Es sind die Menschen, die Polen so attraktiv machen, vor allem die jungen Leute. Solche wie Justyna Celińska, die gerade lässig und präzise ihre Zahlenreihen herunterperlen lässt. Sie nennt Beispiele, gibt Analysen, zieht Schlussfolgerungen. Justyna Celińska ist dezent geschminkt, ihre Kleidung hat, wie bei fast allen Polinnen, den gewissen Chic, ihr Englisch ist perfekt. Sie spricht auch fließend Russisch und hat Grundkenntnisse in Ukrainisch und Französisch. „Es gibt hier einen Haufen talentierte Leute, die schnell etwas Neues lernen“, sagt die 27-Jährige.
In Danzig befindet sich das Büro der jungen Personalberaterin Justyna Celińska. Natürlich nicht in der Marienkirche, sondern in einem Neubau aus Chrom und Glas.
Sie kennt ihre Altersgenossen nicht nur aus privatem Umgang. Als leitende Mitarbeiterin im Danziger Büro der internationalen Personalvermittlungsagentur Hays befasst sie sich auch beruflich mit jenen jungen Leuten, die bei internationalen Investoren in Polen heute so sehr gefragt sind. Und sie ist spezialisiert auf Business Services, Geschäftsdienstleistungen also.
Das blasse Wort bezeichnet ein Phänomen, das bei Konzernplanern in Westeuropa und den USA derzeit hohe Konjunktur hat. Dahinter kann sich zum Beispiel die Verlagerung des Rechnungswesens in ein Shared Services Center (SSC) in Danzig verbergen. Oder die komplette Ausgliederung eines Teils der Buchhaltung nach Krakau durch Business Process Offshoring (BPO). Was bisher am Stammsitz eines deutschen, niederländischen oder britischen Unternehmens ressortierte, wird dann billiger und effizienter von jungen Polen in einem hypermodernen Geschäftsdistrikt an der Weichsel erledigt. Die Folge ist: Am alten Ort fallen Arbeitsplätze weg, in Polen entstehen neue, ja, es entsteht ein ganzer Wirtschaftszweig: Business Services.
Schon seit geraumer Zeit ist diese Art von Transfer in vollem Gange. Nach Angaben des zuständigen Fachverbands gibt es in Polen schon mehr als 450 solcher Servicecenter mit rund 120000 Beschäftigten. Wobei dazu auch ausgelagerte IT- oder Forschungs- und Entwicklungsabteilungen gehören. Die Branche wächst stürmisch, und zwar mit zweistelligen Raten, und nach den Worten von Justyna Celińska hat Polen in dieser Disziplin schon jetzt den dritten Rang in der Welt erreicht, nach China und Brasilien.
Das Büro der jungen Personalberaterin befindet sich in einem neuen Geschäftszentrum aus Chrom und Glas im Danziger Stadtteil Oliwa, gleich neben dem Campus der Universität. Aus dem Besprechungsraum im neunten Stock geht der Blick über Neubauten auf die Ostsee und den neuen Hafen an der Westerplatte. Zu den jungen Leuten, die Tag für Tag im Erdgeschoss die Einlassschranken passieren, gehören auch 80 Beschäftigte des deutschen Bayer-Konzerns, die hier seit vorigem Jahr einen Teil des Rechnungswesens erledigen. Bis 2015 wird ihre Anzahl auf mehr als 200 aufgestockt, und nach den Worten des Leverkusener Firmensprechers Christian Hartel ist das „keine simple Verlagerung“. Gleichzeitig plant man Abläufe effizienter und flexibler, schafft neue Strukturen, fasst Aufgaben zentral zusammen – und lässt sie in Polen erledigen.
In gleicher Weise gehen auch andere Großunternehmen vor, und wie Bayer machen sie die Standortentscheidung von einem ganzen Bündel von Kriterien abhängig, beispielsweise der Qualität der Infra-struktur und der Höhe der Gehälter. Vor allem aber zählt die Verfügbarkeit „der richtigen Leute“, wie Hartel sagt. Sie sollen möglichst eine Universitätsausbildung und Berufserfahrung haben, außerdem noch Fremdsprachen beherrschen, Englisch in jedem Fall, am besten auch Deutsch oder andere Sprachen.
Gerade diese Anforderung erfüllen junge Polen besonders gut. „Polen ist sehr gut mit Hochschulen gesegnet“, sagt Michael Kern, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der deutsch-polnischen Industrie- und Handelskammer. Eine Umfrage bei seinen Mitgliedsfirmen ergab 2013 nicht nur, dass 94 Prozent der Unternehmer in Polen wieder investieren würden, sondern auch dass dabei die Qualität der Universitäten und die hohe Qualifikation der Arbeitnehmer zu den wichtigsten Kriterien zählen.
