Seoul – Das linke Bein im Gips, den Arm in einer Schlinge, um den Kopf einen Verband: Die junge Frau vor dem Rathaus von Seoul krümmt sich vor Schmerzen. Spricht man die Pantomimin an, deutet sie auf ihren Mundschutz: Sie dürfe nicht reden. Ihre Freundinnen sammeln Unterschriften gegen die „Inkompetenz und Korruption der Regierung“ von Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye. Fünf Millionen Unterstützer hat die Bürgerinitiative schon, zehn Millionen sind ihr Ziel.
Auf einer Demonstration im Mai fordern Studenten den Rücktritt der Präsidentin.
Die Wut der Koreaner über den Untergang der „Sewol“ hat nicht nachgelassen, ihre Trauer auch nicht. 16 Opfer sind noch nicht geborgen; vorige Woche ist ein zweiter Taucher im Wrack umgekommen. Auf dem Rasen vor dem Rathaus liegen tausende gelber Papierschiffchen, symbolische Rettungsboote. Auf Millionen gelber Schleifen, die an Bäumen und Stangen hängen, haben Menschen ihr Mitgefühl notiert. Und überall Blumen. Ein großes Polizeiaufgebot bewacht den Platz. Das erinnere sie an die Diktatur, meint eine ältere Koreanerin. Eine Studentin behauptet, Angehörige umgekommener Mittelschüler würden überwacht.
In dieser gespannten Atmosphäre hat Südkorea am Mittwoch seine Stadt- und Provinzparlamente neu gewählt, dazu die Bürgermeister und Gouverneure. Die Wahlbeteiligung betrug 57 Prozent, so hoch war sie bei Lokalwahlen seit 1995 nicht mehr. Die Medien hatten die Wahlen zum Misstrauensvotum über Präsidentin Park erklärt. Die Staatschefin hatte sechs Anläufe und mehr als einen Monat gebraucht, um sich explizit für die Versäumnisse des Staates zu entschuldigen, die das Unglück möglich gemacht hatten. Die Tränen, die der sonst kalten Staatschefin dabei kamen, nahm man ihr nicht ab. „Krokodilstränen“, kommentierten sogar staatstreue Medien.
Südkorea ist ein gespaltenes Land. Die meisten Jungen wählen die Demokraten, die derzeit in der Opposition sind, die Älteren Parks konservative Saenuri-Partei. Der Südwesten ist fest in demokratischen, der Südosten in konservativen Händen. Im Kommunalwahlkampf beschworen beide Seiten die Wähler, wie bisher könne es nicht weitergehen. Die Demokraten hofften, Park mit einer Klatsche zu schwächen. Die Konservativen baten die Wähler um ein Mandat für Parks begonnene „Erneuerung“ – die sie allerdings nicht näher definierten. Park hat bisher kein Wahlversprechen eingelöst, etwa die „Demokratisierung der Wirtschaft“. Nach ersten Analysen der Wahlbeteiligung hat die Fährkatastrophe auch jüngere Leute von der Politik abgestoßen.
Die „Sewol“ war nach einem Umbau nicht mehr seetauglich. Zudem führte sie das Dreifache der zugelassenen Fracht mit, und die Mannschaft war schlecht ausgebildet. Die Behörden wussten das, drückten aber beide Augen zu. Der Reeder, der einst eng mit der Militärdiktatur verbandelt war, ist flüchtig. Wenige Tage vor den Wahlen mobilisierte Park 50000 Polizisten, um ihn zu finden. Sie löste die Küstenwache auf, entließ ihren Premier und den Spionagechef. So versuchte sie, eine Schlappe abzuwenden. Ihre Saenuri-Partei rief vor allem die älteren Wähler auf, „Korea nicht aufzugeben“, sondern an die Urne zu gehen, um Park zu helfen.
Nach Hochrechnungen am Mittwochabend dürfte Saenuri fünf der wichtigsten Bürgermeister- und Gouverneursposten halten, die Demokraten fünf gewinnen, unter anderem die Hauptstadt Seoul. Sieben Rennen fielen für die Hochrechner zu knapp aus. Damit zeichnet sich kein klarer Sieger ab. Das Image des Milliardärs Ahn Cheol Soo, eines Mediziners und Internetunternehmers, der noch vor zwei Jahren als Lichtgestalt der Jungen gefeiert wurde, ist verblasst. Seit er seine Wahlorganisation mit den Demokraten zur „Neuen politischen Allianz für Demokratie“ (NPAD) fusioniert hat, wirkt er wie ein gewöhnlicher Politiker.
Südkorea ist nicht nur in Generationen und Regionen gespalten, sondern auch in ein neues und ein altes Korea. Das alte Korea von Park Chung Hee, dem Vater der Präsidentin, war rau und korrupt. Es erzwang das Wachstum mit dem Brecheisen, dabei kam es zu vielen Pannen und Unfällen. Das war der Preis des Fortschritt. Das neue Korea ist jung, sanfter und urban. Es hat keine Erinnerung an die Diktatur und vergleicht sich mit den Demokratien des Westens. Die Danwon-Mittelschule in Ansan, aus der meisten Opfer der Fährkatastrophe stammten, ist Teil dieses neuen Koreas. Sie liegt in der Provinz Gyeonggi außerhalb von Seoul in einem grünen Wohnviertel und wurde erst vor neun Jahren eröffnet. Auch hier hängen tausende gelber Schleifen. Doch nach den Hochrechnungen hat hier der Vertreter von Saenuri, des alten Korea, die Wahl zum Gouverneur gewonnen.
