Es sind erst einige Dutzend Studenten, die vor ihrem ersten Semester die Führerscheinstelle an der Hochschule Bremerhaven besuchen. Noch ist das Projekt ja recht neu, das Vize-Rektor Peter Ritzenhoff, zuständig für Studium und Lehre, und sein Team initiiert haben: den Studienführerschein. Mathekurse bietet die Hochschule im Norden ihren Studienanfängern schon lange an, um Lücken bei den angehenden Ingenieuren zu beheben, um alle auf einen gemeinsamen Stand zu bringen. Nun kamen Workshops dazu, jeweils einige Wochen vor dem ersten Tag im Hörsaal – Zeitmanagement, Lernstrategien, Persönlichkeitstrainings.
Im ersten Semester ist der Hörsaal meist noch voll. Später leeren sich häufig die Reihen.
Nach mehreren Kursen wird dann der Führerschein ausgestellt. Das Papier lässt sich für die Bewerbung auf Stipendien nutzen – vor allem aber, sagt Ritzenhoff , soll es „helfen, schnell im Studium anzukommen“. Inhaltlich und fachlich, aber auch in puncto Wohlfühlfaktor. Denn in Bremerhaven liegt der Anteil der Studienabbrecher etwa auf dem Niveau aller deutschen Hochschulen: bei mehr als einem Viertel, in bestimmten Fächern noch deutlich höher.
Bremerhaven ist jüngst zusammen mit fünf weiteren Standorten vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft für diese „guten Ansätze“ geehrt worden. Andernorts rückt man dem Problem zum Beispiel mit Technik zu Leibe und versucht mit Hilfe von Datenanalysen, die Risikogruppen für Studienabbruch ausfindig zu machen. Die sechs Hochschulen sollen in einem „Qualitätszirkel Studienerfolg“ ihre Ideen weiterentwickeln und auch neue Konzepte finden. Ergebnisse werden wohl 2015 vorgestellt. Der Stifterverband, eine Initiative der Wirtschaft, spricht von einer „alarmierenden“ Lage, einem Schaden für das ganze Land: „Wenn wir so weitermachen und halbe Jahrgänge im Studium scheitern lassen, werden wir den Fachkräftemangel nie in den Griff bekommen.“
In diesen Tagen beginnt an den Universitäten die Vorlesungszeit. Blickt ein Studienanfänger dort zum Sitznachbarn links und rechts, dann wird statistisch gesehen einer von den beiden oder er selbst sein Studium hinwerfen. Denn bei Bachelorstudenten an Universitäten bricht jeder dritte wieder ab. Für 2014 rechnen die Statistiker erneut mit annähernd einer halben Million Erstsemester wie schon in den vergangenen Jahren, die Gesamtzahl der Hochschüler liegt auf Rekordniveau, gut 2,5 Millionen. Das ist im Grunde eine Momentaufnahme.
Umfassende Daten zum Thema Abbuch hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) erhoben. Demnach liegt die Abbrecherquote im Bachelor an Unis – ausgewertet wurde der Absolventenjahrgang 2010 – eben bei 35 Prozent, an den Fachhochschulen ist sie niedriger. In den universitären Ingenieurfächern gibt sogar fast jeder zweite auf, in Naturwissenschaften sind es 39 Prozent.
Die Gesamtquote wird nach unten gedrückt von Fächern mit Staatsexamen: Jura (26 Prozent), Medizin (neun Prozent) und Lehramt (sechs Prozent). Die DZHW-Autoren sehen die Ursachen für den Studienerfolg in diesen Fächern in der starken Identifikation mit dem Fach, im klaren späteren Berufsbild und der strengeren Struktur. Zudem gebe es oft Zulassungshürden, wie in Medizin ein Einser-Abitur und dadurch eine Leistungsselektion der Bewerber. Heißt das, dass die Abbrecher in anderen Fächern nicht leistungsstark genug sind und aus Überforderung abbrechen?
So einfach ist es nicht. In einer weiteren Studie des DZHW widmeten sich die Forscher den Motiven der Studienabbrecher. Ein Viertel von ihnen war durch Bedingungen, die nichts mit Leistung und Lehre zu tun haben, dazu gezwungen: Sie hatten massive Probleme bei der Studienfinanzierung, führten familiäre Gründe wie die Pflege von Angehörigen auf oder wurden durch Krankheit aus der Bahn geworfen. Größer ist die Gruppe derjenigen, die mit falschen Erwartungen ins Studium kamen oder schlichtweg scheiterten: 31 Prozent des analysierten Jahrgangs gaben auf, weil sie den Anforderungen nicht gerecht wurden oder zu häufig bei Prüfungen durchfielen. Im Bachelor-System kommt es häufiger zum Abbruch aus diesen Gründen als in den früheren Diplom- und Magisterstudiengängen. 30 Prozent gaben zudem auf, weil sie nicht mehr motiviert waren, ihre Vorstellungen sich nicht erfüllten oder die Studienbedingungen zu mies waren.
