Das Reagenzglas öffnet mit einem Zischen. „Ist dieses Geräusch nicht ganz wunderbar?”, sagt George Boyajian und schnuppert an der klaren Flüssigkeit. „Und dann dieser Geruch! Es ist der Geruch von Geld!“ Boyajian schwenkt das Glas. In ihm ist Benzin, 93 Oktan, man könnte es in den Autotank gießen. Boyajian hat den Sprit selbst hergestellt hier in seiner Testanlage in der Nähe von Princeton in New Jersey. Das Besondere an diesem Benzin ist, dass es nicht aus Rohöl besteht, sondern aus Erdgas.
Beim umstrittenen Fracking verschwendet Amerika Erdgas im Wert von mehreren Millionen.
Boyajian ist Vorstand von Primus Green Energy. Das Start-up aus New Jersey will mit dem Erdgas-Sprit ein großes Problem lösen: die Verschwendung von Erdgas. Die umstrittene Fördermethode Fracking hat Amerika in den vergangenen Jahren einen Ölboom verschafft. Inzwischen produzieren die Vereinigten Staaten mehr als zehn Prozent des Rohöls weltweit, einen steigenden Anteil davon durch das Aufbrechen von einst unzugänglichen Gesteinsschichten mit Wasser und Chemikalien. Doch bei der Förderung von Rohöl fällt immer auch Gas an, es zischt aus den Bohrlöchern mit hervor. Für die Ölbohrfirmen ist das Gas aber nicht das Ziel, sondern nur ein Abfallprodukt, es bringt ihnen viel weniger ein als das Öl selbst, für das sie den Boden eigentlich durchlöchern. Darum brennen sie große Teile davon ab, das ist einfacher, als es aufwendig zu verarbeiten und abzutransportieren. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Gasmenge, die in den Vereinigten Staaten auf diese Weise vergeudet wird, mehr als verdoppelt.
Die Konzerne fackeln so viel Gas ab, dass Gegenden mit Ölquellen auf Satellitenbildern aussehen wie kleine Städte, man kann die Gasfeuer aus dem Weltall sehen. Über North Dakota, dem Bundesstaat mit der riesigen Fracking-Ölquelle namens Bakken, brennen ständig 1500 Flammen. Das belastet die Umwelt, durch die Feuer in North Dakota entsteht fast so viel Kohlendioxid wie in drei durchschnittlichen Kohlekraftwerken. Und Geld geht dadurch auch verloren, etwa 100 Millionen Dollar pro Monat allein in dem Bundesstaat. Gerade verklagen die Eigentümer der Öl- und Gasreserven, also die Menschen, denen die Grundstücke gehören, die Ölförderfirmen, weil sie wollen, dass diese das Gas nutzen und verkaufen, statt es nur zu verbrennen – und ihnen entsprechend höhere Gebühren für die Ausbeutung der Felder zahlen.
Doch besonders die Quellen in North Dakota sind fernab von großen Gasverbrauchern, und der Bau von Pipelines ist teuer und dauert lange. Das Öl hingegen lässt sich per Lastwagen oder Zug leicht abtransportieren. Der Preis für Öl ist gerade hoch, und die Bohrlizenzen sind zeitlich beschränkt, die Konzerne wollen daher so schnell wie möglich fördern, statt lange auf Pipelines für Gas zu warten, das ihnen im Vergleich zu einem Fass Öl viel weniger Geld einbringt. Bislang gibt es kaum eine andere Möglichkeit für die Firmen, als das Gas zu verbrennen – jedenfalls keine, die sich rechnet. Der amerikanische Energieminister Ernest Moniz nennt das Gasabfackeln „sowohl eine Chance als auch ein Problem“.
Primus Green Energy sieht es als Chance. Das Unternehmen baut Anlagen, die das Gas umwandeln. In New Jersey steht ein Prototyp, er sieht aus wie eine kleine Raffinerie. Die etwa zehn Meter hohe Anlage verwandelt das Erdgas erst in Synthesegas. Verschlungene Röhren verbinden vier verschiedene Reaktoren, in denen das Synthesegas dann mit Hitze, Druck und Katalysatoren erst in Methanol, dann in Dimethylether und dann in schweres Benzin gewandelt wird. Der vierte Reaktor reinigt den Sprit, sodass dieser zischend und klar in den Autotank geschüttet werden kann – er sieht dann aus wie in Boyajians Reagenzglas. „Der chemische Prozess ist schon seit Jahrzehnten bekannt, es ist bewiesen, dass er funktioniert“, sagt der Primus-Manager. „Wir haben ihn jetzt so weiterentwickelt, dass er effizienter ist.“
Die Primus-Anlagen sollen direkt an den Bohrlöchern installiert werden und das überschüssige Gas vor Ort in Benzin oder eine ähnliche Flüssigkeit umwandeln. Dann können es die Unternehmen genau wie das geförderte Öl abtransportieren. In diesem Jahr beginnt Primus mit dem Bau der ersten Anlage. „Die Nachfrage ist riesig, wir arbeiten das jetzt nach und nach ab“, sagt Boyajian. Bis die Kunden die Investitionen in die Primus-Anlage wieder hereingeholt hätten durch den Verkauf des aus Gas gewandelten Benzins, vergingen nur etwa drei Jahre.
