Die sechs Philosophen sitzen auf dem Podium und streiten sich lebhaft, es geht um Kant. Fünf sind Deutsche, einer ist Amerikaner. Man debattiert auf Englisch, womöglich holprig. „Ein vielfach belehrendes Schauspiel deutscher Höflichkeit.“ So beschreibt es Holger Burckhart. Derlei Szenen kenne fast jeder Geisteswissenschaftler. Der Rektor der Universität Siegen, ein Philosoph, erzählte die Schnurre am Donnerstagabend. Da eröffnete er als Gastgeber den Philosophischen Fakultätentag. Das Gremium der Geistes- und Sozialwissenschaften an mehr als 60 Hochschulen widmet sich bis Samstag eben diesem Thema: Deutsch als Wissenschaftssprache. Genauer: ihrem Niedergang. In Burckharts Redemanuskript findet sich die These: Natürlich sei Wissenschaft vom Wesen her international. Aber Deutsch werde verdrängt vom Englischen als Verkehrssprache – und eben das führe „provokativ gesagt zu geistiger Verarmung“.
Deutsch wird vom Englischen als Verkehrssprache der Geisteswissenschaften verdrängt. Holger Burckhart, Rektor der Uni Siegen, sagt, das führe zu geistiger Verarmung.
In Naturwissenschaften ist Englisch für Aufsätze, für Vorträge längst Regelfall. Mit Vorteilen: Forscher können sich schnell und präzise austauschen, es gibt einen gemeinsamen Nenner. Viele Geisteswissenschaftler, als Hüter der Sprache, sehen das kritischer. Professoren stecken aber in einem Dilemma. Burckhart sagt, dass Arbeiten „nur dann beachtet werden, wenn sie in Englisch verfasst werden“. An Fakultäten kursiert ein böser Satz: „Publish in English or perish in German“ – „Publiziere auf Englisch oder verrecke auf Deutsch“. Denn Erfolg von Wissenschaft wird heute danach bemessen, wie oft man von Kollegen zitiert wird. Die Datenbanken dafür blicken eher auf englischsprachige Werke.
Hochschulforscher des HIS-Instituts haben Forscher dazu befragt. „Die Erosion der deutschen Sprache vollzieht sich in Geisteswissenschaften nicht in demselben Maße wie in den Naturwissenschaften“, heißt es in der vom Bund geförderten Studie. Die Frage, ob Deutsch in ihrem Fach weltweit weniger Bedeutung als Englisch habe, bejahten aber fast 60 Prozent der Historiker; bei den Medienwissenschaftlern waren es 90 Prozent, sogar bei den Germanisten ein Fünftel. Deutsche Professoren veröffentlichen daher zunehmend auf Englisch; selbst wenn es um Pressezensur im Norddeutschen Bund geht, um Flugschriften der Reformation, um Richard Wagner oder Ingeborg Bachmann. Auf Englisch spiele man „sofort in einer anderen Liga“, hört man immer wieder. Auf Fachtagungen sind deutsche Worte oftmals allenfalls in der Raucherecke zu vernehmen.
Generell folgen die deutschen Unis dem Trend zur Internationalisierung, der Englisch in den Alltag bringt. Top-Forscher etwa aus den USA wurden über die Jahre angeworben, Deutsch galt da nicht gerade als Einstellungskriterium. Auch für Studenten aus dem Ausland wollen die Unis attraktiver sein. Es gibt Hörsäle, in denen Dozenten mit Muttersprache Deutsch ihre überwiegend deutschen Studenten auf Englisch unterrichten. Bundesweit sind gut 1000 rein englischsprachige Studiengänge gelistet: Anglistik und Amerikanistik natürlich, aber teils auch Chemie, Technik, Psychologie, Wirtschaft; in den Geistes- und Sozialwissenschaften erst wenige.
Wissenschaft arbeite „mit Wörtern, Metaphern, die in dem Denken verwurzelt sind, das auf der jeweiligen Muttersprache beruht“, so Burckhart. Zudem sei Englisch „nur anfangs einfach“. Kaum ein deutscher Wissenschaftler beherrsche dagegen qualifiziertes Englisch perfekt. Forscher suchten mit Englisch mehr Aufmerksamkeit, „entstellen aber ihre Arbeit, da sie deutsch Gedachtes mit englischen Worten ausdrücken“. Der Fakultätentag will das erörtern. Dabei geht es keineswegs darum, dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll; sondern um Mehrsprachigkeit, die Muttersprache nicht ignoriert. Tagungen mit deutschsprachigem Publikum sollten auf Deutsch stattfinden, empfiehlt Burckhart, bei international besetzten Terminen eben mit Simultandolmetschern.
Dass Deutsch in den USA und in England wieder an Renommee gewinnt, ist kaum zu erwarten. Die HIS-Autoren haben auch dort Forscher befragt. Fazit: In der angelsächsischen Welt nimmt Multilingualität ab, vor allem bei jüngeren Akademikern. Hilfreich sein könnten Übersetzungen von Arbeiten, die erst auf Deutsch entstehen. Auch wenn „die Gefahr besteht, dass Erkenntnisse unangemessen dargestellt werden“, so die Autoren. Es sei häufig der einzige Weg, „international überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden“.
