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Erfolg in homöopathischen Dosen

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Der Chirurg Yoshihiko Sawa operiert Herzen, die man anderswo aufgeben würde. Wenn die Muskelwand eines unheilbar erkrankten Herzens so dünn wird, dass es nicht mehr genügend zu pumpen vermag, dann hilft dem Patienten bisher nur eine Herztransplantation. Doch Organverpflanzungen sind komplex, teuer, und es gibt nicht genug Spenderherzen.




Eine Aufnahme aus Osaka, einer Stadt in der Kansai-Region. Theoretisch sollte das das Silicon Valley Japans sein.

Sawa hat eine Methode entwickelt, im Labor aus Stammzellen Lagen von Herzmuskelgewebe zu züchten. Diese implantiert er ins erkrankte Herz. Das Gewebe aus dem Labor wächst in den geschädigten Herzmuskel ein. Erste klinische Versuche im Uni-Krankenhaus Osaka haben Patienten von ihrer Herzschwäche befreit.

2014 werde zum „Gründungsjahr der Epoche der regenerativen Medizin“, sagte Sawa kürzlich in Kyoto. Als „regenerative Medizin“ bezeichnet man eine Heilung durch das Wiederherstellen zerstörter Gewebe, bisher meist durch Zucht im Labor.

Japan sei den USA und Europa „einen Schritt voraus“, meint Teruo Okano, Präsident der Gesellschaft für regenerative Medizin. Sawa ist deren Vize-Präsident. Kansai, die westjapanische Region mit den Großstädten Osaka, Kyoto und Kobe ist das Zentrum dieser Forschung: ein Silicon Valley der Zukunftsmedizin.

Nach Sawas Methode wächst nicht nur Herzmuskelgewebe. Auch die Hornhaut des Auges lässt sich züchten. Klinische Versuche an Patienten, deren Hornhaut von Krankheiten oder Unfällen getrübt wurde, beginnen demnächst. Degenerative Nervenleiden wie Parkinson will man ebenfalls mit Zellen aus dem Labor behandeln.

Im Zentrum dieser Innovationen stehen die Stammzellen, das sind Zellen, die die Fähigkeit embryonaler Zellen haben, zu jeder Art Gewebe heranzuwachsen. Dabei arbeitet man heute immer mehr mit „induzierten pluripotenten Stammzellen“, künstlich umprogrammierte körpereigene Zellen des Patienten.

Die Medizin von morgen ist eine Ersatzteilmedizin. Künftig will man auch ganze Organe im Labor züchten. Übermorgen soll der Körper gewisse Ersatzgewebe sogar selber herstellen. Für beides, wie auch für neue Medikamente, will die Region Kansai ein führender Standort sein. Die Forschung konzentriert sich auf sieben sogenannte Bio-Cluster im Umfeld der Universitäten Kyoto, Osaka und Kobe. Hier sind in den vergangenen Jahren etwa 500 Start-ups gegründet worden, einige haben es bereits an die Börse geschafft. Dennoch klagen viele Forscher, das Stammzellen-Tal Kansai funktioniere nicht wie das Silicon Valley. Manche meinen sogar, es funktioniere überhaupt nicht. Man treffe sich zwar, plaudere auch, arbeite aber nicht zusammen. Manche Institute bekämpfen sich, sie kooperieren lieber mit Partnern im Ausland.

Tsuneaki Sakata hält diese Klagen für berechtigt. Der Mikrobiologe lehrt an der Universität Kobe Gen-Technik und in Osaka computerbasiertes Wirkstoff-Design. Zugleich leitet er die Innovationsabteilung des Pharmakonzerns Shionogi. Außerdem managt er die Bio Bridge Osaka, eine von vielen Förderorganisationen.

Damit vereinigt er auf einer Person, was zu einem Wissenschafts-Cluster gehört: Er steckt mit einem Bein im akademischen Betrieb und mit dem anderen in der Wirtschaft, arbeitet interdisziplinär und knüpft beständig Netzwerke. „Kommunikation ist das Wichtigste für Innovationen.“ Sakata ist eine Ausnahme. „Deshalb kommen alle zu mir.“ Anders als im Silicon Valley sind die Bio-Cluster in Kansai nicht aus Initiativen von unten entstanden, sondern per Regierungsbeschluss. Und mit viel Geld aus Tokio.

Jede Pharma-Firmen Japan betrieb einst ihre eigene Forschungsabteilung, erklärt Sakata. Bis die Unternehmen nach dem Platzen der Wirtschaftsblase vor 24 Jahren tief in den roten Zahlen steckten. Und deshalb ihre Forschungsbudgets zusammenstrichen. Seither sind sie für Innovationen auf die akademische Forschung angewiesen. Aber die Zusammenarbeit klappe nicht, so Sakata: „Die Professoren misstrauen den Pharma-Firmen; sie sagen, sie stehlen unsere Ergebnisse.“ Derweil klagt die Wirtschaft, „die Professoren wollten nur Studien publizieren, sie kümmern sich nicht um Patente und die künftige Anwendung.“ Sie ließen sich nichts sagen. In Japan genießen Mediziner ein enorm hohes Ansehen, das sie eifrig verteidigen.

