Rohes Fleisch, glühende Kohlen, dazu Basslastiges aus den Boxen – es ist Samstagnachmittag an einer Straße ohne Namen mitten in der Township Gugulethu. Mzoli’s Eatery ist Kapstadts heißeste kulinarische Adresse, und das nicht nur im übertragenen, sondern auch im ganz wörtlichen Sinn. Draußen tanzen bei 30 Grad im Schatten Jungs mit Piloten-Brillen und Mädchen in kurzen Kleidern zum infernalischen Sound aus den Lautsprechern zwischen den Tischen. In der unverputzten Baracke, in der sechs riesige Grills befeuert werden, herrschen gefühlte 50 Grad. Die Luft ist voller Rauch und beißt in den Augen, die man dennoch nicht abwenden kann von dem archaischen Schauspiel: Männer in blauen Schürzen schippen pausenlos Kohlen nach, werfen riesige Koteletts und Rippchen auf die Roste und pinseln das Fett, das aus den Lammwürsten trieft, als Würze auf die Fleischberge. „In den Townships ist Fleisch der King“, sagt Mzoli Ngeawuzela, der Metzger war, bevor er zum erfolgreichen Gastronomen aufstieg. Draußen an den Tischen isst man das Fleisch mit bloßen Händen, leckt sich die Sauce von den Fingern und trinkt Bier aus der Flasche.
Das ist Braai – Grillen
Braai, wie das Grillen hier genannt wird, ist Teil der südafrikanischen DNA. Samstagnachmittags wird überall im Land die Holzkohle befeuert – in Kapstadts schicken Vororten Camps Bay und Clifton genauso wie in den Townships. Auch Küchenchef Rudi Liebenberg im Belmond Mount Nelson Hotel, der mehr als hundert Jahre alten Tourismus-Ikone am Kap, ist bekennender Karnivore. Doch in seinem Planet Restaurant tischt er nicht nur Rib-Eye oder Lammhüfte auf, sondern mit Begeisterung auch Wild: „Wir haben alleine sechs Antilopenarten, die in der Gastronomie eine Rolle spielen.“ Besonders gern verwendet er Springbock, dessen dunkles, mageres Fleisch an das europäische Reh erinnert. Liebenberg grillt es medium rare, im Kern noch leicht blutig, und serviert es mit Honig glasiert, dazu Rote-Bete-Salat und geräuchertes Karottenpüree. Auch Vogel Strauß aus der Halbwüste Karoo steht auf der Speisekarte. Liebenberg serviert die Spezialität mit Koriander und schwarzem Pfeffer mariniert, einem Salat aus Linsen und geräucherten Auberginen sowie Labneh, einem Frischkäse aus Kamelmilch.
Rudi Liebenberg gehört zu einer neuen Generation südafrikanischer Köche, die sich nicht mehr am Vorbild der europäischen Kollegen orientieren, sondern die Produkte und Traditionen der Heimat für sich entdecken. Das ist Pionierarbeit, denn Afrika ist, kulinarisch gesehen, der letzte unentdeckte Kontinent. Einzig die nordafrikanische Küche, in erster Linie die marokkanische, hat den Sprung auf internationale Speisekarten geschafft. Der Rest spielt keine Rolle. Das könnte sich ändern, wenn das Beispiel der Küchenchefs am Kap Schule macht.
„Afrika ist cool“, sagt Reuben Riffel. „Unsere Natur ist eine Schatzkammer. Man muss nur die Augen öffnen.“ Riffel ist Südafrikas einziger farbiger Starkoch, mit seinem Restaurant „Reuben’s“ in Franschhoek im Herzen der Weinbauregion am Kap wurde er gleich nach der Eröffnung 2004 „Chef of the Year“. Hier ist er aufgewachsen, und viele seiner Rezepte sind von seiner Kindheit zwischen Obstgärten und Weinbergen inspiriert, von den Schnittmengen der Küchen verschiedenster Einwanderergruppen. Niederländer und Briten haben ebenso ihre Spuren hinterlassen wie die gewürzintensiven Gerichte der Cape Malay, der Nachfahren südostasiatischer Immigranten.
„Für mich als Koch gibt es keinen besseren Ort als Südafrika“, sagt Reuben Riffel. Er schätzt die Vielfalt, die seine Heimat bietet: beinahe mediterranes Klima am Kap, Halbwüsten und Wüsten wie die Karoo und die Kalahari, unterschiedliche Bodentypen und zwei Ozeane, den Atlantik mit kalten und den Indischen Ozean mit warmen Strömungen, in denen sich ganz unterschiedliche Fische und Meeresfrüchte wohlfühlen.
