Um 11.45 Uhr ertönt der erste Alarm. Ein Pfeifen, dem durchdringenden Ton der Zikaden ähnlich, schwirrt durch die Luft, vor den Computern bricht Hektik aus, und in seiner Kammer legt sich ein Lächeln auf das Gesicht eines Mannes, der sich Goldbird nennt. Während drüben alle wild durcheinanderrufen, lehnt Goldbird sich zurück, schnalzt mit der Zunge und sagt: „Okay, das war wohl ein Erfolg.“
Diese Computerfreunde sind wohl recht harmlos, die in der Cyber Gym in Hadara weniger: Angetrieben vom israelischen Militär wird dort trainiert, wie man möglichst viel Schaden anrichten kann
Sein Erfolg: Goldbird ist in ein fremdes Computersystem eingedrungen, hat Verwirrung gestiftet bis hin zur Panik und schließlich den Alarm ausgelöst. Um 11.45Uhr gelingt ihm das zum ersten Mal, dann um 11.58 Uhr, um 12.02 Uhr und noch unzählige Male an diesem Tag der Cyber-Schlacht. Er ist ein stolzer Hacker, er lässt die Sirene aufheulen, sorgt für Überflutungen oder lässt Motoren dröhnen. Zusammen mit ein paar Gleichgesinnten kämpft er hier gegen den Rest der Welt, gegen die reichen Unternehmen von Teva bis Iscar, gegen große Firmen von Israel bis nach Portugal. Das Ziel ist es, mit Angriffen übers Internet möglichst großen Schaden anzurichten. Riesige Fabriken könnten lahmgelegt, ganzen Ländern das Licht abgedreht werden. „Aber es geht nicht ums Gewinnen“, sagt Goldbird, „es geht ja nur ums Trainieren.“
Willkommen im Cyber Gym von Hadera, dem weltweit einzigen öffentlichen Trainingszentrum für die großen Kämpfe unserer Zeit. Israels staatliche Elektrizitätsgesellschaft (IEC), ein Unternehmen in Staatsbesitz, schult hier IT-Techniker, Sicherheitsbeauftragte und auch Soldaten in der Abwehr von Hightech-Attacken. Und dass dieses campusartige Übungsgelände, auf dem einstmals die deutschen Templer den Boden des Heiligen Landes beackerten, gerade hier im Zentrum Israels zu finden ist, das ist alles andere als ein Zufall: „Israel ist das Land, das den meisten Cyber-Angriffen ausgesetzt ist“, sagt der Cyber-Gym-Mitarbeiter Gilad Yoshi, „und IEC ist das Zivilunternehmen mit den meisten Angriffen.“ Von 6000 Attacken am Tag berichtet er, „das sind mehr als zwei Millionen im Jahr, total verrückt“. Zu den Quellen der Angriffe will er nichts sagen, doch Hacker gibt es weltweit genug, und an Feinden mangelt es Israel nicht. Zum Glück seien die meisten harmlos oder stümperhaft, aber durchschnittlich zwei im Monat seien wirklich ernst. „Für uns ist das wie ein Raketenangriff“, sagt Yoshi, „so etwas könnte definitiv das Leben lahmlegen.“
Von Raketen und deren Abwehr verstehen sie von jeher eine Menge in Israel. Doch mittlerweile positioniert sich das kleine krisenerprobte Land auch als gewichtiger Faktor auf dem Feld der Cyber-Sicherheit. So groß wie die Bedrohung ist auch der Markt, den es für aufstrebende Unternehmen zu erobern gilt. 60 Milliarden Dollar wurden im Jahr 2013 rund um den Globus auf diesem Gebiet umgesetzt, und Israel hält mit einem Exportvolumen von drei Milliarden Dollar bereits fünf Prozent des Weltmarkts. Das ist dreimal so viel wie beim ungleich größeren Großbritannien, wie kürzlich stolz auf einer Kabinettssitzung verkündet wurde. Die Regierung verfolgt große Pläne: Premierminister Benjamin Netanjahu hat Israels Anspruch auf eine „globale Führung im Cyber-Feld“ angekündigt. Mitten in der Negev-Wüste entsteht derzeit in Beerscheba ein „Cyber Park“, in dem Firmen von IBM bis hin zu kleinen Neugründungen mit staatlicher Förderung die Forschung und Entwicklung forcieren sollen.
