er Mode hängt oft der Ruf an, sie stünde den Schwulen näher als der restlichen Menschheit. Vielleicht ist es auch einfach lange so gewesen, dass die Branche um sie herum eine relativ diskriminierungsfreie Oase war – zumindest bekommt man in Jalil Lesperts Biopic „Yves Saint Laurent“ den Eindruck, es könnte so gewesen sein. Der große YSL ist zunächst noch gar nicht groß, er ist ein Junge in Paris, viel zu weit weg von zu Haus, der sich ganz familiär einfügt in die Modehaus-Welt um ihn herum, die allumfassend vom gemeinsamen Lunch im Hinterzimmer bis ins Wohngemeinschaftsartige hineinreicht. Dazwischen geht man aus, gehört zum schicken Teil der Stadt – es sind die goldenen Fünfziger. Der junge Yves hat sogar eine Frau dabei, ein Mannequin. Ob er mit der nun wirklich zusammen ist, kümmert keinen.
Pierre Niney spielt Yves Saint Laurent
Es gibt ja, von Karl Lagerfeld einmal abgesehen, der erst viel später berühmt wurde, kaum einen Designer, der so mit seinem eigenen Gesicht für seine Marke stand wie YSL: mit seinen kantigen Zügen und den kantigen Brillen. Ein viel berühmteres Gesicht als das von, sagen wir mal, Christian Dior, bei dem Saint-Laurent noch als Teenie anfing, in den Fünfzigern. Dass das so kam, dass er kein Schattendasein im Atelier führte, sondern eine schillernde, berühmte Figur wurde, dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Yves Saint Laurent war ein viel beachtetes Wunderkind just zu jener Zeit, als die Paparazzi sich gerade erfanden. Und er hat dann sicherlich zu seinen Hoch- und Glanzzeiten in den Siebzigern auch kapiert, dass die Personalisierung, das Berühmtsein, dem Geschäft sehr förderlich ist. Man fing damals auch gerade damit an, die großen Modehäuser mit erschwinglichen Nebenprodukten aus dem Gefängnis der Exklusivität zu befreien, Lippenstifte und Parfum wurden zum Hauch von Luxus für jedermann.
Wenn man darüber ein Biopic drehen will, so wie es sich der Filmemacher Lespert vorgenommen hat, dann muss man sich wohl damit abfinden, dass es ein neues Regelwerk für Kino-Portraits gibt. Es orientiert sich daran, dass heutzutage jede größere Figur greif- und googlebar ist. Das Spektakulärste an „Yves Saint Laurent“ ist dann, wie sein Hauptdarsteller die Herausforderung meistert, mit der Rolle zu verschmelzen – Pierre Niney hat das bisschen Ähnlichkeit, das er mit Saint Laurent hat, zu sehr großer Ähnlichkeit herausgearbeitet. Das liegt zum Teil an Maske und Brille, vor allem aber an Bewegung und Blick.
Sein früher Ruhm hatte vielleicht mit dem traurigen Blick zu tun. Er wurde, mit 21, nach dem Tod Diors, zum Chefdesigner des Modehauses befördert, kam nicht zurecht, begann, als ihn der Lebensgefährte Pierre Bergé (Guillaume Gallienne) schon aufgefangen hatte, eine zweite Karriere, wurde immer wieder aufgefangen von Zuneigung und Erfolg – und fing sich selbst doch nie. Gelegentlich kreuzt ein anderer junger Designer seinen Weg, von Anfang an, ein Deutscher, inzwischen mit einem genauso berühmten Gesicht, damals aber ein Rivale: Karl Lagerfeld.
