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Im Sechs-Stunden-Paradies

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Schweden galt früher schon als Arbeitnehmerparadies. Moderate Arbeitszeiten, hohe Sozialleistungen, gute Kinderbetreuung ließen viele Deutsche vom Auswandern träumen. Dabei hat auch der schwedische Wohlfahrtsstaat unter den Krisen der vergangenen Jahre gelitten. Ein Pilotprojekt in Göteborg könnte ihn nun wieder zum Sehnsuchtsort machen: Die Hafenstadt möchte ihre Mitarbeiter künftig einfach zwei Stunden früher nach Hause schicken – bei vollem Lohn.



Die neuen Arbeitszeiten könnten in einem Altenheim getetstet werden - davon würden Bewohner und Pflegekräfte profitieren.

Der Kommunalrat Mats Pilhem, Mitglied der Linkspartei, ist für Beschäftigungsfragen in der Stadt zuständig. Er findet: Weniger Arbeit ist besser für die Menschen – und deswegen auch besser für die Stadt. Der Stadtrat, dominiert von einer rot-grünen Mehrheit, hat nun für das Experiment gestimmt. Ein Jahr lang sollen 20 bis 30 Mitarbeiter in den Genuss des Sechs-Stunden-Tages kommen, Pausen nicht inbegriffen. Alle anderen leisten weiter ihre regulären acht Stunden ab. Am Ende wird Pilhems These überprüft. Der sagt: „Wer kürzer arbeitet, arbeitet besser und effektiver.“ Der Kommunalpolitiker hofft, dass die Kurzarbeiter seltener krank werden. Am Ende, glaubt er, spart die Stadt dabei sogar Geld.

Doch erst mal muss sie investieren: Göteborg stellt neue Mitarbeiter ein, um die vakanten Stunden abzudecken. Umgerechnet 550000 Euro hat Pilhem dafür eingeplant – gemäß der ersten Schätzung. Wer die Glücklichen sind, denen er mehr Freizeit erkauft, entscheidet eine externe Agentur, die das Experiment plant. Wahrscheinlich wird sie für den Test Mitarbeiter eines kommunalen Altenheims auswählen, sagt Pilhem. Deren Job sei besonders anstrengend. Außerdem hätten so die Senioren auch etwas davon: „Sie werden Angestellte treffen, die weniger gestresst und weniger müde sind.“ Nach sieben Stunden Arbeit sei schließlich niemand mehr richtig aufmerksam.

Die Idee der Sechs-Stunden-Tage ist in Schweden nicht neu. Auch andere Städte haben sie schon ausprobiert. Kiruna im Norden des Landes beispielsweise hat den kurzen Arbeitstag vor einigen Jahren wieder abgeschafft. Er sei zu teuer und seine positive Wirkung nicht erwiesen, hieß es damals. Göteborg möchte die neuen Arbeitszeiten nun als erste Stadt wissenschaftlich testen. Dafür sollen Forscher der Universität von Göteborg unter anderem Interviews mit beiden Gruppen, kurz und lang arbeitenden Mitarbeitern, führen, so ein erster Plan der Stadt.

Die Gegner der Linkspartei wittern Populismus. Es sei nicht sinnvoll, die Zeiten ausgerechnet im Gesundheitssektor zu verkürzen, wo Arbeitskräfte fehlten, lautet einer der Vorwürfe. Der Sechs-Stunden-Tag sei allein dem Wahlkampf geschuldet – im September wählt Schweden ein neues Parlament. Die Linkspartei, national nicht an der Regierung beteiligt, setzt sich für die Einführung der 35-Stunden-Woche binnen fünf Jahren ein. In zehn Jahren sollen dann alle Schweden nur noch sechs Stunden pro Tag arbeiten. Gesamtkosten: 110 Milliarden Kronen, mehr als 12,1 Milliarden Euro.

Pilhem weiß: Egal wie sein Experiment ausgeht, um es auf die ganze Stadt mit ihren knapp 50000 Mitarbeitern auszuweiten, braucht er Geld von der Regierung – und einen Machtwechsel in Stockholm.

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