Der Frust ist groß bei Ana, bei Luis und Pablo. Zehn Wochen lang sind sie täglich zum Goethe-Institut in Madrid gekommen und haben intensiv Deutsch gepaukt. Eigentlich sollten sie jetzt schon ihre Praktikantenstellen bei Hannover angetreten haben. Und dann, wenn alles gut läuft, nach drei Monaten einen Ausbildungsvertrag bekommen. Vermittelt hatte dabei der Rotary-Club des Madrider Stadtteils Serrano, der traditionell über gute Beziehungen nach Deutschland verfügt. Den Frust und Ärger hervorgerufen hat eine Mitteilung der ZAV, der in Bonn angesiedelten Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, Anfang April verkündete sie nämlich auf ihrer Webseite, dass das Programm MobiPro-EU vorläufig gestoppt sei.
Vor einem Jahr nahm das Programm MobiPro-EU Fahrt auf – die ehemalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen warb damals in Madrid. Heute ist es erstmal auf Eis gelegt.
Unter dem großspurigen Motto „The Job of my life“ sollen über MobiPro junge Süd- und Osteuropäer in die Bundesrepublik gelockt werden, wo in der Hotelbranche, in der Gastronomie sowie der Altenpflege Fachkräfte fehlen. Eine klassische Win-Win-Situation, so lobte man sich im Bundesarbeitsministerium, welches das Programm Anfang 2013 gestartet hatte: Die Krisenländern am Mittelmeer, aber auch einige der osteuropäischen EU-Staaten leiden unter einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, in Spanien etwa findet jeder zweite Arbeitssuchende unter 25 Jahren keine Stelle.
Die jungen Menschen bekämen also eine Ausbildung, lernten außerdem dabei Deutsch, und in der Bundesrepublik wiederum würde der Fachkräftemangel etwas gemildert. Das Programm sieht vor, dass das Ministerium die Sprachkurse und die Reisekosten finanziert; überdies kann die Vergütung auf bis zu 818 Euro aufgestockt werden. Die Auswahl und Betreuung der jungen Leute übernahm eine Vielzahl von Organisationen, von Handwerkskammern und kommunalen Einrichtungen über das Kolpingwerk und andere Sozialträger bis zu privaten Agenturen.
Doch lief das Programm zäh an. Dies änderte sich indes vor genau einem Jahr, als die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen in Madrid dafür warb: 5000 jungen Leuten wolle man diese kombinierte Ausbildung aus Praxis und Berufsschule ermöglichen. Damals stand das Thema Jugendarbeitslosigkeit im Fokus der Politik: Jeder zweite junge Spanier arbeitslos – eine schockierende Nachricht. Zwar stimmt dies so nicht, denn die Zahl betrifft nur die aktiv Arbeitssuchenden, und das sind zwischen dem 16. und dem 25. Lebensjahr nur rund 15 Prozent eines Jahrganges. Aber Berlin hatte das Thema entdeckt, wohl auch, weil man dort die Bundeskanzlerin Angela Merkel als unerbittliche Spardompteuse bei den Südeuropäern an den Pranger gestellt sah. Doch für Spanien stimmte auch dies nicht, Attacken auf sie waren in den Debatten über die spanische Krise Einzelfälle.
Jedenfalls fand im Mai 2013 der Madrider Auftritt Ursula von der Leyens ein großes Echo. Längst war die Wutwelle unter den jungen Spaniern, die sie noch zwei Jahre zuvor zu Zehntausenden auf die Straße geführt hatte, abgeebbt. Stattdessen bestimmte der Kampf um aussichtsreiche Ausbildungs- und Arbeitsplätze das allgemeine Klima. So gingen in der zweiten Jahreshälfte 2013 immer mehr Anträge für MobiPro bei der ZAV ein. Dabei zeigte sich ein unerwünschter Nebeneffekt: Es trat auch eine Handvoll privater Vermittler auf den Plan, die ein Geschäft witterten. Aufsehen erregte der Fall von 128 jungen Spaniern, die aufgrund der Versprechungen einer privaten Agentur auf eigene Kosten nach Erfurt gekommen waren, dort in einem ehemaligen SED-Schulungsheim mit Vielbettzimmern und heruntergekommenen sanitären Anlagen untergebracht wurden, aber weder Jobs, noch Geld bekamen. Die ZAV erfuhr erst von diesen jungen Spaniern, die zuvor an die private Firma eine erkleckliche Vermittlungsgebühr hatten zahlen müssen, als die Medien darüber berichteten. Ein Großteil von ihnen konnte dann doch noch in Förderprogramme aufgenommen werden. Aus anderen Orten kamen Berichte, dass Vermittlungsagenturen sich einen Teil der ZAV-Gelder von den jungen Ausländern abtreten ließen oder dass Betriebe diese als billige Arbeitskräfte ausbeuteten.
