Öffentlich zelebrierten Freundschaften in der Politik haftet nicht selten ein Element des Linkischen an: Die Szene, wie Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping zu den Klängen von „Happy Birthday“ verlegen und leicht neben dem Takt in die Hände klatscht, während Russlands Präsident Wladimir Putin im vorigen Jahr seinen 61. Geburtstag feiert, ist ein Klassiker des Genres „ Männerfreundschaft unter Autokraten“. Wie ungelenk die Show auch war, als Demonstration erfüllte sie ihren Zweck: Wir stehen einander bei. Xis erste Auslandsreise als Staatschef führte nach Moskau, und als die Winterspiele in Sotschi eröffnet wurden, war erneut Xi Jinping an Ort und Stelle, um dem Spektakel nach den Absagen westlicher Staatsführer diplomatischen Glanz zu verleihen.
Die chinesischen Terrakotta-Soldaten werden Putin auf der Krim wohl nicht helfen
Zwischen China und Russland, sagte Xi damals, herrsche eine Periode „der stärksten Fundamente und des höchsten Vertrauens“. Sein Außenminister Wang Yi ging Anfang dieses Monats noch weiter: Das Verhältnis sei „noch nie in der Geschichte besser gewesen“. Das war nur wenige Tage vor Russlands Krim-Coup. Jetzt sind die Harfen verstummt. Das Referendum auf der Krim und Putins Rolle als oberster Marionettenspieler haben Chinas Außenpolitik in ein Dilemma geworfen.
Was Putin da macht, ist der Albtraum der chinesischen Diplomatie, die seit Jahren – aus ganz eigennützigen Motiven – die „Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Länder“ wie ein Mantra vor sich herträgt. Peking zögerte nie, entsprechende Interventionen des Westens in schärfsten Tönen zu geißeln und die „Doppelmoral der USA“ zu verdammen. Nun ist das Unbehagen Chinas über Russlands Vorgehen zwar mit Händen zu greifen, aber von einer Verurteilung Moskaus ist nichts zu hören. Stattdessen ringen sich Chinas Diplomaten Tag für Tag matte Aufrufe ab, die Probleme doch bitte „durch Dialog und Verhandlung“ zu lösen. Das bislang stärkste Zeichen der Distanzierung war die Enthaltung bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat.
Es ist eine Neutralität, die in den Augen vieler tatsächlich ein stillschweigendes Dulden Moskaus bedeutet. Und so ist es mit einem Mal auch die Doppelmoral der chinesischen Außenpolitik, die im Scheinwerferlicht steht.
China und Russland waren einander nicht immer grün, unter Mao Zedong kam es zwischen den damaligen sozialistischen Bruderstaaten zu einem schweren Zerwürfnis. Doch hatten sie ihre Gründe für das neugefundene enge Verhältnis der letzten Jahre: Beide verfolgen mit Sorge die Schachzüge der USA und ihrer westlichen Alliierten, beide stehen bei Themen wie Iran und Syrien gegen amerikanische Interessen, beide eint die Abscheu vor Vorgängen wie dem Umsturz in Kiew.
In westlichen Augen fand dort eine demokratische Revolution statt, während Peking und Moskau glauben, hier hätten Amerikaner und Europäer aus machtpolitischen Interessen die Strippen gezogen. Das Verhältnis ist aber nicht ohne Spannungen: Russland beäugt misstrauisch das Vordringen Chinas in seinen Hinterhof Zentralasien. Chinas Führung wiederum hat registriert, dass Moskau in den letzten Jahren ausgerechnet auch dem ungeliebten Nachbarn Japan Avancen machte. Und dennoch: In den vergangenen zwölf Jahren hat sich das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten versiebenfacht, auf 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Vor allem weil Russland zu einem der größten Energielieferanten Chinas geworden ist. Im vorigen Jahr überholte China Deutschland als Russlands größter Abnehmer von Öl. Im letzten Sommer hielten beide Seiten ein großes Marinemanöver ab, es waren die größten gemeinsamen Militärmanöver mit einer fremden Macht in Chinas Geschichte.
