika und verkaufte sie elf Tage später mit Gewinn an der Ostküste der USA. Mit Andrew Preston gründete er die Boston Fruit Company, die 1899 mit weiteren Partnern zur United Fruit Company wurde. Das Unternehmen hatte in vielen Ländern Lateinamerikas ein Monopol. Erst 1990 übernahm die UFC den Namen ihres wichtigsten Produkts – „Chiquita“ heißt auf Spanisch „Mädchen“ – als Firmennamen. Aus gutem Grund: Denn United Fruit hatte sich einen sehr zweifelhaften Ruf wegen des rücksichtslosen Umgangs mit den Menschen in den Anbauländern erworben.

Der Begriff „Bananenrepublik“ stammt aus dieser Zeit. Gemeint: ein Land im Griff eines US-Konzerns.

Die düsterste Episode ist das sogenannte Bananen-Massaker: Im Dezember 1928 waren die Arbeiter von United Fruit in Kolumbien in den Streik getreten, um den Acht-Stunden-Tag und bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Im Januar 1929 ließ die konservative Regierung Kolumbiens auf die Streikenden schießen. Im kollektiven Gedächtnis Lateinamerikas hat das Massaker mit vielen Toten eine überragende Bedeutung. Nobelpreisträger Gabriel García Márquez setzte den Streikenden in seinem Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ ein Denkmal.

Die Last der Geschichte wirkte bis in die Gegenwart hinein: Im September 2007 erklärte sich Chiquita Brands bereit, in einem Vergleich der amerikanischen Regierung 25 Millionen Dollar zu zahlen, weil sie in Kolumbien mit der rechts gerichteten Terrorgruppe „Vereinigte Selbstverteidigungskräfte, AUC“ zusammengearbeitet hatte. Man habe „Mitarbeiter schützen“ wollen, Chiquita sei von Links- und Rechtsextremisten erpresst und bedroht worden. Tatsächlich waren während der Neunzigerjahre mehr als 50 Mitarbeiter ermordet worden. Anwalt des Konzerns war der heutige Justizminister von Präsident Barack Obama, Eric Holder.

Inzwischen hat Chiquita sein Geschäft in Kolumbien verkauft. Chiquita Brands wie Fyffes nehmen für sich in Anspruch, modern, sozial und ökologisch zu sein. Fyffes bietet Bananen aus biologischer Produktion mit einem eigenen Label an. Chiquita unterwarf sich den Sozialstandards der Organisation „Social Accountability International“ (SA8000) und akzeptiert Standards zum Schutz des Regenwaldes.

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