Junge Polen gelten als kommunikativ und flexibel. Außerdem zeigen sie, wie der leitende Manager einer deutschen Firma sagt, mehr Einsatzfreude und Motivation als ihre westeuropäischen Altersgenossen: „Die sind einfach noch hungrig.“ Und mobil, also auch zum Umzug bereit, und zwar zu 85 Prozent, wie die Personalberaterin Justyna Celińska hinzufügt. „Dieser Platz wird gewählt wegen dieses Talent-Pools.“
Dies gilt nicht nur für die Metropolregion Danzig mit den Nachbarstädten Zoppot und Gdingen, die nach Anzahl der Business Service Centers hinter Krakau, Warschau und Breslau auf dem vierten Platz rangiert. Im schönen Krakau, wo 170000 Studenten von 18 Hochschulen das Stadtbild noch stärker prägen als die ebenfalls sehr zahlreichen Touristen, ist fast ein Viertel dieser neuartigen polnischen Geschäftsdienstleister ansässig, darunter Ausgründungen internationaler Firmen wie Hitachi, Google, Electrolux, Shell oder Philipp Morris.
Auch die Deutsche Lufthansa betreibt in Krakau schon seit 2003 ein Shared Services Center, je ein anderes übrigens auch in Bangkok und Mexiko-Stadt. Die Krakauer Dependance „wird jetzt im Rahmen einer konzernweiten Bündelung von Administrativfunktionen weiter ausgebaut“, wie der Lufthansa-Sprecher Christoph Meier in Frankfurt sagt. Die Anzahl der Beschäftigten soll von 550 auf 800 steigen. Sie sind künftig nicht nur für die Lufthansa, sondern auch für deren Töchter Austrian Airlines, Swiss, Germanwings und Lufthansa Cargo tätig und zwar in den Bereichen Einkauf, IT und Personalwesen. Schon jetzt wird in Krakau auch die Buchhaltung besorgt, beispielsweise die Abrechnung der Flugscheine. Und wo immer in der Welt ein Lufthanseate eine Dienstreise abzurechnen hat – er scannt die Belege ein und schickt eine E-Mail los, es öffnet und bearbeitet sie ein Kollege der Lufthansa Global Business Services in Krakau.
Auf die Dauer hat dies Folgen. Abteilungen in Deutschland werden zugemacht, zum Beispiel bis 2019 am Standort Norderstedt. Der Grund für diesen Wandel ist vor allem der hohe Konkurrenzdruck, der zur Kostensenkung zwingt, wie Lufthansa-Sprecher Meier sagt. „Der Passagier zahlt nicht fünf Euro mehr, weil wir das Ticket in Deutschland abrechnen.“ Ähnlich argumentiert auch Ingo Alphéus, Geschäftsführer der RWE Group Business Services GmbH in Essen. RWE ist durch die deutsche Energiewende in Bedrängnis geraten, nun sollen bis 2018 die Kosten in den Servicebereichen Rechnungswesen, Personal und Einkauf um 100 Millionen Euro gesenkt werden. Deshalb wurde unter anderem im Oktober 2013 im Krakauer Geschäftszentrum Bonarka ein Shared Services Center eröffnet, inzwischen sind dort schon rund 70 Mitarbeiter beschäftigt. Sie bearbeiten für verschiedene RWE-Gesellschaften Rechnungen, prüfen Reisespesen, führen buchhalterische Arbeiten und Zahlungen aus. Dabei ist auch hier die Verlagerung mit einer konzernweiten Neugestaltung und Rationalisierung der Abläufe verbunden, die zugleich die Qualität verbessern soll.
Der angestrebte Spareffekt ergibt sich vor allem daraus, dass die Fachkräfte in Polen, grob gerechnet, „um zwei Drittel billiger sind als in Deutschland, in manchen Bereichen auch mehr“, wie Ingo Alphéus sagt. Die Personalberaterin Justyna Celińska in Danzig hat konkrete Zahlen zur Hand. Demnach verdient ein junger Buchhalter in Polen am Anfang umgerechnet 900 bis 1200 Euro, nach ein paar Jahren dann als Fachkraft 1500 bis 2000 Euro. Ist man vor diesem Hintergrund auf Kostensenkung aus, so macht die Verlagerung nach den Worten von Alphéus „nur dann Sinn, wenn man im gleichen Zug in Deutschland Arbeitsplätze abbauen kann“. Dies geschieht bei RWE derzeit hauptsächlich im Rheinland und im Ruhrgebiet, nach und nach, in Abstimmung mit den Betriebsräten. In weiteren Schritten werden auch Prozesse aus ausländischen RWE-Gesellschaften nach Krakau verlagert.