Zusätzlich erschwert die Zusammenarbeit zwischen Uni und Wirtschaft, dass es für die neue Medizin keine bewährten Geschäftsmodelle gibt. Die Entwicklung eines Medikaments ist langwierig, der Geschäftsplan simpel: Man findet eine Substanz, prüft ihre Wirkung, bestätigt ihre Unschädlichkeit und erarbeitet die industrielle Herstellung. Dann kann man das Medikament über Jahre verkaufen. Die regenerative Medizin dagegen entwickelt Methoden, keine Mittel. Sawa kann seine Zellen nicht massenweise verkaufen. Er kann nur die Methode patentieren. Japans risikoscheue Wirtschaft schreckt vor diesem ungeprüften Geschäftsmodell zurück.

In diese Bresche ist der Staat gesprungen. Er hat die Medizin als „Sonnenaufgangsindustrie“ entdeckt, so nennt man in Japan eine Wachstumsbranche. Seither schießt die Regierung aus allen Rohren Geld nach Kansai. Drei Ministerien, dazu ihre Ableger in Osaka, mehrere Präfektur- und etliche Stadtregierungen, dazu weitere halbstaatliche Institutionen pumpen Geld in die High-Tech-Medizin. Indes kooperieren auch diese Organisationen nicht, sie konkurrieren. Oder blockieren sich sogar. Aber seit der Wissenschaftler Shinya Yamanaka von der Universität Kyoto 2012 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, seien alle Leute, die Geld verteilen, so Sakata, völlig auf die regenerative Medizin fixiert.

An einem Mittwochnachmittag im März lud die Jury des Japan Bio Business Award, eine weitere Förderorganisation, zur Preisverleihung. Die Auszeichnungen gingen nach Hiroshima, Yamagata und in den Großraum Tokio. Keiner der Preisträger stammte aus Kansai. Keiner arbeitete mit Stammzellen. Keiner vertrat ein Start-up.

„Eigentlich müsste man von Bio-Japan sprechen, nicht von Kansai“, meint Mitsuru Miyata, Jury-Mitglied und der Bio-Tech-Kommentator der Wirtschaftszeitung Nikkei. „In Japan gibt es kein Risikokapital, weil das Steuergesetz es verhindert.“ Die Mehrheit der Start-ups werde deshalb unter dem Dach etablierter Firmen gegründet. Sakata ergänzt: „Die japanischen Anleger sind ungeduldig, auch die institutionellen. Sie wollen bald Profite sehen.“ Und anders als die sogenannten Angels-Investoren in Silicon Valley, die Gründern Geld und Rat geben, haben sie kein Interesse, sich am Aufbau der Firma zu beteiligen.Auch die generelle Risikoscheu der japanischen Gesellschaft stehe einer echten Start-up-Kultur im Weg. „Wer hier einmal scheitert, ist gezeichnet fürs Leben“, sagt Sakata. „In Kalifornien ist das eine Auszeichnung.“ In Japan ist die Abneigung gegen Menschen, die sich hervortun, groß. Die Hierarchien sind starr. Und das Schulsystem, belohnt Fleiß und Anpassung, Individualismus aber wird wie eine Störung behandelt.

Dass die Region Kansai dennoch Erfolge feiert, verdankt sie Ausnahmen wie Yamanaka und Sawa. Und Yasuhiko Tabata, der vor 18 Jahren sein erstes Start-up gründete. Und an 30 weiteren Firmen beteiligt ist. Der quirlige Professor für „Grenzmedizin“ an der Uni Kyoto ist ein moderner Renaissance-Mensch. Er hat in Chemie, Medizin und Pharmakologie promoviert. Ohne Tabata wären viele klinische Anwendungen der „regenerativen Medizin“ nicht möglich. Es genügt nicht, im Labor Herzmuskelzellen zu züchten. Sie würden zu einem desorganisierten Klumpen heranwachsen, wenn Tabata für sie keine biologischen „Baugerüste“ entwickelt hätte, an denen sie räumlich geordnet wachsen können. Hat sich das Gewebe gebildet, löst sich das Gerüst allmählich auf. Außerdem müssen die Zellen mit Energie und Nährstoffen so „gefüttert“ werden, damit sie wachsen. Auch sie werden von Tabata entwickelt. „Viele Zellen können sich, wenn sie ideal versorgt werden, auch zur Selbstregeneration im Körper provoziert werden.“ Das ist die Medizin von übermorgen.

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