Wie so oft in Israel wird dieses Projekt angetrieben vom Militär. Aviv Kochavi, Chef des Armee-Geheimdienstes, hält die Cyber-Waffen für „eine größere Revolution als die Erfindung des Schießpulvers“. Sein Generalstabschef Benny Gantz fordert, dass Israel in den zu erwartenden Cyber-Kriegen den „Status einer Supermacht“ erringt. Investitionen auf diesem Gebiet seien also „extrem lebenswichtig“. Und natürlich ist es auch der israelische Sicherheitsapparat, der die Experten hervorbringt, die nun im Cyber Gym ihr Wissen weitergeben.
„Wir kommen alle aus dem Militär, aus dem Mossad oder dem Inlandsgeheimdienst Schabak“, sagt Gilad Yoshi. Die dort erlernte Terminologie schlägt durch bis ins Konzept des Cyber Gym, in dem die Trainingsteilnehmer die „Kampfbereitschaft“ erlernen sollen. „Erwarte das Unerwartbare“, so lautet das überall plakatierte Motto. Vom Cyber-Verbrechen bis zu Cyber-Terror reichen die Gefahren, gegen die es sich zu rüsten gilt. „Wir wissen, dass Iran, Syrien und al-Qaida heute Cyber-Waffen einsetzen“, sagt Gilad Yoshi. Auch die Iraner wissen spätestens seit dem Angriff mit dem Stuxnet-Computerwurm, dass die Gegner ihres Atomprogramms sich zu wehren wissen.
Im Cyber Gym aber geht es nicht um Angriffe, sondern allein um die Abwehr von Gefahren. Trainiert wird unter „real life“-Bedingungen. Zwei Teams kämpfen gegeneinander: Das rote Team führt die Angriffe, das blaue Team bemüht sich um Schadensbegrenzung – und dass dies ein ungleicher Kampf ist, liegt vor allem am höchst professionellen Geschick von Goldbird und seinen Hacker-Freunden. Zu den „real life“-Bedingungen zählen ihre Tarnnamen ebenso wie die Kapuzenpullis. In den Pausen wird geraucht und Kaffee getrunken, dazwischen führen sie ganz entspannt ihre Attacken von einem kleinen Bungalow aus, dessen Wände mit wilden Graffiti verziert sind. Figuren aus Star Wars oder aus Computerspielen überblicken das Szenario, schummriges Licht fällt in den Raum, den ein Server von der Größe eines Kleiderschranks mit seinem Summen füllt. „Das ist eine kreative Atmosphäre“, sagt Goldberg, „wir müssen kreativ sein, um die ganze Zeit etwas Neues zu finden.“
Der Job als Hacker mit Festanstellung und Rentenanspruch macht ihm sichtlich Spaß. Seit einem Jahr ist er hier, aber schon seit zwölf Jahren im Geschäft – wo genau, das will und darf er nicht sagen. Die Welt der Hacker unterteilt er in die „White Heads“ und die „Black Heads“, es ist der ewige Kampf Gut gegen Böse, und niemals, so sagt er, würde er die Grenze überschreiten. „Dienen und beschützen, das ist meine Ideologie“, erklärt er. Die Angriffe, die er hier inszeniert, sind für ihn das beste Mittel zur Verteidigung.
Nur ein paar Schritte über den Rasen im Nachbarbungalow sitzen die Mitglieder des blauen Teams vor ihren Computern. Hier ist alles hell und freundlich eingerichtet, doch im aufgeräumten Ambiente tobt schnell das Chaos. Die Roten entfachen ein Feuerwerk, die Blauen kommen kaum nach, und in letzter Not schaltet einer ganz einfach das Internet ab. Bestraft wird das mit der Sirene – und ein paar ernsten Worten der Supervisoren, die als „weißes Team“ über eine Vielzahl von Rechnern und Monitoren das Geschehen überwachen. Sie sind die Schiedsrichter in diesem Kampf, sie greifen ein, wenn es nötig wird, und sie ziehen Bilanz am Ende des Tages, wenn die Trainingsteilnehmer geschafft von all den Angriffswellen und Abwehrschlachten zum „Debriefing“, einer analysierenden Abschlussbesprechung, zusammenkommen.