Für Krakau ist hingegen der Ausbau das Ziel. Personalprobleme gibt es kaum, auch der RWE-Mann Alphéus singt ein Loblied auf die jungen Polen: „Was mich begeistert, ist nicht nur die Qualifikation, sondern auch das Engagement, die Motivation, der Hunger dieser jungen Leute, schnell zu lernen und etwas zu bewegen.“ Das neue Polen wird zur Konkurrenz auch für die Nachbarn im Westen.
In Danzig befindet sich das Büro der jungen Personalberaterin Justyna Celińska. Natürlich nicht in der Marienkirche, sondern in einem Neubau aus Chrom und Glas.
Sie kennt ihre Altersgenossen nicht nur aus privatem Umgang. Als leitende Mitarbeiterin im Danziger Büro der internationalen Personalvermittlungsagentur Hays befasst sie sich auch beruflich mit jenen jungen Leuten, die bei internationalen Investoren in Polen heute so sehr gefragt sind. Und sie ist spezialisiert auf Business Services, Geschäftsdienstleistungen also.
Das blasse Wort bezeichnet ein Phänomen, das bei Konzernplanern in Westeuropa und den USA derzeit hohe Konjunktur hat. Dahinter kann sich zum Beispiel die Verlagerung des Rechnungswesens in ein Shared Services Center (SSC) in Danzig verbergen. Oder die komplette Ausgliederung eines Teils der Buchhaltung nach Krakau durch Business Process Offshoring (BPO). Was bisher am Stammsitz eines deutschen, niederländischen oder britischen Unternehmens ressortierte, wird dann billiger und effizienter von jungen Polen in einem hypermodernen Geschäftsdistrikt an der Weichsel erledigt. Die Folge ist: Am alten Ort fallen Arbeitsplätze weg, in Polen entstehen neue, ja, es entsteht ein ganzer Wirtschaftszweig: Business Services.
Schon seit geraumer Zeit ist diese Art von Transfer in vollem Gange. Nach Angaben des zuständigen Fachverbands gibt es in Polen schon mehr als 450 solcher Servicecenter mit rund 120000 Beschäftigten. Wobei dazu auch ausgelagerte IT- oder Forschungs- und Entwicklungsabteilungen gehören. Die Branche wächst stürmisch, und zwar mit zweistelligen Raten, und nach den Worten von Justyna Celińska hat Polen in dieser Disziplin schon jetzt den dritten Rang in der Welt erreicht, nach China und Brasilien.
Das Büro der jungen Personalberaterin befindet sich in einem neuen Geschäftszentrum aus Chrom und Glas im Danziger Stadtteil Oliwa, gleich neben dem Campus der Universität. Aus dem Besprechungsraum im neunten Stock geht der Blick über Neubauten auf die Ostsee und den neuen Hafen an der Westerplatte. Zu den jungen Leuten, die Tag für Tag im Erdgeschoss die Einlassschranken passieren, gehören auch 80 Beschäftigte des deutschen Bayer-Konzerns, die hier seit vorigem Jahr einen Teil des Rechnungswesens erledigen. Bis 2015 wird ihre Anzahl auf mehr als 200 aufgestockt, und nach den Worten des Leverkusener Firmensprechers Christian Hartel ist das „keine simple Verlagerung“. Gleichzeitig plant man Abläufe effizienter und flexibler, schafft neue Strukturen, fasst Aufgaben zentral zusammen – und lässt sie in Polen erledigen.
In gleicher Weise gehen auch andere Großunternehmen vor, und wie Bayer machen sie die Standortentscheidung von einem ganzen Bündel von Kriterien abhängig, beispielsweise der Qualität der Infra-struktur und der Höhe der Gehälter. Vor allem aber zählt die Verfügbarkeit „der richtigen Leute“, wie Hartel sagt. Sie sollen möglichst eine Universitätsausbildung und Berufserfahrung haben, außerdem noch Fremdsprachen beherrschen, Englisch in jedem Fall, am besten auch Deutsch oder andere Sprachen.
Gerade diese Anforderung erfüllen junge Polen besonders gut. „Polen ist sehr gut mit Hochschulen gesegnet“, sagt Michael Kern, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der deutsch-polnischen Industrie- und Handelskammer. Eine Umfrage bei seinen Mitgliedsfirmen ergab 2013 nicht nur, dass 94 Prozent der Unternehmer in Polen wieder investieren würden, sondern auch dass dabei die Qualität der Universitäten und die hohe Qualifikation der Arbeitnehmer zu den wichtigsten Kriterien zählen.