Könnte die Politik eine Quote für deutsche Werke setzen? Als vor Jahren schon mal Forscher Alarm schlugen, beschied die Kultusministerkonferenz: Dies sei „keine Materie, die staatlichem Zugriff zugänglich ist“. Das sieht auch Burckhart so. Die Politik müsse aber Anreize schaffen: mehr Geld etwa für Übersetzungen und Dolmetscher an Unis. Nötig seien zudem europäische Instrumente, um den Zitier-Faktor zu messen. Die Professoren selbst seien gefordert, „in der eigenen Sprache zu sprechen, aber die des anderen ausreichend zu verstehen“. So appellierte Burckhart an seine Kollegen. Auf Deutsch.
Deutsch wird vom Englischen als Verkehrssprache der Geisteswissenschaften verdrängt. Holger Burckhart, Rektor der Uni Siegen, sagt, das führe zu geistiger Verarmung.
In Naturwissenschaften ist Englisch für Aufsätze, für Vorträge längst Regelfall. Mit Vorteilen: Forscher können sich schnell und präzise austauschen, es gibt einen gemeinsamen Nenner. Viele Geisteswissenschaftler, als Hüter der Sprache, sehen das kritischer. Professoren stecken aber in einem Dilemma. Burckhart sagt, dass Arbeiten „nur dann beachtet werden, wenn sie in Englisch verfasst werden“. An Fakultäten kursiert ein böser Satz: „Publish in English or perish in German“ – „Publiziere auf Englisch oder verrecke auf Deutsch“. Denn Erfolg von Wissenschaft wird heute danach bemessen, wie oft man von Kollegen zitiert wird. Die Datenbanken dafür blicken eher auf englischsprachige Werke.
Hochschulforscher des HIS-Instituts haben Forscher dazu befragt. „Die Erosion der deutschen Sprache vollzieht sich in Geisteswissenschaften nicht in demselben Maße wie in den Naturwissenschaften“, heißt es in der vom Bund geförderten Studie. Die Frage, ob Deutsch in ihrem Fach weltweit weniger Bedeutung als Englisch habe, bejahten aber fast 60 Prozent der Historiker; bei den Medienwissenschaftlern waren es 90 Prozent, sogar bei den Germanisten ein Fünftel. Deutsche Professoren veröffentlichen daher zunehmend auf Englisch; selbst wenn es um Pressezensur im Norddeutschen Bund geht, um Flugschriften der Reformation, um Richard Wagner oder Ingeborg Bachmann. Auf Englisch spiele man „sofort in einer anderen Liga“, hört man immer wieder. Auf Fachtagungen sind deutsche Worte oftmals allenfalls in der Raucherecke zu vernehmen.
Generell folgen die deutschen Unis dem Trend zur Internationalisierung, der Englisch in den Alltag bringt. Top-Forscher etwa aus den USA wurden über die Jahre angeworben, Deutsch galt da nicht gerade als Einstellungskriterium. Auch für Studenten aus dem Ausland wollen die Unis attraktiver sein. Es gibt Hörsäle, in denen Dozenten mit Muttersprache Deutsch ihre überwiegend deutschen Studenten auf Englisch unterrichten. Bundesweit sind gut 1000 rein englischsprachige Studiengänge gelistet: Anglistik und Amerikanistik natürlich, aber teils auch Chemie, Technik, Psychologie, Wirtschaft; in den Geistes- und Sozialwissenschaften erst wenige.
Wissenschaft arbeite „mit Wörtern, Metaphern, die in dem Denken verwurzelt sind, das auf der jeweiligen Muttersprache beruht“, so Burckhart. Zudem sei Englisch „nur anfangs einfach“. Kaum ein deutscher Wissenschaftler beherrsche dagegen qualifiziertes Englisch perfekt. Forscher suchten mit Englisch mehr Aufmerksamkeit, „entstellen aber ihre Arbeit, da sie deutsch Gedachtes mit englischen Worten ausdrücken“. Der Fakultätentag will das erörtern. Dabei geht es keineswegs darum, dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll; sondern um Mehrsprachigkeit, die Muttersprache nicht ignoriert. Tagungen mit deutschsprachigem Publikum sollten auf Deutsch stattfinden, empfiehlt Burckhart, bei international besetzten Terminen eben mit Simultandolmetschern.
Dass Deutsch in den USA und in England wieder an Renommee gewinnt, ist kaum zu erwarten. Die HIS-Autoren haben auch dort Forscher befragt. Fazit: In der angelsächsischen Welt nimmt Multilingualität ab, vor allem bei jüngeren Akademikern. Hilfreich sein könnten Übersetzungen von Arbeiten, die erst auf Deutsch entstehen. Auch wenn „die Gefahr besteht, dass Erkenntnisse unangemessen dargestellt werden“, so die Autoren. Es sei häufig der einzige Weg, „international überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden“.
Könnte die Politik eine Quote für deutsche Werke setzen? Als vor Jahren schon mal Forscher Alarm schlugen, beschied die Kultusministerkonferenz: Dies sei „keine Materie, die staatlichem Zugriff zugänglich ist“. Das sieht auch Burckhart so. Die Politik müsse aber Anreize schaffen: mehr Geld etwa für Übersetzungen und Dolmetscher an Unis. Nötig seien zudem europäische Instrumente, um den Zitier-Faktor zu messen. Die Professoren selbst seien gefordert, „in der eigenen Sprache zu sprechen, aber die des anderen ausreichend zu verstehen“. So appellierte Burckhart an seine Kollegen. Auf Deutsch.