„Das Spiel, das wir hier spielen, ist sehr ernst“, sagt Yoha Rosenbaum, den das israelische Energieunternehmen Paz zu dieser Schulung geschickt hat. Bei Cyber Gym haben sie große Pläne. Trainingszentren wie in Hadera sollen bald schon in anderen Ländern eröffnet werden. Konkrete Verhandlungen mit Kooperationspartnern, so ist zu hören, stünden in Deutschland und Südkorea bereits kurz vor dem Abschluss – die Namen der Partner sind noch Geschäftsgeheimnis. „Unsere Vision ist es, Cyber Gyms in mindestens 30 Ländern weltweit aufzubauen und sie gegeneinander kämpfen zu lassen“, sagt Gilad Yoshi. Dieser Kampf werde dann „über verschiedene Zeitzonen gehen, in verschiedenen Sprachen und mit unterschiedlichster Mentalität ausgetragen werden“, erklärt er, „eben genauso wie im richtigen Leben.“
Diese Computerfreunde sind wohl recht harmlos, die in der Cyber Gym in Hadara weniger: Angetrieben vom israelischen Militär wird dort trainiert, wie man möglichst viel Schaden anrichten kann
Sein Erfolg: Goldbird ist in ein fremdes Computersystem eingedrungen, hat Verwirrung gestiftet bis hin zur Panik und schließlich den Alarm ausgelöst. Um 11.45Uhr gelingt ihm das zum ersten Mal, dann um 11.58 Uhr, um 12.02 Uhr und noch unzählige Male an diesem Tag der Cyber-Schlacht. Er ist ein stolzer Hacker, er lässt die Sirene aufheulen, sorgt für Überflutungen oder lässt Motoren dröhnen. Zusammen mit ein paar Gleichgesinnten kämpft er hier gegen den Rest der Welt, gegen die reichen Unternehmen von Teva bis Iscar, gegen große Firmen von Israel bis nach Portugal. Das Ziel ist es, mit Angriffen übers Internet möglichst großen Schaden anzurichten. Riesige Fabriken könnten lahmgelegt, ganzen Ländern das Licht abgedreht werden. „Aber es geht nicht ums Gewinnen“, sagt Goldbird, „es geht ja nur ums Trainieren.“
Willkommen im Cyber Gym von Hadera, dem weltweit einzigen öffentlichen Trainingszentrum für die großen Kämpfe unserer Zeit. Israels staatliche Elektrizitätsgesellschaft (IEC), ein Unternehmen in Staatsbesitz, schult hier IT-Techniker, Sicherheitsbeauftragte und auch Soldaten in der Abwehr von Hightech-Attacken. Und dass dieses campusartige Übungsgelände, auf dem einstmals die deutschen Templer den Boden des Heiligen Landes beackerten, gerade hier im Zentrum Israels zu finden ist, das ist alles andere als ein Zufall: „Israel ist das Land, das den meisten Cyber-Angriffen ausgesetzt ist“, sagt der Cyber-Gym-Mitarbeiter Gilad Yoshi, „und IEC ist das Zivilunternehmen mit den meisten Angriffen.“ Von 6000 Attacken am Tag berichtet er, „das sind mehr als zwei Millionen im Jahr, total verrückt“. Zu den Quellen der Angriffe will er nichts sagen, doch Hacker gibt es weltweit genug, und an Feinden mangelt es Israel nicht. Zum Glück seien die meisten harmlos oder stümperhaft, aber durchschnittlich zwei im Monat seien wirklich ernst. „Für uns ist das wie ein Raketenangriff“, sagt Yoshi, „so etwas könnte definitiv das Leben lahmlegen.“
Von Raketen und deren Abwehr verstehen sie von jeher eine Menge in Israel. Doch mittlerweile positioniert sich das kleine krisenerprobte Land auch als gewichtiger Faktor auf dem Feld der Cyber-Sicherheit. So groß wie die Bedrohung ist auch der Markt, den es für aufstrebende Unternehmen zu erobern gilt. 60 Milliarden Dollar wurden im Jahr 2013 rund um den Globus auf diesem Gebiet umgesetzt, und Israel hält mit einem Exportvolumen von drei Milliarden Dollar bereits fünf Prozent des Weltmarkts. Das ist dreimal so viel wie beim ungleich größeren Großbritannien, wie kürzlich stolz auf einer Kabinettssitzung verkündet wurde. Die Regierung verfolgt große Pläne: Premierminister Benjamin Netanjahu hat Israels Anspruch auf eine „globale Führung im Cyber-Feld“ angekündigt. Mitten in der Negev-Wüste entsteht derzeit in Beerscheba ein „Cyber Park“, in dem Firmen von IBM bis hin zu kleinen Neugründungen mit staatlicher Förderung die Forschung und Entwicklung forcieren sollen.
Wie so oft in Israel wird dieses Projekt angetrieben vom Militär. Aviv Kochavi, Chef des Armee-Geheimdienstes, hält die Cyber-Waffen für „eine größere Revolution als die Erfindung des Schießpulvers“. Sein Generalstabschef Benny Gantz fordert, dass Israel in den zu erwartenden Cyber-Kriegen den „Status einer Supermacht“ erringt. Investitionen auf diesem Gebiet seien also „extrem lebenswichtig“. Und natürlich ist es auch der israelische Sicherheitsapparat, der die Experten hervorbringt, die nun im Cyber Gym ihr Wissen weitergeben.
