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Enkel auf Bewährung

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Die Sprungbrettfrage bekommt Benjamin Otto oft gestellt. Ob er denn gar nicht die von Großvater Werner Otto gegründete Firma leiten möchte, wird der 38-Jährige gerne gefragt. Und falls doch: Wann er denn endlich in die Fußstapfen seines Vater treten wolle? Der 71-jährige Michael Otto hat den Mittelständler aus Hamburg zu Europas größter Versandhandelsgruppe ausgebaut, nun leitet er den Aufsichtsrat.



Benjamin Otto möchte eigene Wege gehen. Deshalb baut er eine Internetplattform auf, auf der sich alles um Mode für Frauen zwischen 20 und 40 Jahren dreht.

Am Montag kommt die Sprungbrettfrage wieder: Benjamin Otto steht in einer auf neu gestylten Fabrikhalle in Hamburg und schaut auf die Journalisten runter, die auf Schemeln aus Pappe vor ihm hocken. Eben hat der Junior das jüngste Projekt der Otto-Gruppe vorgestellt: aboutyou.de heißt die Internetplattform, auf der sich alles um Mode für Frauen zwischen 20 und 40 Jahren dreht. Eine dreistellige Millionensumme steckt der Konzern in dieses Start-up. Das ist viel, und es ist eine Ansage an aggressive Rivalen wie Zalando und Amazon. Aber ist der Shop auch eine Bewährungsprobe der besonderen Art für den Chef? Soll der Jungunternehmer einmal den Otto-Konzern mit zwölf Milliarden Euro Umsatz leiten, wenn der Online-Shop boomt?

Der Filius, in Jeans und Hemd, tut das, was er sich für solche Fragen angewöhnt hat: Er nimmt den Druck raus. „Für mich steht das derzeit nicht zur Debatte“, sagt er freundlich. „Alles Weitere, was kommt, lasse ich auf mich zukommen.“ Klingt gut, doch ist das alltagstauglich? Wie kann ein Kronprinz etwas auf sich zukommen lassen, wenn die Kollegen genau hinschauen? Vater Michael Otto hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den Sohn in ein paar Jahren gern an der Spitze sähe. Dort steht jetzt der externe Manager Hans-Otto Schrader, dessen Vertrag bis 2016 läuft.

Bisher hat der Junior gezögert. Ebenso wie Schwester Janina, sie engagiert sich in der Entwicklungshilfe. „Ich bin stolz auf meine Familie, aber ich gehe immer meine eigenen Wege“, betont Otto auch am Montag. Aufgewachsen in Hamburg, machte er nach dem Abitur eine Lehre als Bankkaufmann bei der Berenberg-Bank. Dann studierte er Wirtschaftswissenschaften an der European Business School in London und schloss mit einem Bachelor ab. Später gründete er mehrere Firmen, darunter einen Betrieb für digitale Haustechnik.

Ins großväterliche Unternehmen ist Otto 2012 eingestiegen. Seit Juni 2013 hat er das geheim gehaltene Start-up aufgezogen, gemeinsam mit Co-Chef Tarek Müller. Die neue Firma heißt Collins GmbH, benannt nach dem US-Managementexperten Jim Collins. Lange vor Ottos Einstieg hatte der Vorstand über das Projekt gegrübelt. Als der Vater ihm von der „radikalen“ Idee erzählt habe, sei er „Feuer und Flamme“ gewesen, erzählt Benjamin Otto.

Gut 140 Menschen haben an der Plattform getüftelt. Externe Entwickler sollen mit geringem Aufwand eigene Programme anbieten können und werden am Umsatz beteiligt. Etwa an einer App namens Nachteule: Eine Deutschlandkarte zeigt Großstadt-Klubs und deren Dresscodes – für alle, die dort erstmals hingehen. 50000 Artikel gibt es zu kaufen, und der Chef muss sich nicht um die Logistik sorgen: Dahinter steckt der Mutterkonzern. Der betreibt bereits 100 Online-Shops und erwirtschaftet im Netz sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Eines ist klar: Benjamin Otto muss das alles nicht tun, um zu überleben. Er hält Anteile an der Otto GmbH & Co KG, ist Multimillionär und einer der reichsten jungen Männer des Landes. Doch warum und wie genau bringt er sich in das Start-up ein? Co-Chef Müller, 25, beantwortet das so: Benjamin Otto wolle dauerhaft Werte schaffen, das Start-up solle nicht einfach schnell boomen und wieder verkauft werden. Langfristigkeit und Mitarbeiter stünden im Fokus, und das lebe Benjamin Otto vor: „Der hat das Otto-Gen.“

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