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Teurer Spaß

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Der 24. Februar 2004 gilt in der Geschichte des Mashups als symbolischer Tag für das Aufeinandertreffen von digitalen Möglichkeiten und Regeln der analogen Welt: Am so genannten Grey Tuesday protestierten zahlreiche Webseiten wegen des juristischen Vorgehens gegen das „Grey Album“, das dem Tag seinen Namen gab. Der 26-jährige DJ DangerMouse hatte es aus der Instrumental-Fassung des weißen Albums der Beatles und den Vocals des „Black Album“ des Rappers Jay-Z zusammengebastelt – und für allerlei juristischen Ärger gesorgt. Mit dem „Grey Album“ legte Brian Burton alias Danger Mouse aber auch den Grundstein seines Ruhms, den er später unter den Namen Gnarls Barkley und Broken Bells sowie als Star-Produzent errang.




Dann kann die Party ja los gehen: Mit einer neuen Computer-Software kann man rechtliche Probleme bei Mashup-Alben umgehen

Fast auf den Tag genau zehn Jahre später hat ein anderer 26-jähriger nun ein Album veröffentlicht, das im Netz bereits als „Grey Album der 2010er Jahre“ gehandelt – und ebenfalls von Juristen indirekt beworben wird. „Access Denied“ (Kein Zugang) hat Amerigo Gazaway wie als Werbung in großen roten Buchstaben auf das Cover geschrieben, das je zur Hälfte den Kopf des 1984 gestorbenen Soulmusikers Marvin Gaye und des Rappers Mos Def zeigt, der seit 2009 Yasiin Bey heißt: „Yasiin Gaye by Amerigo Gazaway“ steht auf dem überklebten Titelbild des zweiteiligen Albums, das aus Musik der beiden auf besondere Weise zusammengefügt wurde. Gazaway zerlegte die Samples, die Marvin Gaye nutzte und verleimte sie mit den Raps von Yasiin Bey alias Mos Def. Das Ergebnis ist eine Neukombination, die Gazaway eher als digitales Duett denn als Mashup verstanden wissen will.

Wie eine klassische Vinyl-Platte besteht „Yasiin Gaye by Amerigo Gazaway“ deshalb auch aus zwei Teilen: „The Departure“ und „The Return“. Die Veröffentlichung des zweiten Teils wurde von der Juristen der amerikanischen Plattenindustrie nun aber offenbar unterbunden. Das behauptet Gazaway jedenfalls auf seiner Bandcamp-Site. Der erste Teil wird dafür mit umso größerer Begeisterung durchs Web gereicht. So weit allerdings war man im Prinzip auch vor zehn Jahren schon. Doch die Digitalisierung stellt Musiker und Verwerter ja nicht nur vor ständig neue Herausforderungen. Diesselbe Technologie liefert auch Ansätze, die vielleicht zu einer Lösung mancher Probleme taugen. Nicht weniger als das könnte jedenfalls die Seite legitmix.com sein, die Gazaways Mashup in den kommenden Tagen in beiden Teilen veröffentlichen will – und zwar ganz legal.

Die 2011 von einem Musiker und einem Software-Entwickler gegründete Seite will die komplizierten juristischen Probleme der Rechteklärung beim Remix mit einem simplen Rezept umgehen: Statt des fertigen und meist illegalen Mashups vertreibt die Seite nur die Anleitung zu einer Neukombination von Songs und Samples. Gekocht (also zusammengestellt) wird der neue Song auf dem Rechner des jeweiligen Hörers, was vollkommen legal ist, wenn der die notwendigen Zutaten, also die verwendeten Songs, legal erworben hat. legitmix durchsucht dazu die Musikbibliothek des Nutzers und bietet ihm da, wo ihm Lieder fehlen, diese zum legalen Kauf an. Ein Algorithmus erstellt die Mashups dann aus dem vorhandenen Songs – sozusagen in der Küche des Hörers.

Was so einfach klingt, hat den legitmix-Macher nach eigenen Angaben ein Jahr Arbeit und rund eine Million Dollar gekostet. Das Ergebnis ist ein Ansatz, bei dem kopierende und kopierte Künstler tatsächlich gewinnen könnten. „Bisher profitieren nur Piratenseiten und Anbieter wie YouTube von Mashups und Remixen, die kostenlos im Netz veröffentlicht werden“, rechnet legitmix-Mitgründer Omid McDonald vor. Nun nützt ein Remix endlich auch denjenigen, deren Werke verwendet werden. Denn ihre Songs werden noch mal verkauft. Ob Menschen sich dafür begeistern lassen, wird sich zeigen. Es ist vermutlich auch eine Frage des Preises. Wer den ersten Teil des „Yasiin Gaye“-Albums kaufen wollte, muss dafür bei legitmix bis zu 58 Dollar bezahlen – falls er keinen der Songs bereits auf seiner Festplatte hat.

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