„Wir kommen alle aus dem Militär, aus dem Mossad oder dem Inlandsgeheimdienst Schabak“, sagt Gilad Yoshi. Die dort erlernte Terminologie schlägt durch bis ins Konzept des Cyber Gym, in dem die Trainingsteilnehmer die „Kampfbereitschaft“ erlernen sollen. „Erwarte das Unerwartbare“, so lautet das überall plakatierte Motto. Vom Cyber-Verbrechen bis zu Cyber-Terror reichen die Gefahren, gegen die es sich zu rüsten gilt. „Wir wissen, dass Iran, Syrien und al-Qaida heute Cyber-Waffen einsetzen“, sagt Gilad Yoshi. Auch die Iraner wissen spätestens seit dem Angriff mit dem Stuxnet-Computerwurm, dass die Gegner ihres Atomprogramms sich zu wehren wissen.
Im Cyber Gym aber geht es nicht um Angriffe, sondern allein um die Abwehr von Gefahren. Trainiert wird unter „real life“-Bedingungen. Zwei Teams kämpfen gegeneinander: Das rote Team führt die Angriffe, das blaue Team bemüht sich um Schadensbegrenzung – und dass dies ein ungleicher Kampf ist, liegt vor allem am höchst professionellen Geschick von Goldbird und seinen Hacker-Freunden. Zu den „real life“-Bedingungen zählen ihre Tarnnamen ebenso wie die Kapuzenpullis. In den Pausen wird geraucht und Kaffee getrunken, dazwischen führen sie ganz entspannt ihre Attacken von einem kleinen Bungalow aus, dessen Wände mit wilden Graffiti verziert sind. Figuren aus Star Wars oder aus Computerspielen überblicken das Szenario, schummriges Licht fällt in den Raum, den ein Server von der Größe eines Kleiderschranks mit seinem Summen füllt. „Das ist eine kreative Atmosphäre“, sagt Goldberg, „wir müssen kreativ sein, um die ganze Zeit etwas Neues zu finden.“
Der Job als Hacker mit Festanstellung und Rentenanspruch macht ihm sichtlich Spaß. Seit einem Jahr ist er hier, aber schon seit zwölf Jahren im Geschäft – wo genau, das will und darf er nicht sagen. Die Welt der Hacker unterteilt er in die „White Heads“ und die „Black Heads“, es ist der ewige Kampf Gut gegen Böse, und niemals, so sagt er, würde er die Grenze überschreiten. „Dienen und beschützen, das ist meine Ideologie“, erklärt er. Die Angriffe, die er hier inszeniert, sind für ihn das beste Mittel zur Verteidigung.
Nur ein paar Schritte über den Rasen im Nachbarbungalow sitzen die Mitglieder des blauen Teams vor ihren Computern. Hier ist alles hell und freundlich eingerichtet, doch im aufgeräumten Ambiente tobt schnell das Chaos. Die Roten entfachen ein Feuerwerk, die Blauen kommen kaum nach, und in letzter Not schaltet einer ganz einfach das Internet ab. Bestraft wird das mit der Sirene – und ein paar ernsten Worten der Supervisoren, die als „weißes Team“ über eine Vielzahl von Rechnern und Monitoren das Geschehen überwachen. Sie sind die Schiedsrichter in diesem Kampf, sie greifen ein, wenn es nötig wird, und sie ziehen Bilanz am Ende des Tages, wenn die Trainingsteilnehmer geschafft von all den Angriffswellen und Abwehrschlachten zum „Debriefing“, einer analysierenden Abschlussbesprechung, zusammenkommen.
„Das Spiel, das wir hier spielen, ist sehr ernst“, sagt Yoha Rosenbaum, den das israelische Energieunternehmen Paz zu dieser Schulung geschickt hat. Bei Cyber Gym haben sie große Pläne. Trainingszentren wie in Hadera sollen bald schon in anderen Ländern eröffnet werden. Konkrete Verhandlungen mit Kooperationspartnern, so ist zu hören, stünden in Deutschland und Südkorea bereits kurz vor dem Abschluss – die Namen der Partner sind noch Geschäftsgeheimnis. „Unsere Vision ist es, Cyber Gyms in mindestens 30 Ländern weltweit aufzubauen und sie gegeneinander kämpfen zu lassen“, sagt Gilad Yoshi. Dieser Kampf werde dann „über verschiedene Zeitzonen gehen, in verschiedenen Sprachen und mit unterschiedlichster Mentalität ausgetragen werden“, erklärt er, „eben genauso wie im richtigen Leben.“