In seiner Küche zeigt Riffel eine unscheinbare braune Knolle: „Das ist eines der bestgehüteten kulinarischen Geheimnisse Afrikas.“ Wie seine europäischen Verwandten ist der N’abbas, auch Kalahari-Trüffel genannt, eine gesuchte Rarität. Er wächst unter dem roten Sand der Wüste. „Im Winter, wenn es regnet, bricht die verkrustete Erde auf und man kann solche Kostbarkeiten finden“, sagt Riffel. Geschmacklich ähnelt die Knolle dem europäischen Périgord-Trüffel, doch weil sie ungleich günstiger ist, leistet sich der Koch den Luxus, sie auch mal im Ganzen zu verwenden: Er hüllt sie in eine Scheibe Speck und bäckt sie in einer Parmesan-Muskatnuss-Creme. Wie viele junge Köche hat er auch traditionelle Heilpflanzen für die Küche wiederentdeckt. Getrocknete Rooibos-Blätter verwendet er zum Räuchern, und Buchu, ein Kraut, das in der Volksmedizin eine große Rolle spielt, schätzt er wegen seines intensiven Geschmacks.
Auch auf Kapstadts Märkten lassen sich viele schmackhafte Schätze entdecken. Jeden Samstagmorgen bauen auf dem Neighbourgoods Market im Künstlerviertel Woodstock Produzenten aus der Region ihre Stände auf. Frische Guaven, Mango und Papaya sind im Angebot, bei „Designer Omelettes“ bereitet man die Eierspeise mit Straußenfleisch und Jalapeños zu, dazu gibt es Rooibos-Eistee mit viel Minze und Zitrone. Nebenan schneidet Steve Jeffery, sonnenverbrannt und mit einem schwarzen Lederhut auf dem Kopf, eine echt südafrikanische Köstlichkeit auf und reicht eine Scheibe zum Probieren: Biltong vom Kudu, einer Antilopenart. Biltong ist eine Spezialität aus luftgetrocknetem Rind- oder Wildfleisch. „Das Fleisch wird mit braunem Zucker, Salz, Kräutern und Rotwein eingerieben, dann vier Monate lang mariniert und luftgetrocknet“, erklärt Jeffery, der auch Biltong vom Springbock, Eland oder Gemsbock im Angebot hat.
„Das Trocknen von Lebensmitteln an der Luft oder in der Sonne ist typisch Südafrika“, sagt Chris Erasmus, Küchenchef im Restaurant Pierneef auf dem Weingut La Motte bei Franschhoek. Auf seiner Speisekarte findet sich regelmäßig Bokkom, die traditionelle, in Salz eingelegte und dann luftgetrocknete Meeräsche. Auf diese Art machten die ersten holländischen Siedler am Kap den Fisch haltbar für die langen Seereisen. „Jeder Südafrikaner liebt Bokkom“, sagt Erasmus. „Aber noch vor ein paar Jahren war es undenkbar, so etwas in einem guten Restaurant zu servieren.“
Er war einer der ersten Küchenchefs, die das rustikale Gericht für die gehobene Küche adaptierten, etwa als Vorspeise mit buntem Blattsalat, Wachtelei, getrockneten Tomaten und Aprikosen. Auch wenn das renommierte Weingut La Motte mit seinen grünen Gärten und den Gebäuden im kapholländischen Stil nicht so aussieht: Sein Restaurant ist zum Ideenlabor für die innovative Umsetzung überlieferter Kap-Küche geworden. Chris Erasmus studiert alte Kochbücher bis zurück ins 16.Jahrhundert und ist fasziniert von der reichen Tradition seiner Heimat, in der die ersten Siedler um Jan van Riebeeck ebenso eine Rolle spielten wie die Küche der Cape-Malay-Sklaven oder all die Gewürze, die per Schiff auf der Spice Route aus Asien kamen.
