Es ist das aktuell größte Projekt der Bildungspolitik – und doch steht dahinter noch ein Fragezeichen. Die Inklusion, der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap, wird derzeit schrittweise umgesetzt: Jeder vierte Schüler mit Förderbedarf besucht schon eine Regelschule statt einer Förderschule. Zugleich sind viele Eltern verunsichert, ob nicht die Förderschule die besten Bedingungen für die Betroffenen bietet – eine Art Schutzraum mit weniger Leistungsdruck, abgespeckten Lehrplänen, kleineren Klassen? Eine Studie zeigt nun: Förderschüler, die in einer regulären Klasse lernen, profitieren sehr stark davon. Dies hat das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) festgestellt, die Forschungsstelle der Kultusminister. Die Autoren haben dazu bundesweite Leistungsvergleiche von Viertklässlern erneut ausgewertet. Die noch unveröffentlichte Studie liegt der Süddeutschen Zeitung vor.
Inklusion in Niedersachsen: Die 13-jährige Fenja (links) mit Down-Syndrom sitzt in Hildesheim während des Unterrichts in einer achten Klasse des Gymnasiums Marienschule neben Saskia (13).
Die Minister geben derlei Vergleiche in Auftrag, um ein einheitlicheres Niveau an Schulen zu erreichen. Für die IQB-Tests in Mathematik und Lesen wurden Kinder an regulären Schulen wie auch Förderschulen geprüft – und eben Schüler, die trotz eines festgestellten Sonderpädagogischen Förderbedarfs (SPF) in einer inklusiven Klasse sitzen. Kinder mit der Diagnose zeigen oft massive Verhaltensauffälligkeiten, Sprachdefizite oder Lernprobleme. Das Ergebnis der Analyse: Kinder mit einem SPF in Regelschulen haben einen deutlichen Vorsprung gegenüber ihren Altersgenossen, die in Förderschulen verblieben sind – im Durchschnitt etwa ein halbes Schuljahr. Bei weiteren Tests, in denen Kinder Gesprächen zuhören und diese verstehen mussten, liegen die Inklusionsschüler mit ihren Leistungen gar ein ganzes Jahr vorne. Unterschiede gibt es allerdings bei der Art des Förderbedarfs: Bei Lernbehinderten war der Vorsprung noch größer, bei Sprachbehinderten dagegen deutlich geringer.
Außerdem zeigen Zusatz-Befragungen, dass die Eltern von SPF-Schülern in Regelschulen höhere Ambitionen haben, wenn es um den Abschluss ihres Kindes geht. Sie streben öfter den Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife an. In Fördereinrichtungen verfehlt eine Mehrheit den normalen Hauptschulabschluss. Der Vorteil des integrierten Unterrichts ist „überraschend groß“, sie habe damit „nicht gerechnet“, sagte IQB-Direktorin Petra Stanat der Wochenzeitung Die Zeit, die in ihrer Donnerstagsausgabe ebenfalls die Studie behandelt. Gleichwohl erwähnen die Autoren methodische Probleme, sie möchten in der hitzigen Debatte offenbar ungern Patentrezepte bieten. Etwa habe man den Schweregrad nicht erfasst – so könnten Kinder mit geringerem Handicap, die wohl eher eine Regelschule besuchen, die Leistung ihrer Gruppe nach oben gezogen haben. Andererseits waren Kinder an Förderschulen mit sehr schwerer Behinderung gar nicht in der Lage, an den Tests teilzunehmen.