Zwei Aspekte zeigen sich demnach, an denen man ansetzen kann: bei der Studienwahl und Zulassung sowie später bei der Betreuung der Studenten. Aber reicht es aus, wenn Hochschulen – nicht nur die sechs in gesagtem Qualitätszirkel – nach Belieben Projekte auf den Weg bringen? Die Wissenschaftsminister versuchen den vielen Studienabbrechern schon länger Herr zu werden. Sie kosten Geld, da sie das erworbene Wissen nicht einsetzen können – und nicht als begehrte Fachkraft zur Verfügung stehen. Immer wieder haben die Länder Beratungsprogramme aufgesetzt, in Baden-Württemberg etwa sollen sich Studenten durch die Kampagne „Gscheit studiert“ besser für ein Fach entscheiden können; auch mit Preisen für gute Lehre hat man es schon versucht, zudem startete Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) 2012 ein Programm „Willkommen in der Wissenschaft“, das die oft trockenen Grundlagen zu Studienbeginn mit Ausflüge in Forschungsinstitute oder anschaulichen Erfahrungen, zum Beispiel in Laborwagen, aufpeppen soll. Laut Bauer verzeichnet ihr Land bundesweit die wenigsten Abbrecher, 84 Prozent studierten im Bachelor und Master bis zum Abschluss.
Nordrhein-Westfalens Ministerin Svenja Schulze (SPD) versucht es mit Vorgaben an die Hochschulen: Ihr geplantes Hochschulzukunftsgesetz soll die Rektoren zu einem Qualitätsmanagement verpflichten, das den Gründen für Erfolg oder Misserfolg der Studenten nachgehen muss. Und jede Hochschule muss demnach eine Gegenstrategie aufzeigen. Zudem will sie, dass Fristen bis zur Prüfung flexibler gehandhabt werden, damit das Ende wegen Zeitüberschreitung seltener wird.
Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) setzt bei denen an, die bereits abgebrochen haben. Sie will ihnen den Weg zu einer betrieblichen Ausbildung ebnen – unter anderem, indem Leistungen aus dem Studium für eine Lehre anerkannt werden. Auf Internetseiten wie Studienabbrecher.com lockt man bereits mit „Meister statt Master“. Beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) registriert man dies dankbar, da sich immer weniger Menschen mit Abitur für eine Lehre entscheiden. In den nächsten zehn Jahren suchten 200000 Handwerksunternehmer einen Nachfolger, sagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. „Das Handwerk bietet jedem handfeste Karriereperspektiven, auch im zweiten Anlauf.“
Im ersten Semester ist der Hörsaal meist noch voll. Später leeren sich häufig die Reihen.
Nach mehreren Kursen wird dann der Führerschein ausgestellt. Das Papier lässt sich für die Bewerbung auf Stipendien nutzen – vor allem aber, sagt Ritzenhoff , soll es „helfen, schnell im Studium anzukommen“. Inhaltlich und fachlich, aber auch in puncto Wohlfühlfaktor. Denn in Bremerhaven liegt der Anteil der Studienabbrecher etwa auf dem Niveau aller deutschen Hochschulen: bei mehr als einem Viertel, in bestimmten Fächern noch deutlich höher.
Bremerhaven ist jüngst zusammen mit fünf weiteren Standorten vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft für diese „guten Ansätze“ geehrt worden. Andernorts rückt man dem Problem zum Beispiel mit Technik zu Leibe und versucht mit Hilfe von Datenanalysen, die Risikogruppen für Studienabbruch ausfindig zu machen. Die sechs Hochschulen sollen in einem „Qualitätszirkel Studienerfolg“ ihre Ideen weiterentwickeln und auch neue Konzepte finden. Ergebnisse werden wohl 2015 vorgestellt. Der Stifterverband, eine Initiative der Wirtschaft, spricht von einer „alarmierenden“ Lage, einem Schaden für das ganze Land: „Wenn wir so weitermachen und halbe Jahrgänge im Studium scheitern lassen, werden wir den Fachkräftemangel nie in den Griff bekommen.“
In diesen Tagen beginnt an den Universitäten die Vorlesungszeit. Blickt ein Studienanfänger dort zum Sitznachbarn links und rechts, dann wird statistisch gesehen einer von den beiden oder er selbst sein Studium hinwerfen. Denn bei Bachelorstudenten an Universitäten bricht jeder dritte wieder ab. Für 2014 rechnen die Statistiker erneut mit annähernd einer halben Million Erstsemester wie schon in den vergangenen Jahren, die Gesamtzahl der Hochschüler liegt auf Rekordniveau, gut 2,5 Millionen. Das ist im Grunde eine Momentaufnahme.