Das war übrigens, wie vieles von dem, was Lespert erzählt, tatsächlich so: wie er zum Militär eingezogen wurde während des Algerienkriegs und zusammenbrach, noch bevor der Marschbefehl griff; wie er die Mondrian-Kleider entwarf; wie er aus Liebe zu Nordafrika – Saint Laurent wurde in Algerien geboren – eine spektakuläre Villa in Marrakesch einrichtete, als Rückzugsort. Lesperts Film hat den Segen von Pierre Bergé, Saint Laurents Lebensgefährten bis zu dessen Tod 2008 – und der Wunsch, sich diesen Segen zu erhalten, hat dann auch die Richtung, den Fokus der Geschichte vorgegeben. Es ist eine Liebesgeschichte, was kein Nachteil ist, es geht aber, und das ist ein wenig schade, viel mehr ums Leben als ums Werk. Allzu viel über das Frühstadium, den Stil der Entwürfe, bevor der geniale Schachzug mit den Mondrian-Kleidern aus Saint-Laurent einen Top-Designer machte – das wird man im Kino nicht erfahren, da zeigt Lespert Berührungsängste.
Das geht so weit, dass in einer frühen Modenschau-Szene die Kamera auf den Gesichtern der Models bleibt – wen kümmern schon die Kleider. Was ein bisschen verrückt an der Sache ist: Bergé stand dem Projekt ja nicht nur mit Zustimmung zur Seite, er hat Lespert auch in dem spektakulären Anwesen in Marrakesch drehen lassen. Wunderbar. Dass ein Mann, der eigentlich irgendwie der Witwer ist, dann nur die besten Entwürfe im Film sehen will – das ist schon irgendwie verständlich. Dass ein Filmemacher diese Vorgaben nicht nur übernimmt, sondern geradezu verinnerlicht – irgendwas müssen die Models in der Szene ja wohl angehabt haben – ist eher merkwürdig.
Es ist ein zweiter Film in Arbeit „Saint Laurent“ von Betrand Bonello, der als Filmemacher eher unter Verdacht steht, ein Thema ordentlich gegen den Strich zu bürsten – und vielleicht wird das, auch wenn Pierre Bergé das Resultat dann missfällt, der spannendere Film.
Biopics werden viele gedreht, sie sind in Mode – aber kaum jemand geht noch hin und zieht sein Ding durch wie es Milos Forman mit „Amadeus“ gemacht hat, der sich nicht an Fakten hielt, sondern sich auf Mozarts Leben seinen eigenen, wilden Reim machte. Damals wurde daraus ein Welterfolg. Heute, im Authentizitätswahn, würde man ihm seinen Film wahrscheinlich um die Ohren hauen.
Yves Saint Laurent, Frankreich 2013 – Regie: Jalil Lespert. Buch: Jacques Fieschi , Jérémie Guez ,Marie-Pierre Huster,Jalil Lespert . Kamera: Thomas Hardmeier. Mit: Pierre Niney,Guillaume Gallienne. Squareone/Universum/24 Bilder, 106 Minuten.
Pierre Niney spielt Yves Saint Laurent
Es gibt ja, von Karl Lagerfeld einmal abgesehen, der erst viel später berühmt wurde, kaum einen Designer, der so mit seinem eigenen Gesicht für seine Marke stand wie YSL: mit seinen kantigen Zügen und den kantigen Brillen. Ein viel berühmteres Gesicht als das von, sagen wir mal, Christian Dior, bei dem Saint-Laurent noch als Teenie anfing, in den Fünfzigern. Dass das so kam, dass er kein Schattendasein im Atelier führte, sondern eine schillernde, berühmte Figur wurde, dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Yves Saint Laurent war ein viel beachtetes Wunderkind just zu jener Zeit, als die Paparazzi sich gerade erfanden. Und er hat dann sicherlich zu seinen Hoch- und Glanzzeiten in den Siebzigern auch kapiert, dass die Personalisierung, das Berühmtsein, dem Geschäft sehr förderlich ist. Man fing damals auch gerade damit an, die großen Modehäuser mit erschwinglichen Nebenprodukten aus dem Gefängnis der Exklusivität zu befreien, Lippenstifte und Parfum wurden zum Hauch von Luxus für jedermann.
