Von Compton nach Rancho Palos Verdes braucht man mit dem Auto gerade einmal 30 Minuten. Dennoch hat man während der Fahrt das Gefühl, als würde man da die eine Welt verlassen und in eine vollkommen andere gelangen. In Compton im Süden von Los Angeles gilt die Regel, dass einen bei einer Konfrontation niemand warnt. Die Menschen knallen einen erst ab und sagen dann, dass man ja auch hätte abhauen können. Andre Romelle Young ist in dieser durchaus gefährlichen Stadt geboren und aufgewachsen, das erste Album seiner Hip-Hop-Gruppe N.W.A aus dem Jahr 1988 hieß „Straight Outta Compton“. Young nannte sich damals schon Dr. Dre, unter diesem Namen ist er auch heute noch bekannt.
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Drei Milliarden Dollar für eine Kopfhörer-Marke – Apple-Chef Tim Cook geht es aber wohl eher um den Streaming-Dienst von Beats.
Am Mittwochabend wurde auf der Medienkonferenz Recode in Rancho Palos Verdes – dieser wunderbaren Klippenstadt mit Pazifikblick für all jene Reichen und Schönen, die so reich und schön sind, dass sie nicht mehr in Malibu oder den Hollywood Hills wohnen müssen – ausgiebig über den Mann aus Compton debattiert. Zunächst einmal erklärte Apple-Chef Tim Cook, warum er dessen Firmen Beats Music und Beats Electronics für insgesamt drei Milliarden Dollar kaufen möchte, später saßen Beats-Mitgründer Jimmy Iovine und Apple-Vizepräsident Eddy Cue auf der Bühne. Iovine trug blaue Sneakers zu schwarzem Sakko, Cues weinrotes Hemd war beinahe bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Natürlich wurde beim Auftritt der beiden das Lied „Gigantic” aus den aktuellen Apple-Werbespots gespielt.
„Die Beziehung begann bereits vor einem Jahrzehnt“, sagte Cook am Nachmittag: „Wir sind ein paar Mal ausgegangen, dann wurde es ernster, und nun haben wir geheiratet.“ Dr. Dre und Jimmy Iovine besäßen überaus seltene Talente: „Es ist, als würde man an einem Strand zwei ganz bestimmte Sandkörner finden.“ Auch Iovine sülzte später am Abend wie ein PR-Manager: „Als wir das Unternehmen gegründet haben, ließen wir uns von Apples unerreichter Fähigkeit inspirieren, Technik mit Kultur zu verheiraten. In meinem Herzen habe ich immer gewusst, dass Beats zu Apple gehört.“ Die beiden auf der Bühne erweckten geradezu den Eindruck, als hätten sie sich eben frisch ineinander verliebt.
Den schwülstigen Worten folgten trockene Zahlen, die es aber in sich haben: Apple bezahlt satte 2,6 Milliarden Dollar in bar, dazu gibt es über einen nicht näher genannten Zeitraum noch einmal Apple-Aktien im Wert von 400 Millionen Dollar. Es ist die teuerste Übernahme in der Geschichte von Apple. Bis Ende September soll sie abgeschlossen sein, „Beats“ eine eigene Marke bleiben. Entgegen der bisherigen Unternehmenspolitik wird sie also nicht integriert oder mit einem Apple-Präfix versehen. Iovine und Dr. Dre, die zusammen etwa 70Prozent an Beats halten, dürften jeweils etwa knapp eine Milliarde Dollar erhalten. Sie werden künftig als Vollzeitangestellte für Apple arbeiten. Was genau sie machen werden, verrieten sie nicht. Iovine antwortete auf die Frage, welchen Titel die beiden tragen werden: „Jimmy und Dre.“
Gerüchte über den Verkauf hatte es bereits vor drei Wochen gegeben, für Aufregung hatte auch ein Video gesorgt, das im Zuge der Verhandlungen an die Öffentlichkeit gelangt war. Darin prahlt Dres Freund Tyrese Gibson, das Magazin Forbes müsse nun schnell seine Reichenliste ändern. Dre, laut Gibson betrunken, war im Hintergrund zu sehen, wie er erst „Compton“ ruft und dann verkündet, der erste Milliardär des Hip-Hop zu werden. In Branchenkreisen erzählt man sich, Apple sei nicht erfreut gewesen, sogar die Verhandlungen seien deswegen in Gefahr gewesen.
