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'Ein katholisches Land'

Eine Tragödie als Politikum: In Irland stirbt eine Frau, nachdem ihr eine medizinisch notwendige Abtreibung verwehrt wurde

London - Etwa 1000 Menschen hatten sich am Mittwochabend vor dem Leinster House versammelt, dem Parlament der Irischen Republik in Dublin. Es war eine ruhige Mahnwache, viele hatten Kerzen entzündet, etliche hielten Fotos hoch. Sie zeigten Savita Halappanavar, eine junge Frau indischer Herkunft, die am 28. Oktober im Universitäts-Krankenhaus von Galway gestorben war. Die Anteilnahme an Savitas Tod ist in Irland besonders groß, weil er dem Grundsatzstreit über eines der am stärksten polarisierenden Themen neue Nahrung gibt: der Abtreibungs-Debatte.


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Trauern um Savita Halappanavar: Demonstranten am Mittwochabend in Dublin

Die Zahnärztin war in der 17. Woche ihrer ersten Schwangerschaft, als sie am 21.Oktober mit Rückenschmerzen in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Eine Untersuchung ergab, dass das Baby nicht überleben würde und eine Fehlgeburt bevorstand. Als die 31 Jahre alte Frau und ihr Mann fragten, ob man die Geburt einleiten könnte, hieß es: Ein Schwangerschaftsabbruch sei nicht möglich, solange das Herz des Fötus noch schlage. So sei die Gesetzeslage in Irland, das nun mal 'ein katholisches Land' sei. Das Paar musste vier Tage warten, bis der Fötus gestorben war und die Ärzte einwilligten. Mittlerweile aber hatte sich Savitas Zustand verschlechtert. Sie starb vier Tage darauf an einer Sepsis.

Der Fall wurde am Dienstag bekannt, dem Tag, an dem eine Expertenkommission der irischen Regierung einen Vorschlagskatalog zur 'Verdeutlichung der Abtreibungsgesetze' vorlegte. Während sich vor der Tür die stillen Demonstranten versammelten, nannte im Parlament Premierminister Enda Kenny den Fall eine 'Tragödie'. Weiter wollte er sich nicht äußern, da noch zwei Untersuchungen zu dem Vorfall liefen. In Irland ist eine Abtreibung nur dann legal, wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft unmittelbar in Gefahr ist. Das macht den Fall besonders heikel, da nun geklärt werden muss, warum die Ärzte das Risiko für die Mutter so katastrophal falsch einschätzten.

Aber der Tod der jungen Inderin facht auch eine breitere Diskussion wieder an: Irland hat eine der restriktivsten Abtreibungsgesetzgebungen der westlichen Welt. Die einzige größere Einschränkung zugunsten des der Mutter wurde 1992 in einem Grundsatzurteil des irischen Supreme Court gemacht. Im als 'Case X' bekannt gewordenen Fall wurde einem 14Jahre alten Mädchen, das nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war, das Recht zu einer Abtreibung zugesprochen, weil sie selbstmordgefährdet war. Doch selbst dieses Urteil hat noch nicht formell Eingang in die irische Gesetzgebung gefunden. Ungewollt schwangere Irinnen müssen immer noch, um legal abzutreiben, ins Ausland ausweichen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte bereits vor zwei Jahren eine umfassende Reform von Irland gefordert.

Zwar ist der Einfluss der katholischen Kirche auf die irische Politik nicht zuletzt wegen der Kindesmissbrauchs-Skandale der letzten Jahre geschwunden. Dennoch sind viele Parlamentarier, besonders die Abgeordneten der konservativen Partei Fine Gael, der auch Premier Kenny angehört, zu einer Lockerung der Abtreibungsgesetze nicht bereit.


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