In seiner offenen Küche können die Gäste Erasmus zusehen, wie er zwischen den Töpfen und Pfannen herumwirbelt. Während er ein Springbockfilet brät und eine Kürbistarte anrichtet, findet er Zeit, Produkte aus seiner Speisekammer zu zeigen, die für europäische Gaumen neu sind. Zum Beispiel Spekboom, eine heimische Pflanze mit fleischigen Blättern, eine wahre Vitamin-C-Bombe, die Gerichten eine leicht säuerliche Note verleiht. Oder jene Frucht, die von den Einheimischen Monkey Brain genannt wird, Affenhirn. Ähnlich wie ein Granatapfel enthält sie viele gelatinöse pinkfarbene Kerne und ergibt eine hervorragende Marmelade. „Noch vor ein paar Jahren galten in unseren Küchen nur importierte Lebensmittel als hochwertig“, sagt Chris Erasmus. „Heute sind die jungen Köche stolz auf unsere afrikanischen Produkte und besuchen an freien Tagen ihre Großmütter, um ihnen ihre Lieblingsrezepte abzuschwatzen.“
Das ist Braai – Grillen
Braai, wie das Grillen hier genannt wird, ist Teil der südafrikanischen DNA. Samstagnachmittags wird überall im Land die Holzkohle befeuert – in Kapstadts schicken Vororten Camps Bay und Clifton genauso wie in den Townships. Auch Küchenchef Rudi Liebenberg im Belmond Mount Nelson Hotel, der mehr als hundert Jahre alten Tourismus-Ikone am Kap, ist bekennender Karnivore. Doch in seinem Planet Restaurant tischt er nicht nur Rib-Eye oder Lammhüfte auf, sondern mit Begeisterung auch Wild: „Wir haben alleine sechs Antilopenarten, die in der Gastronomie eine Rolle spielen.“ Besonders gern verwendet er Springbock, dessen dunkles, mageres Fleisch an das europäische Reh erinnert. Liebenberg grillt es medium rare, im Kern noch leicht blutig, und serviert es mit Honig glasiert, dazu Rote-Bete-Salat und geräuchertes Karottenpüree. Auch Vogel Strauß aus der Halbwüste Karoo steht auf der Speisekarte. Liebenberg serviert die Spezialität mit Koriander und schwarzem Pfeffer mariniert, einem Salat aus Linsen und geräucherten Auberginen sowie Labneh, einem Frischkäse aus Kamelmilch.
Rudi Liebenberg gehört zu einer neuen Generation südafrikanischer Köche, die sich nicht mehr am Vorbild der europäischen Kollegen orientieren, sondern die Produkte und Traditionen der Heimat für sich entdecken. Das ist Pionierarbeit, denn Afrika ist, kulinarisch gesehen, der letzte unentdeckte Kontinent. Einzig die nordafrikanische Küche, in erster Linie die marokkanische, hat den Sprung auf internationale Speisekarten geschafft. Der Rest spielt keine Rolle. Das könnte sich ändern, wenn das Beispiel der Küchenchefs am Kap Schule macht.
„Afrika ist cool“, sagt Reuben Riffel. „Unsere Natur ist eine Schatzkammer. Man muss nur die Augen öffnen.“ Riffel ist Südafrikas einziger farbiger Starkoch, mit seinem Restaurant „Reuben’s“ in Franschhoek im Herzen der Weinbauregion am Kap wurde er gleich nach der Eröffnung 2004 „Chef of the Year“. Hier ist er aufgewachsen, und viele seiner Rezepte sind von seiner Kindheit zwischen Obstgärten und Weinbergen inspiriert, von den Schnittmengen der Küchen verschiedenster Einwanderergruppen. Niederländer und Briten haben ebenso ihre Spuren hinterlassen wie die gewürzintensiven Gerichte der Cape Malay, der Nachfahren südostasiatischer Immigranten.
„Für mich als Koch gibt es keinen besseren Ort als Südafrika“, sagt Reuben Riffel. Er schätzt die Vielfalt, die seine Heimat bietet: beinahe mediterranes Klima am Kap, Halbwüsten und Wüsten wie die Karoo und die Kalahari, unterschiedliche Bodentypen und zwei Ozeane, den Atlantik mit kalten und den Indischen Ozean mit warmen Strömungen, in denen sich ganz unterschiedliche Fische und Meeresfrüchte wohlfühlen.
