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Gewalt zum Gezi-Gedenktag

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Ein Jahr nach den Gezi-Protesten wollten Demonstranten der Türkei „neue Tote, neue Schmerzen“ hinzufügen, hatte Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan vor dem Wochenende gewarnt. Neue Tote gab es am Samstagabend dann nicht, aber die erwarteten Straßenschlachten mit der Polizei in Istanbul und Ankara. Am 31.Mai 2013 hatten starke Polizeikräfte den kleinen Gezi-Park in Istanbul geräumt, in dem anfangs nur eine Handvoll Umweltschützer gegen die Abholzung der Bäume protestiert hatte. Nach dem heftigen Einschreiten der Sicherheitskräfte entstand aus dem Protest in dem Park – der einem Einkaufszentrum weichen sollte – eine landesweite Welle von Anti-Regierungsdemonstrationen, an denen sich Hunderttausende, wenn nicht Millionen Türken beteiligten. An den Aufstand von Gezi wollten die Organisatoren von damals, vor allem die Taksim-Plattform, jetzt erinnern.



Proteste zum Jahrestag: Gegen die Demonstranten rund um den Gezi-Park gingen rund 25000 Polizisten mit Tränengas und Wasserwerfern vor. 

Die Polizei war am Samstag in Istanbul mit einem massiven Aufgebot präsent. Nach türkischen Medienberichten waren etwa 25 000 Beamte und 50 Wasserwerfer im Einsatz. Erdoğan hatte hartes Durchgreifen gegen alle angekündigt, die versuchen sollten, den Taksim-Platz zu erreichen. In einer Rede vor etwa eintausend Jugendlichen in Istanbul hatte der Regierungschef seine Landsleute aufgefordert, nicht an den neuerlichen Protesten teilzunehmen. Er sprach von „Terrororganisationen“, die die „moralisch und finanziell schwache Jugend“ der Türkei manipuliert hätten, um die Einheit und die Wirtschaft des Landes in Gefahr zu bringen.

Die Stadt sperrte U-Bahnhöfe und ließ Schiffverbindungen ausfallen, um Demonstranten gar nicht erst bis zum Zentrum gelangen zu lassen. Trotzdem kam es zu schweren Zusammenstößen. Die Zeitung Hürriyet Daily News veröffentlichte online „Zehn Horror-Szenen am Gezi- Jahrestag“. Nummer drei ist ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Polizisten anscheinend wie von Sinnen auf einen Demonstranten einprügeln. Der Korrespondent von CNN International, Ivan Watson, und sein Team wurden inmitten einer Live-Übertragung am Rand des Taksim-Platzes von der Polizei vorübergehend festgesetzt. Auch Journalisten, die ihre Pressekarten der Polizei präsentierten, wurden nicht in die zentrale Fußgänger- und Einkaufszone der İstiklal-Straße durchgelassen.

Touristen gerieten ebenfalls zwischen die Fronten und versuchten, sich vor den Tränengasschwaden zu schützen. Bilder im Internet zeigen auch einen einsamen Querflötenspieler auf der Galata-Brücke, der versuchte, mit seinem Spiel Ruhe ins Geschehen zu bringen. Nachdem er sein Stück beendet hatte, verschwand er.

Hürriyet berichtete von einer Reihe von Verletzten, unter ihnen mehrere Beamte. Nach Polizeiangaben gab es 120 Festnahmen. Videos zeigen, wie Menschen, unter ihnen ein Abgeordneter der Oppositionspartei CHP, versuchen, einen Wasserwerfer mit den Händen zu stoppen. Die Zahl der Demonstranten blieb aber hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück. Dafür suchten auch kleine, gewaltbereite Gruppen nun die Auseinandersetzung mit der Polizei. Molotow-Cocktails gehörten zum Repertoire. Anwohner reagierten entsetzt, als mitten in Wohnvierteln Barrikaden in Flammen aufgingen. Viele, die sich nicht auf die Straßen wagten, begleiteten den Erinnerungs-Protest mit lautstarkem Töpfeschlagen – wie schon während der Gezi-Tage und in den Wochen danach.

Am Sonntag waren der Taksim-Platz und der Gezi-Park wieder geöffnet. Die Demonstranten haben vor einem Jahr zumindest dazu beigetragen, dass der Park vorerst nicht bebaut wird. Entsprechende Gerichtsurteile haben dies mittlerweile unterstrichen. Endgültig geklärt ist das Schicksal des Parks aber immer noch nicht.

Es gibt noch mehrere hundert Anklagen gegen die damaligen Park-Besetzer und Demonstranten. Zahlreiche Prozesse haben erst jüngst begonnen. Besondere Empörung haben die Forderungen eines Staatsanwalts in Antalya erregt, der für eine 20-Jährige zwischen 24 und 98 Jahren Haft verlangt, „wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“. Die rote Farbe des Schals des Mädchens wurde dabei als Beweis für ihre angebliche radikale Gesinnung gedeutet.

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