Primus ist ein kleines Unternehmen mit gerade mal 50 Mitarbeitern. Bislang hat es noch keinen Umsatz geschrieben, aber sobald die ersten Anlagen gebaut werden, werde es Geld verdienen, beteuert Boyajian. Das Start-up gehört dem Mischkonzern Israel Corporation, der seit der Gründung 2007 bereits etwa 62 Millionen Dollar investiert hat.
Die Umweltbehörden verschärfen derzeit die Regeln für das Abfackeln von ungewolltem Gas an den Ölquellen. In den meisten Bundesstaaten gibt es allerdings bislang noch kaum Auflagen. Die Ölkonzerne haben jedoch ein wachsendes Interesse daran, das Gas irgendwie zu nutzen. Auch der norwegische Staatskonzern Statoil, der im Bakken-Feld fördert, arbeitet an einer Lösung. Zusammen mit dem Industriekonzern General Electric arbeitet das Unternehmen an einer Anlage, die das Gas in verschiedene Bestandteile wie Propan zerlegt, die weiterverwendet werden können. Außerdem sollen die schweren Fracking-Maschinen so umgerüstet werden, dass sie zumindest zum Teil mit Gas angetrieben werden. North Dakotas Lokalregierung hofft zudem, dass sich Fabriken, die Erdgas als Rohstoff brauchen, zum Beispiel Düngemittelhersteller, in der Nähe der Gasquellen ansiedeln.
Die Ölförderer hätten schon sechs Milliarden Dollar investiert, um das Abfackeln zu reduzieren, unter anderem für neue Gas-Pipelines, sagt Terry Kovacevich, der Chef des Industrieverbands North Dakota Petroleum Council. Langfristig werde die Branche das Problem in den Griff bekommen, aber das werde „eine bedeutende Menge Geld und Zeit brauchen“. George Boyajian hofft jedenfalls, dass ein guter Teil dieses Geldes in die Kassen von Primus Green Energy fließt.
Beim umstrittenen Fracking verschwendet Amerika Erdgas im Wert von mehreren Millionen.
Boyajian ist Vorstand von Primus Green Energy. Das Start-up aus New Jersey will mit dem Erdgas-Sprit ein großes Problem lösen: die Verschwendung von Erdgas. Die umstrittene Fördermethode Fracking hat Amerika in den vergangenen Jahren einen Ölboom verschafft. Inzwischen produzieren die Vereinigten Staaten mehr als zehn Prozent des Rohöls weltweit, einen steigenden Anteil davon durch das Aufbrechen von einst unzugänglichen Gesteinsschichten mit Wasser und Chemikalien. Doch bei der Förderung von Rohöl fällt immer auch Gas an, es zischt aus den Bohrlöchern mit hervor. Für die Ölbohrfirmen ist das Gas aber nicht das Ziel, sondern nur ein Abfallprodukt, es bringt ihnen viel weniger ein als das Öl selbst, für das sie den Boden eigentlich durchlöchern. Darum brennen sie große Teile davon ab, das ist einfacher, als es aufwendig zu verarbeiten und abzutransportieren. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Gasmenge, die in den Vereinigten Staaten auf diese Weise vergeudet wird, mehr als verdoppelt.
Die Konzerne fackeln so viel Gas ab, dass Gegenden mit Ölquellen auf Satellitenbildern aussehen wie kleine Städte, man kann die Gasfeuer aus dem Weltall sehen. Über North Dakota, dem Bundesstaat mit der riesigen Fracking-Ölquelle namens Bakken, brennen ständig 1500 Flammen. Das belastet die Umwelt, durch die Feuer in North Dakota entsteht fast so viel Kohlendioxid wie in drei durchschnittlichen Kohlekraftwerken. Und Geld geht dadurch auch verloren, etwa 100 Millionen Dollar pro Monat allein in dem Bundesstaat. Gerade verklagen die Eigentümer der Öl- und Gasreserven, also die Menschen, denen die Grundstücke gehören, die Ölförderfirmen, weil sie wollen, dass diese das Gas nutzen und verkaufen, statt es nur zu verbrennen – und ihnen entsprechend höhere Gebühren für die Ausbeutung der Felder zahlen.