In seiner Küche zeigt Riffel eine unscheinbare braune Knolle: „Das ist eines der bestgehüteten kulinarischen Geheimnisse Afrikas.“ Wie seine europäischen Verwandten ist der N’abbas, auch Kalahari-Trüffel genannt, eine gesuchte Rarität. Er wächst unter dem roten Sand der Wüste. „Im Winter, wenn es regnet, bricht die verkrustete Erde auf und man kann solche Kostbarkeiten finden“, sagt Riffel. Geschmacklich ähnelt die Knolle dem europäischen Périgord-Trüffel, doch weil sie ungleich günstiger ist, leistet sich der Koch den Luxus, sie auch mal im Ganzen zu verwenden: Er hüllt sie in eine Scheibe Speck und bäckt sie in einer Parmesan-Muskatnuss-Creme. Wie viele junge Köche hat er auch traditionelle Heilpflanzen für die Küche wiederentdeckt. Getrocknete Rooibos-Blätter verwendet er zum Räuchern, und Buchu, ein Kraut, das in der Volksmedizin eine große Rolle spielt, schätzt er wegen seines intensiven Geschmacks.
Auch auf Kapstadts Märkten lassen sich viele schmackhafte Schätze entdecken. Jeden Samstagmorgen bauen auf dem Neighbourgoods Market im Künstlerviertel Woodstock Produzenten aus der Region ihre Stände auf. Frische Guaven, Mango und Papaya sind im Angebot, bei „Designer Omelettes“ bereitet man die Eierspeise mit Straußenfleisch und Jalapeños zu, dazu gibt es Rooibos-Eistee mit viel Minze und Zitrone. Nebenan schneidet Steve Jeffery, sonnenverbrannt und mit einem schwarzen Lederhut auf dem Kopf, eine echt südafrikanische Köstlichkeit auf und reicht eine Scheibe zum Probieren: Biltong vom Kudu, einer Antilopenart. Biltong ist eine Spezialität aus luftgetrocknetem Rind- oder Wildfleisch. „Das Fleisch wird mit braunem Zucker, Salz, Kräutern und Rotwein eingerieben, dann vier Monate lang mariniert und luftgetrocknet“, erklärt Jeffery, der auch Biltong vom Springbock, Eland oder Gemsbock im Angebot hat.
„Das Trocknen von Lebensmitteln an der Luft oder in der Sonne ist typisch Südafrika“, sagt Chris Erasmus, Küchenchef im Restaurant Pierneef auf dem Weingut La Motte bei Franschhoek. Auf seiner Speisekarte findet sich regelmäßig Bokkom, die traditionelle, in Salz eingelegte und dann luftgetrocknete Meeräsche. Auf diese Art machten die ersten holländischen Siedler am Kap den Fisch haltbar für die langen Seereisen. „Jeder Südafrikaner liebt Bokkom“, sagt Erasmus. „Aber noch vor ein paar Jahren war es undenkbar, so etwas in einem guten Restaurant zu servieren.“
Er war einer der ersten Küchenchefs, die das rustikale Gericht für die gehobene Küche adaptierten, etwa als Vorspeise mit buntem Blattsalat, Wachtelei, getrockneten Tomaten und Aprikosen. Auch wenn das renommierte Weingut La Motte mit seinen grünen Gärten und den Gebäuden im kapholländischen Stil nicht so aussieht: Sein Restaurant ist zum Ideenlabor für die innovative Umsetzung überlieferter Kap-Küche geworden. Chris Erasmus studiert alte Kochbücher bis zurück ins 16.Jahrhundert und ist fasziniert von der reichen Tradition seiner Heimat, in der die ersten Siedler um Jan van Riebeeck ebenso eine Rolle spielten wie die Küche der Cape-Malay-Sklaven oder all die Gewürze, die per Schiff auf der Spice Route aus Asien kamen.
In seiner offenen Küche können die Gäste Erasmus zusehen, wie er zwischen den Töpfen und Pfannen herumwirbelt. Während er ein Springbockfilet brät und eine Kürbistarte anrichtet, findet er Zeit, Produkte aus seiner Speisekammer zu zeigen, die für europäische Gaumen neu sind. Zum Beispiel Spekboom, eine heimische Pflanze mit fleischigen Blättern, eine wahre Vitamin-C-Bombe, die Gerichten eine leicht säuerliche Note verleiht. Oder jene Frucht, die von den Einheimischen Monkey Brain genannt wird, Affenhirn. Ähnlich wie ein Granatapfel enthält sie viele gelatinöse pinkfarbene Kerne und ergibt eine hervorragende Marmelade. „Noch vor ein paar Jahren galten in unseren Küchen nur importierte Lebensmittel als hochwertig“, sagt Chris Erasmus. „Heute sind die jungen Köche stolz auf unsere afrikanischen Produkte und besuchen an freien Tagen ihre Großmütter, um ihnen ihre Lieblingsrezepte abzuschwatzen.“