Junge Polen gelten als kommunikativ und flexibel. Außerdem zeigen sie, wie der leitende Manager einer deutschen Firma sagt, mehr Einsatzfreude und Motivation als ihre westeuropäischen Altersgenossen: „Die sind einfach noch hungrig.“ Und mobil, also auch zum Umzug bereit, und zwar zu 85 Prozent, wie die Personalberaterin Justyna Celińska hinzufügt. „Dieser Platz wird gewählt wegen dieses Talent-Pools.“
Dies gilt nicht nur für die Metropolregion Danzig mit den Nachbarstädten Zoppot und Gdingen, die nach Anzahl der Business Service Centers hinter Krakau, Warschau und Breslau auf dem vierten Platz rangiert. Im schönen Krakau, wo 170000 Studenten von 18 Hochschulen das Stadtbild noch stärker prägen als die ebenfalls sehr zahlreichen Touristen, ist fast ein Viertel dieser neuartigen polnischen Geschäftsdienstleister ansässig, darunter Ausgründungen internationaler Firmen wie Hitachi, Google, Electrolux, Shell oder Philipp Morris.
Auch die Deutsche Lufthansa betreibt in Krakau schon seit 2003 ein Shared Services Center, je ein anderes übrigens auch in Bangkok und Mexiko-Stadt. Die Krakauer Dependance „wird jetzt im Rahmen einer konzernweiten Bündelung von Administrativfunktionen weiter ausgebaut“, wie der Lufthansa-Sprecher Christoph Meier in Frankfurt sagt. Die Anzahl der Beschäftigten soll von 550 auf 800 steigen. Sie sind künftig nicht nur für die Lufthansa, sondern auch für deren Töchter Austrian Airlines, Swiss, Germanwings und Lufthansa Cargo tätig und zwar in den Bereichen Einkauf, IT und Personalwesen. Schon jetzt wird in Krakau auch die Buchhaltung besorgt, beispielsweise die Abrechnung der Flugscheine. Und wo immer in der Welt ein Lufthanseate eine Dienstreise abzurechnen hat – er scannt die Belege ein und schickt eine E-Mail los, es öffnet und bearbeitet sie ein Kollege der Lufthansa Global Business Services in Krakau.
Auf die Dauer hat dies Folgen. Abteilungen in Deutschland werden zugemacht, zum Beispiel bis 2019 am Standort Norderstedt. Der Grund für diesen Wandel ist vor allem der hohe Konkurrenzdruck, der zur Kostensenkung zwingt, wie Lufthansa-Sprecher Meier sagt. „Der Passagier zahlt nicht fünf Euro mehr, weil wir das Ticket in Deutschland abrechnen.“ Ähnlich argumentiert auch Ingo Alphéus, Geschäftsführer der RWE Group Business Services GmbH in Essen. RWE ist durch die deutsche Energiewende in Bedrängnis geraten, nun sollen bis 2018 die Kosten in den Servicebereichen Rechnungswesen, Personal und Einkauf um 100 Millionen Euro gesenkt werden. Deshalb wurde unter anderem im Oktober 2013 im Krakauer Geschäftszentrum Bonarka ein Shared Services Center eröffnet, inzwischen sind dort schon rund 70 Mitarbeiter beschäftigt. Sie bearbeiten für verschiedene RWE-Gesellschaften Rechnungen, prüfen Reisespesen, führen buchhalterische Arbeiten und Zahlungen aus. Dabei ist auch hier die Verlagerung mit einer konzernweiten Neugestaltung und Rationalisierung der Abläufe verbunden, die zugleich die Qualität verbessern soll.
Der angestrebte Spareffekt ergibt sich vor allem daraus, dass die Fachkräfte in Polen, grob gerechnet, „um zwei Drittel billiger sind als in Deutschland, in manchen Bereichen auch mehr“, wie Ingo Alphéus sagt. Die Personalberaterin Justyna Celińska in Danzig hat konkrete Zahlen zur Hand. Demnach verdient ein junger Buchhalter in Polen am Anfang umgerechnet 900 bis 1200 Euro, nach ein paar Jahren dann als Fachkraft 1500 bis 2000 Euro. Ist man vor diesem Hintergrund auf Kostensenkung aus, so macht die Verlagerung nach den Worten von Alphéus „nur dann Sinn, wenn man im gleichen Zug in Deutschland Arbeitsplätze abbauen kann“. Dies geschieht bei RWE derzeit hauptsächlich im Rheinland und im Ruhrgebiet, nach und nach, in Abstimmung mit den Betriebsräten. In weiteren Schritten werden auch Prozesse aus ausländischen RWE-Gesellschaften nach Krakau verlagert.
Für Krakau ist hingegen der Ausbau das Ziel. Personalprobleme gibt es kaum, auch der RWE-Mann Alphéus singt ein Loblied auf die jungen Polen: „Was mich begeistert, ist nicht nur die Qualifikation, sondern auch das Engagement, die Motivation, der Hunger dieser jungen Leute, schnell zu lernen und etwas zu bewegen.“ Das neue Polen wird zur Konkurrenz auch für die Nachbarn im Westen.