Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Jetzt auch Youtube

$
0
0
Drei Tage vor der Kommunalwahl in der Türkei haben die türkischen Behörden nun auch die Videoplattform Youtube gesperrt. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme, verlautete am Donnerstag aus türkischen Regierungskreisen. Die Veröffentlichung von Aufnahmen eines Gesprächs von Regierungsvertretern über einen möglichen Militäreinsatz im Nachbarland Syrien gefährde die nationale Sicherheit der Türkei. Man sei im Gespräch mit Youtube und erwäge eine Aufhebung der Sperre, falls die Video-Plattform bereit sei, die betreffenden Aufnahmen zu löschen.



Der türkische Ministerpräsident Erdoğan steht nicht auf Kritik.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan nannte vor Anhängern in Diyarbakır die Veröffentlichung des Mitschnitts schändlich. Die Youtube-Mutter Google teilte mit, einige Nutzer in der Türkei hätten keinen Zugang zu Youtube. Zuvor hatte die Telekommunikationsbehörde den Kurznachrichtendienst gesperrt. Am Mittwoch hatte ein Gericht in Ankara allerdings das Ende der Twitter-Blockade angeordnet. Einige Nutzer hatten auf Twitter und in anderen Online-Netzwerken auf Tonaufnahmen und Dokumente verwiesen, die angeblich Beweise für Korruption im engsten Umkreis Erdoğans liefern und seine Verwicklung belegen sollen. Der Regierungschef hatte erklärt, Twitter gefährde die nationale Sicherheit und verweigere die Zusammenarbeit mit den Behörden.

Die für die digitale Wirtschaft zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes kritisierte die Sperre von Youtube. „Das ist noch eine verzweifelte und traurige Entscheidung in der Türkei“, schrieb Kroes am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter. „Ich unterstütze alle Forderungen nach wirklicher Freiheit und Demokratie. In Europa stehen wir für ein offenes Internet und freie Meinungsäußerung.“

Auf die Veröffentlichung von immer mehr abgehörten Telefongesprächen reagiert Erdoğan aggressiv. Die Enthüllungen setzen seine islamisch-konservative AKP unter Druck, denn Erdoğan selber hat die Kommunalwahlen am Sonntag zur Abstimmung über den künftigen Kurs des ganzen Landes erklärt. Nach einem Jahr heftiger Proteste der Bürgerbewegung gegen seine islamisch-konservative Regierung sowie Monaten des Machtkampfes zwischen Erdoğan und seinen Gegnern im religiös-konservativen Lager sind die gesellschaftlichen Gräben tief aufgerissen. Praktisch täglich wurden zuletzt im Internet neue Korruptionswürfe laut.

Erdoğan ist in den vergangenen Tagen immer wütender durchs Land gezogen. Bei großen Kundgebungen sind die Botschaften an seine Anhänger unter den etwa 52Millionen Wahlberechtigten einfach: Es gebe eine Verschwörung gegen die Türkei, er selber sei Garant für Stabilität und weiteren Wohlstand. „Vertrauen Sie diesem Mann noch? So einen Dieb hat die Welt noch nicht gesehen“, hielt der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, dagegen. Seine Partei präsentiert sich als führende Oppositionskraft, die die AKP in den Metropolen herausfordert, obwohl sie dort vielen jungen Demonstranten als nationalistisch und konservativ gilt.

Die Deutungshoheit über Sieg oder Niederlage bei den Wahlen beansprucht die AKP, wobei sie die Erwartungen gedämpft hat. Messlatte sei das Ergebnis der Kommunalwahlen 2009 mit 38,8 Prozent, sagte AKP-Sprecher Hüseyin Celik. „Jeder Prozentpunkt mehr ist ein Erfolg.“ Schon wegen der Vielzahl der Akteure in den Provinzen sei ein Ergebnis wie bei der Parlamentswahl 2011, als die AKP die Hälfte der Stimmen erhielt, nicht möglich.

Bei der vergangenen Kommunalwahl hatte Erdoğans Partei erstmals Verluste hinnehmen müssen. Mit den knapp 39 Prozent erhielt sie in den Städten und Gemeinden acht Prozent weniger als noch bei der Parlamentswahl 2007 und fast drei Prozent weniger als bei den Kommunalwahlen 2004.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345