Aber warum genau wollte Apple ausgerechnet Beats kaufen? Schließlich sind die Kopfhörer der Firma zwar teuer, gelten klanglich aber nur als Mittelmaß. Und der Streamingservice – also ein Dienst, mit dem man Musik aus dem Internet unbegrenzt im Abonnement hören kann – musste erst kürzlich seine Abo-Preise senken. „Wir brauchen Steroide für dieses Ding“, hatte Jimmy Iovine bekannt. In Wirklichkeit, das sagen nun Kritiker, brauche Apple diese Steroide: Eine Firma, deren Hauptverkaufsargument ihr Image sei, kaufe nun eine Firma, deren Hauptverkaufsargument ebenfalls das Image sei. „Wir verstehen nicht, warum Apple diese Firma kaufen muss, anstatt mit seinem Service iTunes Radio dagegen in Konkurrenz zu treten“, sagt zum Beispiel Toni Sacconaghi von Bernstein Research: „Apple hätte doch aufgrund seiner tiefen Taschen ganz klare Vorteile.“
Aber auch die Gegenseite argumentiert mit den gewaltigen Barreserven Apples. Was seien schon drei Milliarden Dollar, wenn Apple auf einem Geldberg von 151 Milliarden Dollar hocke? Apple, so glauben sie, habe vor allem die Dienste der in der Musikbranche bestens vernetzten Iovine und Dre im Auge gehabt. Sie sollten dem bisweilen bieder daherkommenden Unternehmen zu Coolness und Glaubwürdigkeit auf der Straße verhelfen. Beats sei eine überaus beliebte Marke, Promis würden die Kopfhörer auch ohne Werbedeals in der Öffentlichkeit präsentieren, Lady Gaga, LeBron James und Lil Wayne haben gar ihre eigenen Versionen entworfen. Vor allem aber sei der Kauf eine Botschaft an Streaming-Konkurrenten wie Spotify, Deezer oder Rdio. Der Song „Gigantic“ darf deshalb durchaus als Ankündigung verstanden werden, Apple-Chef Cook sagte: „Wir bekommen einen Musik-Abonnementservice, von dem wir glauben, dass es der erste ist, der es richtig macht.“
Was dieses Richtige genau sein soll, dazu gab es von Iovine und Cue am Mittwochabend nur Vages zu hören. Iovine deutete immerhin an, dass Apple da womöglich auch eine innovative Idee gekauft habe: „Wir können darüber noch nicht reden. In der Technikbranche erklärst du jemandem deine Idee – und er stiehlt sie.“
Die steilste, wenn auch ebenso wenig konkrete Aussage stammte von Cue. Bei der ging es jedoch nicht um Beats, sondern um die Produkte, die Apple bald vorstellen wird: „Wir haben die beste Produkt-Pipeline, die ich in meinen 25 Jahren bei Apple gesehen habe.“ Das dürfte natürlich zu neuen Gerüchten führen um ein neues Telefon, um einen Fernseher oder gar um ein Armband, das medizinische Daten der Träger auswertet. Schließlich hat Apple in den vergangenen Monaten renommierte Experten auf diesem Gebiet verpflichtet.
Im Moment aber bleibt es bei den bekannten Fakten: Apple kauft Beats für drei Milliarden Dollar. Andre Romelle Young übrigens war an diesem Abend nicht in Rancho Palos Verdes, er gab bislang auch keinen Kommentar ab. Mehr als ein „Straight Outta Compton“ hätte es aber auch nicht gebraucht.

Drei Milliarden Dollar für eine Kopfhörer-Marke – Apple-Chef Tim Cook geht es aber wohl eher um den Streaming-Dienst von Beats.
Am Mittwochabend wurde auf der Medienkonferenz Recode in Rancho Palos Verdes – dieser wunderbaren Klippenstadt mit Pazifikblick für all jene Reichen und Schönen, die so reich und schön sind, dass sie nicht mehr in Malibu oder den Hollywood Hills wohnen müssen – ausgiebig über den Mann aus Compton debattiert. Zunächst einmal erklärte Apple-Chef Tim Cook, warum er dessen Firmen Beats Music und Beats Electronics für insgesamt drei Milliarden Dollar kaufen möchte, später saßen Beats-Mitgründer Jimmy Iovine und Apple-Vizepräsident Eddy Cue auf der Bühne. Iovine trug blaue Sneakers zu schwarzem Sakko, Cues weinrotes Hemd war beinahe bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Natürlich wurde beim Auftritt der beiden das Lied „Gigantic” aus den aktuellen Apple-Werbespots gespielt.
„Die Beziehung begann bereits vor einem Jahrzehnt“, sagte Cook am Nachmittag: „Wir sind ein paar Mal ausgegangen, dann wurde es ernster, und nun haben wir geheiratet.“ Dr. Dre und Jimmy Iovine besäßen überaus seltene Talente: „Es ist, als würde man an einem Strand zwei ganz bestimmte Sandkörner finden.“ Auch Iovine sülzte später am Abend wie ein PR-Manager: „Als wir das Unternehmen gegründet haben, ließen wir uns von Apples unerreichter Fähigkeit inspirieren, Technik mit Kultur zu verheiraten. In meinem Herzen habe ich immer gewusst, dass Beats zu Apple gehört.“ Die beiden auf der Bühne erweckten geradezu den Eindruck, als hätten sie sich eben frisch ineinander verliebt.