Auf einer Demonstration im Mai fordern Studenten den Rücktritt der Präsidentin.
Die Wut der Koreaner über den Untergang der „Sewol“ hat nicht nachgelassen, ihre Trauer auch nicht. 16 Opfer sind noch nicht geborgen; vorige Woche ist ein zweiter Taucher im Wrack umgekommen. Auf dem Rasen vor dem Rathaus liegen tausende gelber Papierschiffchen, symbolische Rettungsboote. Auf Millionen gelber Schleifen, die an Bäumen und Stangen hängen, haben Menschen ihr Mitgefühl notiert. Und überall Blumen. Ein großes Polizeiaufgebot bewacht den Platz. Das erinnere sie an die Diktatur, meint eine ältere Koreanerin. Eine Studentin behauptet, Angehörige umgekommener Mittelschüler würden überwacht.
In dieser gespannten Atmosphäre hat Südkorea am Mittwoch seine Stadt- und Provinzparlamente neu gewählt, dazu die Bürgermeister und Gouverneure. Die Wahlbeteiligung betrug 57 Prozent, so hoch war sie bei Lokalwahlen seit 1995 nicht mehr. Die Medien hatten die Wahlen zum Misstrauensvotum über Präsidentin Park erklärt. Die Staatschefin hatte sechs Anläufe und mehr als einen Monat gebraucht, um sich explizit für die Versäumnisse des Staates zu entschuldigen, die das Unglück möglich gemacht hatten. Die Tränen, die der sonst kalten Staatschefin dabei kamen, nahm man ihr nicht ab. „Krokodilstränen“, kommentierten sogar staatstreue Medien.
Südkorea ist ein gespaltenes Land. Die meisten Jungen wählen die Demokraten, die derzeit in der Opposition sind, die Älteren Parks konservative Saenuri-Partei. Der Südwesten ist fest in demokratischen, der Südosten in konservativen Händen. Im Kommunalwahlkampf beschworen beide Seiten die Wähler, wie bisher könne es nicht weitergehen. Die Demokraten hofften, Park mit einer Klatsche zu schwächen. Die Konservativen baten die Wähler um ein Mandat für Parks begonnene „Erneuerung“ – die sie allerdings nicht näher definierten. Park hat bisher kein Wahlversprechen eingelöst, etwa die „Demokratisierung der Wirtschaft“. Nach ersten Analysen der Wahlbeteiligung hat die Fährkatastrophe auch jüngere Leute von der Politik abgestoßen.
Die „Sewol“ war nach einem Umbau nicht mehr seetauglich. Zudem führte sie das Dreifache der zugelassenen Fracht mit, und die Mannschaft war schlecht ausgebildet. Die Behörden wussten das, drückten aber beide Augen zu. Der Reeder, der einst eng mit der Militärdiktatur verbandelt war, ist flüchtig. Wenige Tage vor den Wahlen mobilisierte Park 50000 Polizisten, um ihn zu finden. Sie löste die Küstenwache auf, entließ ihren Premier und den Spionagechef. So versuchte sie, eine Schlappe abzuwenden. Ihre Saenuri-Partei rief vor allem die älteren Wähler auf, „Korea nicht aufzugeben“, sondern an die Urne zu gehen, um Park zu helfen.
Nach Hochrechnungen am Mittwochabend dürfte Saenuri fünf der wichtigsten Bürgermeister- und Gouverneursposten halten, die Demokraten fünf gewinnen, unter anderem die Hauptstadt Seoul. Sieben Rennen fielen für die Hochrechner zu knapp aus. Damit zeichnet sich kein klarer Sieger ab. Das Image des Milliardärs Ahn Cheol Soo, eines Mediziners und Internetunternehmers, der noch vor zwei Jahren als Lichtgestalt der Jungen gefeiert wurde, ist verblasst. Seit er seine Wahlorganisation mit den Demokraten zur „Neuen politischen Allianz für Demokratie“ (NPAD) fusioniert hat, wirkt er wie ein gewöhnlicher Politiker.
Südkorea ist nicht nur in Generationen und Regionen gespalten, sondern auch in ein neues und ein altes Korea. Das alte Korea von Park Chung Hee, dem Vater der Präsidentin, war rau und korrupt. Es erzwang das Wachstum mit dem Brecheisen, dabei kam es zu vielen Pannen und Unfällen. Das war der Preis des Fortschritt. Das neue Korea ist jung, sanfter und urban. Es hat keine Erinnerung an die Diktatur und vergleicht sich mit den Demokratien des Westens. Die Danwon-Mittelschule in Ansan, aus der meisten Opfer der Fährkatastrophe stammten, ist Teil dieses neuen Koreas. Sie liegt in der Provinz Gyeonggi außerhalb von Seoul in einem grünen Wohnviertel und wurde erst vor neun Jahren eröffnet. Auch hier hängen tausende gelber Schleifen. Doch nach den Hochrechnungen hat hier der Vertreter von Saenuri, des alten Korea, die Wahl zum Gouverneur gewonnen.