Trotz solcher Geschichten, die indes Einzelfälle blieben, bewarben sich weiter Tausende junger Leute aus Süd- und Osteuropa für MobiPro. Zur Jahreswende 2013/14 war es schon eine so große Menge, dass sich die Akten bei den Sachbearbeitern stapelten. Insgesamt war die Zahl der Teilnehmer nun auf 9000 gestiegen, mehr als die Hälfte davon aus Spanien. Im Februar 2014 wies die ZAV auf ihrer Webseite darauf hin, dass wegen der großen Nachfrage neu eingehende Anträge „vorläufig zurückgestellt“ würden.
Doch schon Wochen vorher wäre der Moment gewesen, dass das Ministerium entweder einige Millionen Euro nachschießt oder den Medien in den Heimatländern der Bewerber mitteilt, dass das Programm vorläufig an sein Ende gelangt sei. Doch nichts davon geschah. Auch viele Vermittlerorganisationen erfuhren nach eigenem Bekunden nichts davon. Der Grund für diese Kommunikationspanne lag im Wechsel an der Spitze des Ministeriums. Die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles ging zwar mit Schwung an ein neues Rentenpaket heran, für das sie mittlerweile auch Kritik erntet. Ihre Mitarbeiter erkannten aber erst sehr spät die Brisanz der Zahlen aus der ZAV.
So kam es zu dem abrupten Stopp am 8. April, der haushaltsrechtlich zwar unumgänglich war, aber bei den Betroffenen für große Aufregung sorgte. Eilig verschickte die ZAV nämlich 4000 Briefe, in denen die Bewerber in Bürokratensprache informiert wurden, dass ihre Anträge „ruhend gestellt“ worden seien. Betroffen waren auch Hunderte Interessierte, die bereits den Deutschkurs begonnen hatten, andere waren schon nach Deutschland gereist.
Bislang hatte MobiPro als große Erfolgsgeschichte gegolten, Kanzlerin Merkel hatte sogar eine Gruppe von Teilnehmern im Kanzleramt empfangen. Doch der plötzliche Stopp fügte diesem Bild ein paar Kratzer zu. So musste etwa das Kolping-Bildungswerk in Paderborn, dessen Geschäftsführer Wolfgang Gelhard über „verspieltes Vertrauen“ klagt, 41 Spaniern und 16 Griechen die traurige Mitteilung machen, dass für sie MobiPro zu Ende sei, bevor es überhaupt richtig angefangen habe. Auch sahen sich die jungen Leute, derer sich der Rotary-Club in Madrid angenommen hat, um ihre Hoffnungen betrogen. Auch von anderen Trägern gingen Beschwerden und Klagen in Bonn ein. Im Ministerium von Andrea Nahles aber gab man sich zunächst unerbittlich. Erst als die internationalen Medien von dieser „deutschen Imagepleite“ berichteten, kam Bewegung in die Causa MobiPro. Überdies hatte sich die Opposition im Bundestag des Themas angenommen, angeführt von der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer.
Schnell wurden 21 Millionen Euro nachgeschossen, das Ministerium garantierte, dass die Antragsteller, die alle Dokumente rechtzeitig eingereicht hätten und den Anforderungen entsprächen, doch noch in den Genuss des Programms kämen. Auch soll es bis 2018 fortgesetzt werden. In der Gesamtbilanz ist es nun durchaus eine Erfolgsgeschichte, und so wird es zweifellos auch von den Teilnehmern gesehen. Im Madrider Goethe-Institut springt nur etwa jeder Zehnte bei den Sprachkursen ab, wie Manfred Ewel, der Leiter des Sprachenprogramms, ermittelt hat. Ähnlich niedrig ist die Abbrecherquote in den deutschen Betrieben.