Die Abspaltung der Krim von der Ukraine aber rührt an eine Urangst Pekings. Am Montag dieser Woche schickte die zentrale Propagandabehörde ein Edikt an alle Redaktionen des Landes, in denen sie ihnen verbot, die Krim-Berichterstattung „mit den Themen unseres eigenen Landes wie Taiwan, Tibet oder Xinjiang in Verbindung zu bringen“. Zensur in der Staatspresse ist relativ einfach, im Netz und in den sozialen Medien etwas schwieriger. Doch geben die Zensoren ihr Bestes und löschen schnellstmöglich Kommentare wie jenen des Nutzers lc22: „Sieht so aus, als stünde China hinter dem Krim-Referendum. Warum also sind sie gegen die Unabhängigkeit von Xinjiang, Taiwan und Tibet?“
Referenden über die Abspaltung chinesischen Bodens? Im Falle Taiwans ist das Szenario nicht ganz so weit hergeholt wie bei Tibet und Xinjiang. Besorgte Patrioten drängen Peking denn auch, das Resultat des Referendums auf der Krim keinesfalls anzuerkennen: „Das würde uns Kopfschmerzen ohne Ende bereiten.“ Einer der meistverbreiteten Kommentare auf dem Mikroblogging-Dienst Weibo war der von Hu Xijin, Chefredakteur des nationalistischen Pekinger Propaganda- und Boulevardblattes Global Times, der die vier Millionen Leser warnte, die Krim mit Hongkong, Taiwan oder Tibet zu vergleichen: „Was meint Ihr würde passieren, wenn Taiwan ein Referendum veranstalten würde? Dann lassen wir das das Anti-Sezessionsgesetz erledigen!“, schrieb er. China sei „niemals im Unrecht“: „Von heute an ist für uns nichts wichtiger, als mächtig zu werden. Zu einem großen Teil folgt die Wahrheit in dieser Welt der Macht.“ Ein selten offenes Eingeständnis der Propaganda über ihr Verhältnis zur Wahrheit.
Peking rechtfertigt sein Lavieren beim Thema Ukraine und Krim mit „komplexen historischen und praktischen Faktoren“. Samstag bricht Staatschef Xi Jinping zu einer Europareise auf, er wird auch Deutschland besuchen. Anzunehmen, dass seine Gesprächspartner das genauer erklärt haben wollen.
Die chinesischen Terrakotta-Soldaten werden Putin auf der Krim wohl nicht helfen
Zwischen China und Russland, sagte Xi damals, herrsche eine Periode „der stärksten Fundamente und des höchsten Vertrauens“. Sein Außenminister Wang Yi ging Anfang dieses Monats noch weiter: Das Verhältnis sei „noch nie in der Geschichte besser gewesen“. Das war nur wenige Tage vor Russlands Krim-Coup. Jetzt sind die Harfen verstummt. Das Referendum auf der Krim und Putins Rolle als oberster Marionettenspieler haben Chinas Außenpolitik in ein Dilemma geworfen.
Was Putin da macht, ist der Albtraum der chinesischen Diplomatie, die seit Jahren – aus ganz eigennützigen Motiven – die „Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Länder“ wie ein Mantra vor sich herträgt. Peking zögerte nie, entsprechende Interventionen des Westens in schärfsten Tönen zu geißeln und die „Doppelmoral der USA“ zu verdammen. Nun ist das Unbehagen Chinas über Russlands Vorgehen zwar mit Händen zu greifen, aber von einer Verurteilung Moskaus ist nichts zu hören. Stattdessen ringen sich Chinas Diplomaten Tag für Tag matte Aufrufe ab, die Probleme doch bitte „durch Dialog und Verhandlung“ zu lösen. Das bislang stärkste Zeichen der Distanzierung war die Enthaltung bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat.
Es ist eine Neutralität, die in den Augen vieler tatsächlich ein stillschweigendes Dulden Moskaus bedeutet. Und so ist es mit einem Mal auch die Doppelmoral der chinesischen Außenpolitik, die im Scheinwerferlicht steht.
