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Die Rückkehr der Terror-Miliz

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Kairo – Während die radikal-sunnitischen Isis-Milizen weitere irakische Städte in der Nähe der syrischen Grenze erobern, haben sich nun auch bewaffnete Einheiten der Schiiten für einen erwarteten Angriff formiert. In Sadr-City in Bagdad paradierten Zehntausende Bewaffnete, auch Frauen, durch die Straßen: Kämpfer mit Gewehren, Mörsern, Granatwerfern und Selbstmordattentäter mit umgeschnalltem Sprengstoff. Auch in Nadschaf und Basra im Süden marschierten die Schiiten. Ähnlich wie viele sonst heterogene Sunnitengruppen den Vormarsch des Islamischen Staates in Irak und Großsyrien, Isis, als Schlag gegen die schiitisch dominierte Regierung von Premier Nuri al-Maliki vereint begrüßen, schweißt die Bedrohung durch den sunnitischen Vormarsch auch die verschiedenen Schiitengruppen zusammen: verfeindete Stämme, iranische Ableger, kampfunerprobte Freiwillige und vor allem die Mahdi-Armee von Muktada al-Sadr.



In Taza Khormato bewacht ein Mahdi-Führer eine schiitische Moschee.

Sadr gehört zu den schillerndsten Figuren des Nach-Saddam-Irak, und seine jüngsten Aufrufe zur Mobilmachung sind nur die letzte Wendung in einer an Volten reichen Karriere. Eigentlich hatte Sadr den Kampf und die Politik hinter sich gelassen und sich einzig den islamischen Studien gewidmet, unter anderem in Iran. Nach den Maßstäben der irakischen Schiiten ist Sadr mit Mitte vierzig noch immer sehr jung, aber, wie der Journalist Anthony Shadid schrieb, von Geburt blaublütig: „Sein schwarzer Turban zeigt seine Abstammung vom Propheten.“ Zu seinen Ahnen gehörte der besonders verehrte sechste schiitische Imam Dschaafar al-Sadiq. Seine Familie hat einige der meistverehrten schiitischen Kleriker hervorgebracht und zuletzt, unter Saddam Hussein, ihre berühmtesten schiitischen Märtyrer. Saddam hatte Sadrs Vater, Großayatollah Mohammed al-Sadr, und zwei seiner Söhne getötet und einem seiner Cousins Nägel in die Stirn geschlagen.

Das Ende Saddams und der sunnitischen Hegemonie im Irak katapultierte Sadr in die erste Reihe schiitischer Persönlichkeiten. Erst predigte er gegen die amerikanische Besatzung, dann formte er die Mahdi-Armee und bekämpfte die Amerikaner und die irakische Armee, später aber auch – als Rache für Anschläge auf Schiiten – Sunniten und rivalisierende schiitische Milizen. Nach Jahren der Gefechte, vor allem in Nadschaf, Kerbela, Basra und Sadr-City zog Sadr sich überraschend zurück. Seine Mahdi-Armee werde sich künftig politischen und sozialen Aufgaben widmen, er selbst verschwand auf Jahre in Iran, um sich den Rang eines Ayatollah zu erarbeiten. Dennoch war er einflussreich genug, um durch seine Anhängerschaft nach den Wahlen 2009 und 2010 in die Rolle des Königsmachers zu kommen. Ohne Sadr wäre Maliki heute nicht Premier.

Heute ruft Sadr seine Männer in den Kampf an die Seite eben jenes Maliki, der 2008 noch seine Soldaten gegen die Mahdi-Armee in Basra geschickt hatte. Beide sind Schiiten, aber beide verbindet eines jener irakischen Zweckbündnisse, die schon nach kurzer Zeit zerbrechen können. Die plötzliche Rückkehr der Milizen ist für den Staat nicht ohne Risiko. Einige Anführer sollen während des konfessionellen Blutbades zwischen Sunniten und Schiiten Todesschwadronen befehligt haben. Zwar schwört Sadr, dass er die Mahdi-Armee nur aufgrund der akuten Bedrohung reaktiviert hat, aber ob sich seine Männer in der nächsten Runde des Machtkampfes einfach so zurückziehen, ist die Frage. Völlig unklar ist auch, wie die Sunniten auf die Paraden der Schiiten reagieren. Sie fühlen sich an den Rand gedrängt durch eine schiitisch dominierte Regierung. Im schlimmsten Fall begreifen sie die vermeintlichen Verteidiger als neue Bedrohung.

Flankiert werden die Aufrufe von einer Fatwa des schiitischen Großayatollahs Ali al-Sistani, des meistrespektierten Geistlichen des Landes. Auch ihn hat der Angriff der radikalen Sunniten in die Öffentlichkeit gedrängt. Üblicherweise verlässt der über 80-Jährige sein Haus selten. Nun aber sah er sich genötigt, eine Rede verlesen zu lassen, in der er alle Iraker zum Kampf gegen die sunnitischen Extremisten aufrief: „Wenn wir sie nicht heute bekämpfen und vertreiben, werden wir es morgen bedauern“, so seine Worte. Zugleich appellierte er an die politischen Kräfte, eine neue Regierung zu formen – ein direkter Angriff auf Premier Maliki.

Die sunnitischen Milizen unter Führung der Isis rückten inzwischen in die Nähe der syrischen Grenze vor. Die Orte Al-Walid in der Provinz Anbar und Al-Kaim werden unbestätigten Berichten zufolge nun von den Kämpfern kontrolliert.

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