Madrid – Mehr als zwei Dutzend Immobilienbüros haben in den vergangenen Monaten in Madrid eröffnet. Auch in anderen spanischen Großstädten zeichnet sich eine deutliche Belebung in der Branche ab. Kein Zweifel: Wie die gesamte Volkswirtschaft kommt auch der Immobilienmarkt aus der Krise, wenn auch langsam und vermutlich mit Rückschlägen. Die Spuren der Immobilienblase, die vor sechs Jahren platzte und die gesamte Volkswirtschaft mit herunterriss, sind im ganzen Land zu sehen: Zehntausende Bauruinen, Hunderttausende leer stehender oder nicht vollendeter Wohnungen.
Die Bauruine in Playa Honda ist ein Überbleibsel der geplatzten Immobilienblase.
Mittlerweile ist eine Fülle von Studien über das Entstehen der spanischen Krise entstanden. Die meisten Autoren sind sich einig darin, dass sie geradezu ein Paradebeispiel für ein hausgemachtes Desaster ist. Sie ist die Folge der Inkompetenz und Selbstüberschätzung von Politikern und Bankdirektoren sowie der Naivität der Kreditnehmer. Sämtliche Kontrollmechanismus versagten in eklatanter Weise. Überdies brachte der Bauwahn ein nie gekanntes Maß an Korruption mit sich. Mit der Aufarbeitung der kriminellen Machenschaften, die in die Führungsgremien aller großen Parteien hineinreichen, ist die spanische Justiz allerdings offenkundig überfordert.
Am Anfang stand die Idee, mit Impulsen für die Bauwirtschaft eine desolate Wirtschaftslage mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit zu überwinden. Diese hatte der sozialistische Premier Felipe González 1996 hinterlassen, als er nach 14 Jahren an der Regierungsspitze amtsmüde und zermürbt auch von Korruptionsaffären in den eigenen Reihen seinen Abschied von der Politik nahm. Sein konservativer Amtsnachfolgers José Maria Aznar gab die Parole aus, jeder Spanier müsse das Recht auf ein Ferienhaus haben, durchaus mit patriotischem Unterton: Warum sollten die reichen Nordeuropäer den Spaniern die schönsten Baugründe wegnehmen?
Wichtigste Voraussetzung dafür wurde eine Liberalisierung des Bodenrechtes: Die Bürgermeister konnten nun nahezu unbegrenzt Ackerland und auch oft genug Naturschutzgebiete zu Bauland umwidmen. Hinzu kamen niedrige Kreditzinsen in der Euro-Zone. So wurde in den folgenden Jahren das Küstengebiet weitgehend zubetoniert. Die Wirtschaftszahlen, die Aznars Superminister für Wirtschaft und Finanzen Rodrigo Rato vorlegte, machten im Ausland so großen Eindruck, dass er zum Chef des Internationalen Währungsfonds aufstieg. Ausländische Banken, darunter auch die größten deutschen Geldhäuser, pumpten Milliarden in den spanischen Markt.
Die Konservativen wurden nach acht Jahren abgewählt, die Regierung übernahm 2004 der Sozialist José Luis Zapatero. Die Wirtschaftspolitik vertraute er dem bisherigen EU-Kommissar Pedro Solbes an. Beide sahen im Bausektor auch ein ideologisches Feld: Nicht nur die Besserverdienenden sollten sich eine zweite Wohnung leisten können, sondern jedermann. Baukredite wurden steuerlich begünstigt; die Banken verloren jegliche Hemmungen, um noch höhere Umsätze zu machen, die Maßstäbe für die Bonität setzten sie stark herab.
Innerhalb von drei Jahren vervierfachte sich unter Solbes das Gesamtvolumen an Immobilienkrediten, 2007 wurden in Spanien mehr Wohnungen gebaut als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Die Bau- und Immobilienbranche machte nun zwölf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus, fast doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt. Über Warnungen vor einer Überhitzung der Konjunktur mokierte sich der frühere EU-Kommissar – heute rechnen Kommentatoren ihn, seinen Chef Zapatero sowie den Konservativen Rato zu den größten Nullnummern in der modernen Wirtschaftsgeschichte Spaniens.
Zwar hat das Platzen der Immobilienblase den Bankensektor schwer erschüttert, aber keineswegs zu massenhaften Zwangsräumungen geführt, wie es gerade ausländische Medien oft darstellen. Es gab nur wenige Zehntausend im Laufe von sechs Jahren, über die genaue Zahl streiten sich die Experten. Die meisten Krisenverlierer hatten nämlich Kredite für eine Zweitwohnung aufgenommen. Nach wie vor ist Spanien europäischer Spitzenreiter bei privatem Immobilienbesitz: 83 Prozent wohnen in den eigenen vier Wänden, 36 Prozent aller Familien verfügen über eine Zweitwohnung oder ein Ferienhaus, doppelt so viele wie in der Bundesrepublik.