China und Russland waren einander nicht immer grün, unter Mao Zedong kam es zwischen den damaligen sozialistischen Bruderstaaten zu einem schweren Zerwürfnis. Doch hatten sie ihre Gründe für das neugefundene enge Verhältnis der letzten Jahre: Beide verfolgen mit Sorge die Schachzüge der USA und ihrer westlichen Alliierten, beide stehen bei Themen wie Iran und Syrien gegen amerikanische Interessen, beide eint die Abscheu vor Vorgängen wie dem Umsturz in Kiew.
In westlichen Augen fand dort eine demokratische Revolution statt, während Peking und Moskau glauben, hier hätten Amerikaner und Europäer aus machtpolitischen Interessen die Strippen gezogen. Das Verhältnis ist aber nicht ohne Spannungen: Russland beäugt misstrauisch das Vordringen Chinas in seinen Hinterhof Zentralasien. Chinas Führung wiederum hat registriert, dass Moskau in den letzten Jahren ausgerechnet auch dem ungeliebten Nachbarn Japan Avancen machte. Und dennoch: In den vergangenen zwölf Jahren hat sich das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten versiebenfacht, auf 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Vor allem weil Russland zu einem der größten Energielieferanten Chinas geworden ist. Im vorigen Jahr überholte China Deutschland als Russlands größter Abnehmer von Öl. Im letzten Sommer hielten beide Seiten ein großes Marinemanöver ab, es waren die größten gemeinsamen Militärmanöver mit einer fremden Macht in Chinas Geschichte.
Die Abspaltung der Krim von der Ukraine aber rührt an eine Urangst Pekings. Am Montag dieser Woche schickte die zentrale Propagandabehörde ein Edikt an alle Redaktionen des Landes, in denen sie ihnen verbot, die Krim-Berichterstattung „mit den Themen unseres eigenen Landes wie Taiwan, Tibet oder Xinjiang in Verbindung zu bringen“. Zensur in der Staatspresse ist relativ einfach, im Netz und in den sozialen Medien etwas schwieriger. Doch geben die Zensoren ihr Bestes und löschen schnellstmöglich Kommentare wie jenen des Nutzers lc22: „Sieht so aus, als stünde China hinter dem Krim-Referendum. Warum also sind sie gegen die Unabhängigkeit von Xinjiang, Taiwan und Tibet?“
Referenden über die Abspaltung chinesischen Bodens? Im Falle Taiwans ist das Szenario nicht ganz so weit hergeholt wie bei Tibet und Xinjiang. Besorgte Patrioten drängen Peking denn auch, das Resultat des Referendums auf der Krim keinesfalls anzuerkennen: „Das würde uns Kopfschmerzen ohne Ende bereiten.“ Einer der meistverbreiteten Kommentare auf dem Mikroblogging-Dienst Weibo war der von Hu Xijin, Chefredakteur des nationalistischen Pekinger Propaganda- und Boulevardblattes Global Times, der die vier Millionen Leser warnte, die Krim mit Hongkong, Taiwan oder Tibet zu vergleichen: „Was meint Ihr würde passieren, wenn Taiwan ein Referendum veranstalten würde? Dann lassen wir das das Anti-Sezessionsgesetz erledigen!“, schrieb er. China sei „niemals im Unrecht“: „Von heute an ist für uns nichts wichtiger, als mächtig zu werden. Zu einem großen Teil folgt die Wahrheit in dieser Welt der Macht.“ Ein selten offenes Eingeständnis der Propaganda über ihr Verhältnis zur Wahrheit.
Peking rechtfertigt sein Lavieren beim Thema Ukraine und Krim mit „komplexen historischen und praktischen Faktoren“. Samstag bricht Staatschef Xi Jinping zu einer Europareise auf, er wird auch Deutschland besuchen. Anzunehmen, dass seine Gesprächspartner das genauer erklärt haben wollen.