Sie machten sich damals sofort auf den Weg aus Herne, am 10. März 1906. Im französischen Département Pas de Calais war eine Grube eingestürzt, 1000 Bergleute tot, Hunderte vermisst. Von der Zeche Shamrock in Herne schickten sie eine Suchmannschaft. Es war der Beginn einer Freundschaft, die auch zwei Kriege überdauerte und 1954 amtlich besiegelt wurde: Herne und Hénin-Beaumont wurden Partnerstädte. Über viele Jahrzehnte hat man sich besucht, hat zusammen getrunken und gesungen und darüber gesprochen, was denn nun kommt nach der Kohle, die in beiden Regionen zugrunde ging. Aus Kumpeln wurden Freunde.
Der rechtsextreme Cyril Nauth ist Bürgermeister von Mantes-la-Ville bei Paris. Der Freundschaftsverein in Neunkirchen im Saarland hat damit ein Problem.
Seit einigen Tagen nun regiert in der Partnerstadt ein Bürgermeister des Front National. Und nicht wenige in Herne fragen sich, wie das denn zu den Werten passt, die man bisher gemeinsam vertrat: Solidarität und Brüderlichkeit. Lehrer überlegen sich, ob sie nun mit ihren Klassen, die voller Migranten sind, in eine Stadt fahren, deren Politiker gegen Ausländer hetzen.
Will man mit solchen Städten noch etwas zu tun haben? Sind es die falschen Freunde? In einem Dutzend französischer Städte wurden bei den Kommunalwahlen Bürgermeister des Front National gewählt. Ihre deutschen Partnergemeinden diskutieren nun, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen, ob man die Freundschaft kündigt oder zumindest auf Eis legt. Eine belgische Stadt und eine Gemeinde aus Luxemburg haben das bereits getan, die Partnerschaft suspendiert. Man teile keine Werte mehr.
„Die Freunde aus Frankreich haben uns nach dem Krieg die Hand gereicht, obwohl sie wussten, dass in Herne noch viele Nazis leben“, sagt Oberbürgermeister Horst Schiereck. Gratuliert hat er seinem Kollegen nicht, den Kontakt abzubrechen, komme aber nicht infrage. Die Freundschaft habe zwei Kriege überlebt und werde auch einen rechtsextremen Bürgermeister überstehen. „Es kann aber auch nicht so weitergehen wie bisher“, sagt hingegen Dorothea Schulte, die Fraktionschefin der Grünen im Rat. „Politische Kontakte müssen auf ein Minimum beschränkt werden.“ Die Kontakte von Vereinen und Schulen könnten aber weitergehen. Es solle ja niemand bestraft werden. Man dürfe die Wähler nicht schelten, das sagen sie nun in vielen deutschen Städten. Es waren aber Wähler, die in den französischen Partnerstädten rechtsextrem gewählt haben. Und offenbar selbst so denken. „Ich war geschockt“, sagt Ursula Mauerer, die Vorsitzende des Freundschaftsvereins zwischen Neunkirchen im Saarland und Mantes-la-Ville bei Paris. Im Mai will sie wieder nach Frankreich fahren, andere im Verein haben ihre Mitarbeit aufgekündigt. Mauerer sagt, es sei ohnehin schon schwierig gewesen, deutsche Schüler für den Austausch zu gewinnen. „Wer will denn jetzt in eine Stadt mit rechtsextremem Bürgermeister fahren?“
Mehr als 600 Menschen sind im vergangenen Jahr aus Triberg im Schwarzwald nach Fréjus gefahren, der Stadt am Mittelmeer. „Das war eine große Sache für unser kleines Dorf“, sagt Friedhelm Weber, der Bürgermeisterstellvertreter. Triberg hat zwar den höchsten Wasserfall Deutschlands, liegt aber in einem engen und dunklen Tal des schwarzen Waldes. In Fréjus gibt es weiße Strände und viel Sonne. Man war stolz auf solche Freunde. Jetzt aber, sagt Weber, könne man nicht mehr so unbefangen dort hinfahren. „Wir überlegen, ein Zeichen zu setzen.“ Nur welches, das wissen sie in Triberg und anderswo noch nicht. Auch in Bitburg sind sie etwas ratlos. Die französische Stadt Hayanges führt Bitburg offiziell als „Jumelage“. Und Bitburg muss sich nun erklären, wie es zu den Freunden in Lothringen steht? Von einer Städtepartnerschaft wisse man nichts, heißt es im dortigen Rathaus. Manchmal ist es gut, nicht zu viele Freunde zu haben.