Wenn man darüber ein Biopic drehen will, so wie es sich der Filmemacher Lespert vorgenommen hat, dann muss man sich wohl damit abfinden, dass es ein neues Regelwerk für Kino-Portraits gibt. Es orientiert sich daran, dass heutzutage jede größere Figur greif- und googlebar ist. Das Spektakulärste an „Yves Saint Laurent“ ist dann, wie sein Hauptdarsteller die Herausforderung meistert, mit der Rolle zu verschmelzen – Pierre Niney hat das bisschen Ähnlichkeit, das er mit Saint Laurent hat, zu sehr großer Ähnlichkeit herausgearbeitet. Das liegt zum Teil an Maske und Brille, vor allem aber an Bewegung und Blick.
Sein früher Ruhm hatte vielleicht mit dem traurigen Blick zu tun. Er wurde, mit 21, nach dem Tod Diors, zum Chefdesigner des Modehauses befördert, kam nicht zurecht, begann, als ihn der Lebensgefährte Pierre Bergé (Guillaume Gallienne) schon aufgefangen hatte, eine zweite Karriere, wurde immer wieder aufgefangen von Zuneigung und Erfolg – und fing sich selbst doch nie. Gelegentlich kreuzt ein anderer junger Designer seinen Weg, von Anfang an, ein Deutscher, inzwischen mit einem genauso berühmten Gesicht, damals aber ein Rivale: Karl Lagerfeld.
Das war übrigens, wie vieles von dem, was Lespert erzählt, tatsächlich so: wie er zum Militär eingezogen wurde während des Algerienkriegs und zusammenbrach, noch bevor der Marschbefehl griff; wie er die Mondrian-Kleider entwarf; wie er aus Liebe zu Nordafrika – Saint Laurent wurde in Algerien geboren – eine spektakuläre Villa in Marrakesch einrichtete, als Rückzugsort. Lesperts Film hat den Segen von Pierre Bergé, Saint Laurents Lebensgefährten bis zu dessen Tod 2008 – und der Wunsch, sich diesen Segen zu erhalten, hat dann auch die Richtung, den Fokus der Geschichte vorgegeben. Es ist eine Liebesgeschichte, was kein Nachteil ist, es geht aber, und das ist ein wenig schade, viel mehr ums Leben als ums Werk. Allzu viel über das Frühstadium, den Stil der Entwürfe, bevor der geniale Schachzug mit den Mondrian-Kleidern aus Saint-Laurent einen Top-Designer machte – das wird man im Kino nicht erfahren, da zeigt Lespert Berührungsängste.
Das geht so weit, dass in einer frühen Modenschau-Szene die Kamera auf den Gesichtern der Models bleibt – wen kümmern schon die Kleider. Was ein bisschen verrückt an der Sache ist: Bergé stand dem Projekt ja nicht nur mit Zustimmung zur Seite, er hat Lespert auch in dem spektakulären Anwesen in Marrakesch drehen lassen. Wunderbar. Dass ein Mann, der eigentlich irgendwie der Witwer ist, dann nur die besten Entwürfe im Film sehen will – das ist schon irgendwie verständlich. Dass ein Filmemacher diese Vorgaben nicht nur übernimmt, sondern geradezu verinnerlicht – irgendwas müssen die Models in der Szene ja wohl angehabt haben – ist eher merkwürdig.
Es ist ein zweiter Film in Arbeit „Saint Laurent“ von Betrand Bonello, der als Filmemacher eher unter Verdacht steht, ein Thema ordentlich gegen den Strich zu bürsten – und vielleicht wird das, auch wenn Pierre Bergé das Resultat dann missfällt, der spannendere Film.
Biopics werden viele gedreht, sie sind in Mode – aber kaum jemand geht noch hin und zieht sein Ding durch wie es Milos Forman mit „Amadeus“ gemacht hat, der sich nicht an Fakten hielt, sondern sich auf Mozarts Leben seinen eigenen, wilden Reim machte. Damals wurde daraus ein Welterfolg. Heute, im Authentizitätswahn, würde man ihm seinen Film wahrscheinlich um die Ohren hauen.
Yves Saint Laurent, Frankreich 2013 – Regie: Jalil Lespert. Buch: Jacques Fieschi , Jérémie Guez ,Marie-Pierre Huster,Jalil Lespert . Kamera: Thomas Hardmeier. Mit: Pierre Niney,Guillaume Gallienne. Squareone/Universum/24 Bilder, 106 Minuten.