Politische Brisanz haben die Folgen der Immobilienkrise dennoch, wie die Europawahlen im Mai belegten: Kleine linke Gruppierungen, die eine strengere Regulierung der Finanzindustrie fordern, brachten mehr als die Hälfte der Wähler hinter sich. Die Krise hat nachhaltig das Vertrauen in die Politiker der großen Parteien erschüttert, zumal offensichtlich geworden ist, dass weder sie, noch die Bankdirektoren für ihre Fehlentscheidungen haftbar gemacht werden. Thomas Urban
Die Bauruine in Playa Honda ist ein Überbleibsel der geplatzten Immobilienblase.
Mittlerweile ist eine Fülle von Studien über das Entstehen der spanischen Krise entstanden. Die meisten Autoren sind sich einig darin, dass sie geradezu ein Paradebeispiel für ein hausgemachtes Desaster ist. Sie ist die Folge der Inkompetenz und Selbstüberschätzung von Politikern und Bankdirektoren sowie der Naivität der Kreditnehmer. Sämtliche Kontrollmechanismus versagten in eklatanter Weise. Überdies brachte der Bauwahn ein nie gekanntes Maß an Korruption mit sich. Mit der Aufarbeitung der kriminellen Machenschaften, die in die Führungsgremien aller großen Parteien hineinreichen, ist die spanische Justiz allerdings offenkundig überfordert.
Am Anfang stand die Idee, mit Impulsen für die Bauwirtschaft eine desolate Wirtschaftslage mit 25 Prozent Arbeitslosigkeit zu überwinden. Diese hatte der sozialistische Premier Felipe González 1996 hinterlassen, als er nach 14 Jahren an der Regierungsspitze amtsmüde und zermürbt auch von Korruptionsaffären in den eigenen Reihen seinen Abschied von der Politik nahm. Sein konservativer Amtsnachfolgers José Maria Aznar gab die Parole aus, jeder Spanier müsse das Recht auf ein Ferienhaus haben, durchaus mit patriotischem Unterton: Warum sollten die reichen Nordeuropäer den Spaniern die schönsten Baugründe wegnehmen?
Wichtigste Voraussetzung dafür wurde eine Liberalisierung des Bodenrechtes: Die Bürgermeister konnten nun nahezu unbegrenzt Ackerland und auch oft genug Naturschutzgebiete zu Bauland umwidmen. Hinzu kamen niedrige Kreditzinsen in der Euro-Zone. So wurde in den folgenden Jahren das Küstengebiet weitgehend zubetoniert. Die Wirtschaftszahlen, die Aznars Superminister für Wirtschaft und Finanzen Rodrigo Rato vorlegte, machten im Ausland so großen Eindruck, dass er zum Chef des Internationalen Währungsfonds aufstieg. Ausländische Banken, darunter auch die größten deutschen Geldhäuser, pumpten Milliarden in den spanischen Markt.
Die Konservativen wurden nach acht Jahren abgewählt, die Regierung übernahm 2004 der Sozialist José Luis Zapatero. Die Wirtschaftspolitik vertraute er dem bisherigen EU-Kommissar Pedro Solbes an. Beide sahen im Bausektor auch ein ideologisches Feld: Nicht nur die Besserverdienenden sollten sich eine zweite Wohnung leisten können, sondern jedermann. Baukredite wurden steuerlich begünstigt; die Banken verloren jegliche Hemmungen, um noch höhere Umsätze zu machen, die Maßstäbe für die Bonität setzten sie stark herab.
Innerhalb von drei Jahren vervierfachte sich unter Solbes das Gesamtvolumen an Immobilienkrediten, 2007 wurden in Spanien mehr Wohnungen gebaut als in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Die Bau- und Immobilienbranche machte nun zwölf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus, fast doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt. Über Warnungen vor einer Überhitzung der Konjunktur mokierte sich der frühere EU-Kommissar – heute rechnen Kommentatoren ihn, seinen Chef Zapatero sowie den Konservativen Rato zu den größten Nullnummern in der modernen Wirtschaftsgeschichte Spaniens.
Zwar hat das Platzen der Immobilienblase den Bankensektor schwer erschüttert, aber keineswegs zu massenhaften Zwangsräumungen geführt, wie es gerade ausländische Medien oft darstellen. Es gab nur wenige Zehntausend im Laufe von sechs Jahren, über die genaue Zahl streiten sich die Experten. Die meisten Krisenverlierer hatten nämlich Kredite für eine Zweitwohnung aufgenommen. Nach wie vor ist Spanien europäischer Spitzenreiter bei privatem Immobilienbesitz: 83 Prozent wohnen in den eigenen vier Wänden, 36 Prozent aller Familien verfügen über eine Zweitwohnung oder ein Ferienhaus, doppelt so viele wie in der Bundesrepublik.
Politische Brisanz haben die Folgen der Immobilienkrise dennoch, wie die Europawahlen im Mai belegten: Kleine linke Gruppierungen, die eine strengere Regulierung der Finanzindustrie fordern, brachten mehr als die Hälfte der Wähler hinter sich. Die Krise hat nachhaltig das Vertrauen in die Politiker der großen Parteien erschüttert, zumal offensichtlich geworden ist, dass weder sie, noch die Bankdirektoren für ihre Fehlentscheidungen haftbar gemacht werden. Thomas Urban