Der rechtsextreme Cyril Nauth ist Bürgermeister von Mantes-la-Ville bei Paris. Der Freundschaftsverein in Neunkirchen im Saarland hat damit ein Problem.
Seit einigen Tagen nun regiert in der Partnerstadt ein Bürgermeister des Front National. Und nicht wenige in Herne fragen sich, wie das denn zu den Werten passt, die man bisher gemeinsam vertrat: Solidarität und Brüderlichkeit. Lehrer überlegen sich, ob sie nun mit ihren Klassen, die voller Migranten sind, in eine Stadt fahren, deren Politiker gegen Ausländer hetzen.
Will man mit solchen Städten noch etwas zu tun haben? Sind es die falschen Freunde? In einem Dutzend französischer Städte wurden bei den Kommunalwahlen Bürgermeister des Front National gewählt. Ihre deutschen Partnergemeinden diskutieren nun, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen, ob man die Freundschaft kündigt oder zumindest auf Eis legt. Eine belgische Stadt und eine Gemeinde aus Luxemburg haben das bereits getan, die Partnerschaft suspendiert. Man teile keine Werte mehr.
„Die Freunde aus Frankreich haben uns nach dem Krieg die Hand gereicht, obwohl sie wussten, dass in Herne noch viele Nazis leben“, sagt Oberbürgermeister Horst Schiereck. Gratuliert hat er seinem Kollegen nicht, den Kontakt abzubrechen, komme aber nicht infrage. Die Freundschaft habe zwei Kriege überlebt und werde auch einen rechtsextremen Bürgermeister überstehen. „Es kann aber auch nicht so weitergehen wie bisher“, sagt hingegen Dorothea Schulte, die Fraktionschefin der Grünen im Rat. „Politische Kontakte müssen auf ein Minimum beschränkt werden.“ Die Kontakte von Vereinen und Schulen könnten aber weitergehen. Es solle ja niemand bestraft werden. Man dürfe die Wähler nicht schelten, das sagen sie nun in vielen deutschen Städten. Es waren aber Wähler, die in den französischen Partnerstädten rechtsextrem gewählt haben. Und offenbar selbst so denken. „Ich war geschockt“, sagt Ursula Mauerer, die Vorsitzende des Freundschaftsvereins zwischen Neunkirchen im Saarland und Mantes-la-Ville bei Paris. Im Mai will sie wieder nach Frankreich fahren, andere im Verein haben ihre Mitarbeit aufgekündigt. Mauerer sagt, es sei ohnehin schon schwierig gewesen, deutsche Schüler für den Austausch zu gewinnen. „Wer will denn jetzt in eine Stadt mit rechtsextremem Bürgermeister fahren?“
Mehr als 600 Menschen sind im vergangenen Jahr aus Triberg im Schwarzwald nach Fréjus gefahren, der Stadt am Mittelmeer. „Das war eine große Sache für unser kleines Dorf“, sagt Friedhelm Weber, der Bürgermeisterstellvertreter. Triberg hat zwar den höchsten Wasserfall Deutschlands, liegt aber in einem engen und dunklen Tal des schwarzen Waldes. In Fréjus gibt es weiße Strände und viel Sonne. Man war stolz auf solche Freunde. Jetzt aber, sagt Weber, könne man nicht mehr so unbefangen dort hinfahren. „Wir überlegen, ein Zeichen zu setzen.“ Nur welches, das wissen sie in Triberg und anderswo noch nicht. Auch in Bitburg sind sie etwas ratlos. Die französische Stadt Hayanges führt Bitburg offiziell als „Jumelage“. Und Bitburg muss sich nun erklären, wie es zu den Freunden in Lothringen steht? Von einer Städtepartnerschaft wisse man nichts, heißt es im dortigen Rathaus. Manchmal ist es gut, nicht zu viele Freunde zu haben.