Doch besonders die Quellen in North Dakota sind fernab von großen Gasverbrauchern, und der Bau von Pipelines ist teuer und dauert lange. Das Öl hingegen lässt sich per Lastwagen oder Zug leicht abtransportieren. Der Preis für Öl ist gerade hoch, und die Bohrlizenzen sind zeitlich beschränkt, die Konzerne wollen daher so schnell wie möglich fördern, statt lange auf Pipelines für Gas zu warten, das ihnen im Vergleich zu einem Fass Öl viel weniger Geld einbringt. Bislang gibt es kaum eine andere Möglichkeit für die Firmen, als das Gas zu verbrennen – jedenfalls keine, die sich rechnet. Der amerikanische Energieminister Ernest Moniz nennt das Gasabfackeln „sowohl eine Chance als auch ein Problem“.
Primus Green Energy sieht es als Chance. Das Unternehmen baut Anlagen, die das Gas umwandeln. In New Jersey steht ein Prototyp, er sieht aus wie eine kleine Raffinerie. Die etwa zehn Meter hohe Anlage verwandelt das Erdgas erst in Synthesegas. Verschlungene Röhren verbinden vier verschiedene Reaktoren, in denen das Synthesegas dann mit Hitze, Druck und Katalysatoren erst in Methanol, dann in Dimethylether und dann in schweres Benzin gewandelt wird. Der vierte Reaktor reinigt den Sprit, sodass dieser zischend und klar in den Autotank geschüttet werden kann – er sieht dann aus wie in Boyajians Reagenzglas. „Der chemische Prozess ist schon seit Jahrzehnten bekannt, es ist bewiesen, dass er funktioniert“, sagt der Primus-Manager. „Wir haben ihn jetzt so weiterentwickelt, dass er effizienter ist.“
Die Primus-Anlagen sollen direkt an den Bohrlöchern installiert werden und das überschüssige Gas vor Ort in Benzin oder eine ähnliche Flüssigkeit umwandeln. Dann können es die Unternehmen genau wie das geförderte Öl abtransportieren. In diesem Jahr beginnt Primus mit dem Bau der ersten Anlage. „Die Nachfrage ist riesig, wir arbeiten das jetzt nach und nach ab“, sagt Boyajian. Bis die Kunden die Investitionen in die Primus-Anlage wieder hereingeholt hätten durch den Verkauf des aus Gas gewandelten Benzins, vergingen nur etwa drei Jahre.
Primus ist ein kleines Unternehmen mit gerade mal 50 Mitarbeitern. Bislang hat es noch keinen Umsatz geschrieben, aber sobald die ersten Anlagen gebaut werden, werde es Geld verdienen, beteuert Boyajian. Das Start-up gehört dem Mischkonzern Israel Corporation, der seit der Gründung 2007 bereits etwa 62 Millionen Dollar investiert hat.
Die Umweltbehörden verschärfen derzeit die Regeln für das Abfackeln von ungewolltem Gas an den Ölquellen. In den meisten Bundesstaaten gibt es allerdings bislang noch kaum Auflagen. Die Ölkonzerne haben jedoch ein wachsendes Interesse daran, das Gas irgendwie zu nutzen. Auch der norwegische Staatskonzern Statoil, der im Bakken-Feld fördert, arbeitet an einer Lösung. Zusammen mit dem Industriekonzern General Electric arbeitet das Unternehmen an einer Anlage, die das Gas in verschiedene Bestandteile wie Propan zerlegt, die weiterverwendet werden können. Außerdem sollen die schweren Fracking-Maschinen so umgerüstet werden, dass sie zumindest zum Teil mit Gas angetrieben werden. North Dakotas Lokalregierung hofft zudem, dass sich Fabriken, die Erdgas als Rohstoff brauchen, zum Beispiel Düngemittelhersteller, in der Nähe der Gasquellen ansiedeln.
Die Ölförderer hätten schon sechs Milliarden Dollar investiert, um das Abfackeln zu reduzieren, unter anderem für neue Gas-Pipelines, sagt Terry Kovacevich, der Chef des Industrieverbands North Dakota Petroleum Council. Langfristig werde die Branche das Problem in den Griff bekommen, aber das werde „eine bedeutende Menge Geld und Zeit brauchen“. George Boyajian hofft jedenfalls, dass ein guter Teil dieses Geldes in die Kassen von Primus Green Energy fließt.