Nach den bisherigen Plänen soll MobiPro in Zukunft aber auf 2000 neue Teilnehmer pro Jahr begrenzt sein. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, befindet die Grünen-Abgeordnete Pothmer. Die Grünen fordern, das Programm im bisherigen Umfang fortzusetzen, doch in der Regierungskoalition winkt man ab: Dies würde insgesamt bis zu einer Milliarde Euro kosten, und dieses Geld habe man nicht. Für das laufende Jahr aber können sich die 41 Spanier und 16 Griechen in Paderborn ebenso wie die jungen Madrider Ana, Luis und Pablo nun Hoffnungen machen, dass sie doch noch ihr Praktikum in Deutschland antreten können.
Vor einem Jahr nahm das Programm MobiPro-EU Fahrt auf – die ehemalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen warb damals in Madrid. Heute ist es erstmal auf Eis gelegt.
Unter dem großspurigen Motto „The Job of my life“ sollen über MobiPro junge Süd- und Osteuropäer in die Bundesrepublik gelockt werden, wo in der Hotelbranche, in der Gastronomie sowie der Altenpflege Fachkräfte fehlen. Eine klassische Win-Win-Situation, so lobte man sich im Bundesarbeitsministerium, welches das Programm Anfang 2013 gestartet hatte: Die Krisenländern am Mittelmeer, aber auch einige der osteuropäischen EU-Staaten leiden unter einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, in Spanien etwa findet jeder zweite Arbeitssuchende unter 25 Jahren keine Stelle.
Die jungen Menschen bekämen also eine Ausbildung, lernten außerdem dabei Deutsch, und in der Bundesrepublik wiederum würde der Fachkräftemangel etwas gemildert. Das Programm sieht vor, dass das Ministerium die Sprachkurse und die Reisekosten finanziert; überdies kann die Vergütung auf bis zu 818 Euro aufgestockt werden. Die Auswahl und Betreuung der jungen Leute übernahm eine Vielzahl von Organisationen, von Handwerkskammern und kommunalen Einrichtungen über das Kolpingwerk und andere Sozialträger bis zu privaten Agenturen.
Doch lief das Programm zäh an. Dies änderte sich indes vor genau einem Jahr, als die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen in Madrid dafür warb: 5000 jungen Leuten wolle man diese kombinierte Ausbildung aus Praxis und Berufsschule ermöglichen. Damals stand das Thema Jugendarbeitslosigkeit im Fokus der Politik: Jeder zweite junge Spanier arbeitslos – eine schockierende Nachricht. Zwar stimmt dies so nicht, denn die Zahl betrifft nur die aktiv Arbeitssuchenden, und das sind zwischen dem 16. und dem 25. Lebensjahr nur rund 15 Prozent eines Jahrganges. Aber Berlin hatte das Thema entdeckt, wohl auch, weil man dort die Bundeskanzlerin Angela Merkel als unerbittliche Spardompteuse bei den Südeuropäern an den Pranger gestellt sah. Doch für Spanien stimmte auch dies nicht, Attacken auf sie waren in den Debatten über die spanische Krise Einzelfälle.
Jedenfalls fand im Mai 2013 der Madrider Auftritt Ursula von der Leyens ein großes Echo. Längst war die Wutwelle unter den jungen Spaniern, die sie noch zwei Jahre zuvor zu Zehntausenden auf die Straße geführt hatte, abgeebbt. Stattdessen bestimmte der Kampf um aussichtsreiche Ausbildungs- und Arbeitsplätze das allgemeine Klima. So gingen in der zweiten Jahreshälfte 2013 immer mehr Anträge für MobiPro bei der ZAV ein. Dabei zeigte sich ein unerwünschter Nebeneffekt: Es trat auch eine Handvoll privater Vermittler auf den Plan, die ein Geschäft witterten. Aufsehen erregte der Fall von 128 jungen Spaniern, die aufgrund der Versprechungen einer privaten Agentur auf eigene Kosten nach Erfurt gekommen waren, dort in einem ehemaligen SED-Schulungsheim mit Vielbettzimmern und heruntergekommenen sanitären Anlagen untergebracht wurden, aber weder Jobs, noch Geld bekamen. Die ZAV erfuhr erst von diesen jungen Spaniern, die zuvor an die private Firma eine erkleckliche Vermittlungsgebühr hatten zahlen müssen, als die Medien darüber berichteten. Ein Großteil von ihnen konnte dann doch noch in Förderprogramme aufgenommen werden. Aus anderen Orten kamen Berichte, dass Vermittlungsagenturen sich einen Teil der ZAV-Gelder von den jungen Ausländern abtreten ließen oder dass Betriebe diese als billige Arbeitskräfte ausbeuteten.
