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Den Macho ins Grübeln bringen

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Die 15-jährigen Jungen „behandeln mich ohne Respekt“, sagt die Lehrerin Mitte fünfzig, schmale Brille, hennarote Haare. „Wenn ein männlicher Kollege in die Klasse geht, wird er aber respektiert.“ Da nicken ein paar Frauen in der Runde. „Neulich hat mich ein Schüler eine Schlampe genannt“, sagt eine andere. Auch das überrascht keinen in der Runde. 15 Lehrerinnen und Lehrer sind an diesem Vormittag zu der Fortbildung von „Heroes“ ins Haus der Bildungsgewerkschaft GEW in Berlin gekommen. Sie unterrichten vor allem Jugendliche aus türkisch- oder arabischstämmigen Familien, in denen archaische Ehr- und Geschlechtervorstellungen verbreitet sind. Und sie wollen lernen, wie sie besser mit ihnen umgehen können. Sie sitzen im Halbkreis auf Stühlen, Notizblöcke auf den Knien, und berichten. Dinge, die man eher selten so hört.



Türkischstämmige Jugendliche sollen integriert werden. Manche Lehrerinnen fühlen sich allerdings hilflos gegenüber frauenfeindlichem Verhalten.

„Ich sehe bei den Jungen aber auch eine große Unsicherheit“, sagt eine junge Lehrerin. Daher das Machoverhalten. „Oder sie verstecken sich hinter dem Ehrbegriff“, sagt einer der zwei männlichen Teilnehmer, ein jungenhafter Typ mit Strubbelfrisur. „Aber, wie bricht man das auf?“, fragt er. „Wie kommt man an sie heran?“

Dabei helfen wollen Yilmaz Atmaca und Ahmad Mansour. Sie sitzen an einem kleinen Tisch, zwei Laptops vor sich, mit denen sie Filme und Folien an die Wand projizieren. In erster Linie sollen die Lehrer an diesem Tag die Welt muslimischer Jugendlicher kennenlernen und verstehen. Sie analysieren Musikvideos und kurze Filme, reden von Erfahrungen. Der Schlüssel zum Verständnis ist der traditionelle Ehrbegriff, der auf der Jungfräulichkeit der Töchter beruht. Mit ihm wachsen die meisten Schüler auf, er bestimmt ihr Verhalten.

Der Psychologe Ahmad Mansour und der Theaterpädagoge Yilmaz Atmaca wissen, wovon sie reden. Sie kennen dieses Denken aus ihrer alten Heimat. Mansour ist palästinensischer Israeli und lebt seit neun Jahren in Berlin, Atmaca wuchs in der Türkei auf und kam vor 20 Jahren nach Deutschland. Seit sieben Jahren engagieren sie sich mit dem Projekt „Heroes“, zu deutsch: Helden, gegen Unterdrückung im Namen der Ehre. Sie arbeiten mit muslimischen Jugendlichen, halten Vorträge und machen Fortbildungen in Jugendeinrichtungen und bei der Polizei. Die Lehrerfortbildung bieten sie bundesweit an.

Darin sezieren sie den Ehrbegriff und erklären, welche Folgen er vor allem für Jungen hat: Er mache sie zu ständigen Bewachern ihrer Schwestern, lasse keine eigene Meinung zu und verunsichere sie. Das alles überspielten sie mit Machoverhalten und einem besonderen Stolz auf ihre Ehre. Aber wie können Lehrer damit umgehen?

Das üben sie nun in einem Rollenspiel. Mansour übernimmt die Rolle des Jugendlichen. Der 37-Jährige trägt dunkle Jeans, ein weißes, eng anliegendes Hemd und einen kurzen Bart. „Also, ich bin Muslim und für mich ist es sehr wichtig, dass die Frauen in meiner Familie ehrenhaft bleiben“, sagt er, lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. „Wir sind eben anders, wir wollen Jungfrauen heiraten.“ Kurze Stille, erschrockene Blicke. „Ich bin Ihr Schüler, reden Sie mit mir!“, ruft er. „Ich würde dem Schüler jetzt Fragen stellen“, sagt eine junge Frau, „versuchen, mit ihm in den Dialog zu treten: Warum denkst du so?“ „Na, weil ich das so von meinen Eltern und von meiner Religion mitbekommen habe“, kontert Mansour. „Und ich finde das gut.“

„In meiner Klasse denken 23 von 25 Schülern so“, wirft eine Frau aufgeregt ein. „Aber ich kann das doch nicht akzeptieren. Ich arbeite für den deutschen Staat und der vertritt bestimmte Werte.“ Eine andere meint, dass sie sich auf so ein Gespräch nicht einlassen würde. „Das verhärtet die Fronten nur noch mehr.“ Fast alle stimmen zu. Nur die junge Lehrerin aus dem Rollenspiel findet „das entstandene Gespräch wertvoll, weil die Schüler so über ihre Vorstellungen von Ehre nachdenken“.

Zur Überraschung der anderen Besucher sagen auch Mansour und Atmaca, dass man da ansetzen müsse: bei Gesprächen auf Augenhöhe und interessiertem Nachfragen. „Das bedeutet ja nicht, dass ich dem Schüler recht gebe“, sagt Atmaca. „Er soll aber die Möglichkeit bekommen, sich zu erklären.“ Die Lehrer sollten nicht darauf bestehen, recht zu haben. Wenn man ständig sage, „wir leben in Deutschland, hier gibt es Gesetze, und du hast dich anzupassen“ – dann sei das keine Begegnung auf Augenhöhe, sondern ein Machtspiel, so Atmaca. Und das führe dann zu den bekannten Reaktionen: Aggressivität oder Ablehnung. Weitaus besser sei es nachzufragen, sich nicht verunsichern zu lassen, ganz egal, ob ein Schüler Hitler toll findet, weil der Juden getötet hat, oder seine deutschen Mitschüler Schweinefleischfresser nennt. Warum denkst du so? Woher kommt das? Wenn ein Lehrer diese Fragen stellt, dann redeten die Schüler eher – oder „sie denken sogar darüber nach“.

Die Lehrer hören interessiert zu, sagen aber, dass sie sich oft hilflos und allein gelassen fühlten, von ihren Schulleitern zum Beispiel. Und von der Politik sowieso. Auch Mansour und Atmaca räumen ein, dass noch viel passieren müsse. Den ersten Schritt könnten die Lehrer aber jetzt schon tun: ihren Schülern mal auf Augenhöhe begegnen, so Ahmad Mansour. „Denn so lange wir die Debatten auf der Wir-ihr-Ebene führen, werden wir nichts schaffen.“

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