Umfassende Daten zum Thema Abbuch hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) erhoben. Demnach liegt die Abbrecherquote im Bachelor an Unis – ausgewertet wurde der Absolventenjahrgang 2010 – eben bei 35 Prozent, an den Fachhochschulen ist sie niedriger. In den universitären Ingenieurfächern gibt sogar fast jeder zweite auf, in Naturwissenschaften sind es 39 Prozent.
Die Gesamtquote wird nach unten gedrückt von Fächern mit Staatsexamen: Jura (26 Prozent), Medizin (neun Prozent) und Lehramt (sechs Prozent). Die DZHW-Autoren sehen die Ursachen für den Studienerfolg in diesen Fächern in der starken Identifikation mit dem Fach, im klaren späteren Berufsbild und der strengeren Struktur. Zudem gebe es oft Zulassungshürden, wie in Medizin ein Einser-Abitur und dadurch eine Leistungsselektion der Bewerber. Heißt das, dass die Abbrecher in anderen Fächern nicht leistungsstark genug sind und aus Überforderung abbrechen?
So einfach ist es nicht. In einer weiteren Studie des DZHW widmeten sich die Forscher den Motiven der Studienabbrecher. Ein Viertel von ihnen war durch Bedingungen, die nichts mit Leistung und Lehre zu tun haben, dazu gezwungen: Sie hatten massive Probleme bei der Studienfinanzierung, führten familiäre Gründe wie die Pflege von Angehörigen auf oder wurden durch Krankheit aus der Bahn geworfen. Größer ist die Gruppe derjenigen, die mit falschen Erwartungen ins Studium kamen oder schlichtweg scheiterten: 31 Prozent des analysierten Jahrgangs gaben auf, weil sie den Anforderungen nicht gerecht wurden oder zu häufig bei Prüfungen durchfielen. Im Bachelor-System kommt es häufiger zum Abbruch aus diesen Gründen als in den früheren Diplom- und Magisterstudiengängen. 30 Prozent gaben zudem auf, weil sie nicht mehr motiviert waren, ihre Vorstellungen sich nicht erfüllten oder die Studienbedingungen zu mies waren.
Zwei Aspekte zeigen sich demnach, an denen man ansetzen kann: bei der Studienwahl und Zulassung sowie später bei der Betreuung der Studenten. Aber reicht es aus, wenn Hochschulen – nicht nur die sechs in gesagtem Qualitätszirkel – nach Belieben Projekte auf den Weg bringen? Die Wissenschaftsminister versuchen den vielen Studienabbrechern schon länger Herr zu werden. Sie kosten Geld, da sie das erworbene Wissen nicht einsetzen können – und nicht als begehrte Fachkraft zur Verfügung stehen. Immer wieder haben die Länder Beratungsprogramme aufgesetzt, in Baden-Württemberg etwa sollen sich Studenten durch die Kampagne „Gscheit studiert“ besser für ein Fach entscheiden können; auch mit Preisen für gute Lehre hat man es schon versucht, zudem startete Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) 2012 ein Programm „Willkommen in der Wissenschaft“, das die oft trockenen Grundlagen zu Studienbeginn mit Ausflüge in Forschungsinstitute oder anschaulichen Erfahrungen, zum Beispiel in Laborwagen, aufpeppen soll. Laut Bauer verzeichnet ihr Land bundesweit die wenigsten Abbrecher, 84 Prozent studierten im Bachelor und Master bis zum Abschluss.
Nordrhein-Westfalens Ministerin Svenja Schulze (SPD) versucht es mit Vorgaben an die Hochschulen: Ihr geplantes Hochschulzukunftsgesetz soll die Rektoren zu einem Qualitätsmanagement verpflichten, das den Gründen für Erfolg oder Misserfolg der Studenten nachgehen muss. Und jede Hochschule muss demnach eine Gegenstrategie aufzeigen. Zudem will sie, dass Fristen bis zur Prüfung flexibler gehandhabt werden, damit das Ende wegen Zeitüberschreitung seltener wird.
Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) setzt bei denen an, die bereits abgebrochen haben. Sie will ihnen den Weg zu einer betrieblichen Ausbildung ebnen – unter anderem, indem Leistungen aus dem Studium für eine Lehre anerkannt werden. Auf Internetseiten wie Studienabbrecher.com lockt man bereits mit „Meister statt Master“. Beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) registriert man dies dankbar, da sich immer weniger Menschen mit Abitur für eine Lehre entscheiden. In den nächsten zehn Jahren suchten 200000 Handwerksunternehmer einen Nachfolger, sagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. „Das Handwerk bietet jedem handfeste Karriereperspektiven, auch im zweiten Anlauf.“