Trotz solcher Geschichten, die indes Einzelfälle blieben, bewarben sich weiter Tausende junger Leute aus Süd- und Osteuropa für MobiPro. Zur Jahreswende 2013/14 war es schon eine so große Menge, dass sich die Akten bei den Sachbearbeitern stapelten. Insgesamt war die Zahl der Teilnehmer nun auf 9000 gestiegen, mehr als die Hälfte davon aus Spanien. Im Februar 2014 wies die ZAV auf ihrer Webseite darauf hin, dass wegen der großen Nachfrage neu eingehende Anträge „vorläufig zurückgestellt“ würden.
Doch schon Wochen vorher wäre der Moment gewesen, dass das Ministerium entweder einige Millionen Euro nachschießt oder den Medien in den Heimatländern der Bewerber mitteilt, dass das Programm vorläufig an sein Ende gelangt sei. Doch nichts davon geschah. Auch viele Vermittlerorganisationen erfuhren nach eigenem Bekunden nichts davon. Der Grund für diese Kommunikationspanne lag im Wechsel an der Spitze des Ministeriums. Die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles ging zwar mit Schwung an ein neues Rentenpaket heran, für das sie mittlerweile auch Kritik erntet. Ihre Mitarbeiter erkannten aber erst sehr spät die Brisanz der Zahlen aus der ZAV.
So kam es zu dem abrupten Stopp am 8. April, der haushaltsrechtlich zwar unumgänglich war, aber bei den Betroffenen für große Aufregung sorgte. Eilig verschickte die ZAV nämlich 4000 Briefe, in denen die Bewerber in Bürokratensprache informiert wurden, dass ihre Anträge „ruhend gestellt“ worden seien. Betroffen waren auch Hunderte Interessierte, die bereits den Deutschkurs begonnen hatten, andere waren schon nach Deutschland gereist.
Bislang hatte MobiPro als große Erfolgsgeschichte gegolten, Kanzlerin Merkel hatte sogar eine Gruppe von Teilnehmern im Kanzleramt empfangen. Doch der plötzliche Stopp fügte diesem Bild ein paar Kratzer zu. So musste etwa das Kolping-Bildungswerk in Paderborn, dessen Geschäftsführer Wolfgang Gelhard über „verspieltes Vertrauen“ klagt, 41 Spaniern und 16 Griechen die traurige Mitteilung machen, dass für sie MobiPro zu Ende sei, bevor es überhaupt richtig angefangen habe. Auch sahen sich die jungen Leute, derer sich der Rotary-Club in Madrid angenommen hat, um ihre Hoffnungen betrogen. Auch von anderen Trägern gingen Beschwerden und Klagen in Bonn ein. Im Ministerium von Andrea Nahles aber gab man sich zunächst unerbittlich. Erst als die internationalen Medien von dieser „deutschen Imagepleite“ berichteten, kam Bewegung in die Causa MobiPro. Überdies hatte sich die Opposition im Bundestag des Themas angenommen, angeführt von der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer.
Schnell wurden 21 Millionen Euro nachgeschossen, das Ministerium garantierte, dass die Antragsteller, die alle Dokumente rechtzeitig eingereicht hätten und den Anforderungen entsprächen, doch noch in den Genuss des Programms kämen. Auch soll es bis 2018 fortgesetzt werden. In der Gesamtbilanz ist es nun durchaus eine Erfolgsgeschichte, und so wird es zweifellos auch von den Teilnehmern gesehen. Im Madrider Goethe-Institut springt nur etwa jeder Zehnte bei den Sprachkursen ab, wie Manfred Ewel, der Leiter des Sprachenprogramms, ermittelt hat. Ähnlich niedrig ist die Abbrecherquote in den deutschen Betrieben.
Nach den bisherigen Plänen soll MobiPro in Zukunft aber auf 2000 neue Teilnehmer pro Jahr begrenzt sein. „Ein Tropfen auf den heißen Stein“, befindet die Grünen-Abgeordnete Pothmer. Die Grünen fordern, das Programm im bisherigen Umfang fortzusetzen, doch in der Regierungskoalition winkt man ab: Dies würde insgesamt bis zu einer Milliarde Euro kosten, und dieses Geld habe man nicht. Für das laufende Jahr aber können sich die 41 Spanier und 16 Griechen in Paderborn ebenso wie die jungen Madrider Ana, Luis und Pablo nun Hoffnungen machen, dass sie doch noch ihr Praktikum in Deutschland antreten können.