Ungeklärt bleibt eine weitere Frage der Inklusion: Könnten im Gegenzug alle Schüler unter den neuen Klassenkameraden leiden? Die Furcht, Letztere drückten das Niveau, gibt es. In einer Emnid-Umfrage sprachen sich Eltern klar für die Inklusion körperlich Behinderter aus; dass auch Kinder mit Lern- und Verhaltensstörungen reguläre Klassen besuchen, wollten nur 46 Prozent. Zweifelsohne muss sich für Inklusion der Unterricht ändern, Schule muss künftig stärker auf abweichende Lerngeschwindigkeiten eingehen. Das kostet Geld, etwa für zusätzliche Pädagogen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat daher keinen Zeitplan für die Inklusion erlassen. Auch will die Politik das Projekt nicht durch übereiltes Vorgehen gefährden. Aus dem KMK-Umfeld heißt es: Die Debatte über das achtjährige Gymnasium zeige, wie sensibel die Eltern sind, wie schnell sie Druck aufbauen können. „Das wollen wir bei der Inklusion vermeiden.“
Inklusion in Niedersachsen: Die 13-jährige Fenja (links) mit Down-Syndrom sitzt in Hildesheim während des Unterrichts in einer achten Klasse des Gymnasiums Marienschule neben Saskia (13).
Die Minister geben derlei Vergleiche in Auftrag, um ein einheitlicheres Niveau an Schulen zu erreichen. Für die IQB-Tests in Mathematik und Lesen wurden Kinder an regulären Schulen wie auch Förderschulen geprüft – und eben Schüler, die trotz eines festgestellten Sonderpädagogischen Förderbedarfs (SPF) in einer inklusiven Klasse sitzen. Kinder mit der Diagnose zeigen oft massive Verhaltensauffälligkeiten, Sprachdefizite oder Lernprobleme. Das Ergebnis der Analyse: Kinder mit einem SPF in Regelschulen haben einen deutlichen Vorsprung gegenüber ihren Altersgenossen, die in Förderschulen verblieben sind – im Durchschnitt etwa ein halbes Schuljahr. Bei weiteren Tests, in denen Kinder Gesprächen zuhören und diese verstehen mussten, liegen die Inklusionsschüler mit ihren Leistungen gar ein ganzes Jahr vorne. Unterschiede gibt es allerdings bei der Art des Förderbedarfs: Bei Lernbehinderten war der Vorsprung noch größer, bei Sprachbehinderten dagegen deutlich geringer.
Außerdem zeigen Zusatz-Befragungen, dass die Eltern von SPF-Schülern in Regelschulen höhere Ambitionen haben, wenn es um den Abschluss ihres Kindes geht. Sie streben öfter den Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife an. In Fördereinrichtungen verfehlt eine Mehrheit den normalen Hauptschulabschluss. Der Vorteil des integrierten Unterrichts ist „überraschend groß“, sie habe damit „nicht gerechnet“, sagte IQB-Direktorin Petra Stanat der Wochenzeitung Die Zeit, die in ihrer Donnerstagsausgabe ebenfalls die Studie behandelt. Gleichwohl erwähnen die Autoren methodische Probleme, sie möchten in der hitzigen Debatte offenbar ungern Patentrezepte bieten. Etwa habe man den Schweregrad nicht erfasst – so könnten Kinder mit geringerem Handicap, die wohl eher eine Regelschule besuchen, die Leistung ihrer Gruppe nach oben gezogen haben. Andererseits waren Kinder an Förderschulen mit sehr schwerer Behinderung gar nicht in der Lage, an den Tests teilzunehmen.
Ungeklärt bleibt eine weitere Frage der Inklusion: Könnten im Gegenzug alle Schüler unter den neuen Klassenkameraden leiden? Die Furcht, Letztere drückten das Niveau, gibt es. In einer Emnid-Umfrage sprachen sich Eltern klar für die Inklusion körperlich Behinderter aus; dass auch Kinder mit Lern- und Verhaltensstörungen reguläre Klassen besuchen, wollten nur 46 Prozent. Zweifelsohne muss sich für Inklusion der Unterricht ändern, Schule muss künftig stärker auf abweichende Lerngeschwindigkeiten eingehen. Das kostet Geld, etwa für zusätzliche Pädagogen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat daher keinen Zeitplan für die Inklusion erlassen. Auch will die Politik das Projekt nicht durch übereiltes Vorgehen gefährden. Aus dem KMK-Umfeld heißt es: Die Debatte über das achtjährige Gymnasium zeige, wie sensibel die Eltern sind, wie schnell sie Druck aufbauen können. „Das wollen wir bei der Inklusion vermeiden.“