Den schwülstigen Worten folgten trockene Zahlen, die es aber in sich haben: Apple bezahlt satte 2,6 Milliarden Dollar in bar, dazu gibt es über einen nicht näher genannten Zeitraum noch einmal Apple-Aktien im Wert von 400 Millionen Dollar. Es ist die teuerste Übernahme in der Geschichte von Apple. Bis Ende September soll sie abgeschlossen sein, „Beats“ eine eigene Marke bleiben. Entgegen der bisherigen Unternehmenspolitik wird sie also nicht integriert oder mit einem Apple-Präfix versehen. Iovine und Dr. Dre, die zusammen etwa 70Prozent an Beats halten, dürften jeweils etwa knapp eine Milliarde Dollar erhalten. Sie werden künftig als Vollzeitangestellte für Apple arbeiten. Was genau sie machen werden, verrieten sie nicht. Iovine antwortete auf die Frage, welchen Titel die beiden tragen werden: „Jimmy und Dre.“
Gerüchte über den Verkauf hatte es bereits vor drei Wochen gegeben, für Aufregung hatte auch ein Video gesorgt, das im Zuge der Verhandlungen an die Öffentlichkeit gelangt war. Darin prahlt Dres Freund Tyrese Gibson, das Magazin Forbes müsse nun schnell seine Reichenliste ändern. Dre, laut Gibson betrunken, war im Hintergrund zu sehen, wie er erst „Compton“ ruft und dann verkündet, der erste Milliardär des Hip-Hop zu werden. In Branchenkreisen erzählt man sich, Apple sei nicht erfreut gewesen, sogar die Verhandlungen seien deswegen in Gefahr gewesen.
Aber warum genau wollte Apple ausgerechnet Beats kaufen? Schließlich sind die Kopfhörer der Firma zwar teuer, gelten klanglich aber nur als Mittelmaß. Und der Streamingservice – also ein Dienst, mit dem man Musik aus dem Internet unbegrenzt im Abonnement hören kann – musste erst kürzlich seine Abo-Preise senken. „Wir brauchen Steroide für dieses Ding“, hatte Jimmy Iovine bekannt. In Wirklichkeit, das sagen nun Kritiker, brauche Apple diese Steroide: Eine Firma, deren Hauptverkaufsargument ihr Image sei, kaufe nun eine Firma, deren Hauptverkaufsargument ebenfalls das Image sei. „Wir verstehen nicht, warum Apple diese Firma kaufen muss, anstatt mit seinem Service iTunes Radio dagegen in Konkurrenz zu treten“, sagt zum Beispiel Toni Sacconaghi von Bernstein Research: „Apple hätte doch aufgrund seiner tiefen Taschen ganz klare Vorteile.“
Aber auch die Gegenseite argumentiert mit den gewaltigen Barreserven Apples. Was seien schon drei Milliarden Dollar, wenn Apple auf einem Geldberg von 151 Milliarden Dollar hocke? Apple, so glauben sie, habe vor allem die Dienste der in der Musikbranche bestens vernetzten Iovine und Dre im Auge gehabt. Sie sollten dem bisweilen bieder daherkommenden Unternehmen zu Coolness und Glaubwürdigkeit auf der Straße verhelfen. Beats sei eine überaus beliebte Marke, Promis würden die Kopfhörer auch ohne Werbedeals in der Öffentlichkeit präsentieren, Lady Gaga, LeBron James und Lil Wayne haben gar ihre eigenen Versionen entworfen. Vor allem aber sei der Kauf eine Botschaft an Streaming-Konkurrenten wie Spotify, Deezer oder Rdio. Der Song „Gigantic“ darf deshalb durchaus als Ankündigung verstanden werden, Apple-Chef Cook sagte: „Wir bekommen einen Musik-Abonnementservice, von dem wir glauben, dass es der erste ist, der es richtig macht.“
Was dieses Richtige genau sein soll, dazu gab es von Iovine und Cue am Mittwochabend nur Vages zu hören. Iovine deutete immerhin an, dass Apple da womöglich auch eine innovative Idee gekauft habe: „Wir können darüber noch nicht reden. In der Technikbranche erklärst du jemandem deine Idee – und er stiehlt sie.“
Die steilste, wenn auch ebenso wenig konkrete Aussage stammte von Cue. Bei der ging es jedoch nicht um Beats, sondern um die Produkte, die Apple bald vorstellen wird: „Wir haben die beste Produkt-Pipeline, die ich in meinen 25 Jahren bei Apple gesehen habe.“ Das dürfte natürlich zu neuen Gerüchten führen um ein neues Telefon, um einen Fernseher oder gar um ein Armband, das medizinische Daten der Träger auswertet. Schließlich hat Apple in den vergangenen Monaten renommierte Experten auf diesem Gebiet verpflichtet.
Im Moment aber bleibt es bei den bekannten Fakten: Apple kauft Beats für drei Milliarden Dollar. Andre Romelle Young übrigens war an diesem Abend nicht in Rancho Palos Verdes, er gab bislang auch keinen Kommentar ab. Mehr als ein „Straight Outta Compton“ hätte es aber auch nicht gebraucht.