Pasadena, eine bürgerliche Vorstadt von Los Angeles. Bassam „Barry“ Al- Fayeed (Adam Rayner), ein freundlicher Kinderarzt, bereitet sich auf einen unüblichen Familienausflug vor. Der Sohn seines Bruders Jamal (Ashraf Barhom) heiratet – im Phantasieland Abbudin im Mittleren Osten. Der Job von Jamal und Barrys Vater (Nasser Faris): Diktator. Barry wird das später so formulieren: „Meine Familie war im Unterdrückergeschäft.“
In Pasadena wird darüber kein Wort verloren. Barrys Frau Molly (Jennifer Finnigan) weiß nur Vages über den Mann, mit dem sie seit 19 Jahren verheiratet ist. „Euer Großvater ist eine Art König“, erklärt sie den Kindern im Flugzeug, das Bruder Jamal ausschließlich für die Familie aus Los Angeles gemietet hat. Als amerikanische Ehefrau sieht Molly in dem Ausflug das Gute: Nach der ganzen Zeit soll sich Barry mal so richtig mit seinem Vater ausquatschen. Was sie noch nicht weiß: Der Vater hat ihm als Neunjährigem beigebracht, wie man Männer abknallt, die der Herrscherfamilie ans Leder wollen.
Nach dem Riesenerfolg von "Homeland" – hier eine Szene aus der allerersten Episode – gehen die gleichen Macher nun mit "Tyrant" an den Start.
Auftritt Jamal. Der durchgeknallte Bruder fährt im roten Lamborghini vor, Led Zeppelin brüllt aus den Boxen, vorher sehen wir ihn beim Hass-Sex mit seiner Frau. Wir lernen: Jamal ist der lunatic in der Familie. Der Irre, der im Land geblieben ist, während Barry sich rausnahm, den amerikanischen Traum zu leben. Barrys Vergangenheit holt ihn nun ein. Molly, die gesprächsbereite Amerikanerin, wird seine Kommunikationsstörung, Gewaltbereitschaft und „Zugeknöpftheit“ nicht mehr verstehen. Aha, so ist er also, der Mann aus dem Mittleren Osten. Auch das lernen wir.
Soll Tyrant, die neue Serie, von FX als Hit fest eingeplant, sich tatsächlich um Männerprobleme drehen? Am Morgen nach dem Piloten am letzen Dienstag fühlten sich einige TV-Blogs an eine gutgemachte Soap mit vielen Explosionen, Jungfrauen-Sex, Prostituierten-Sex, Erschießungen und schnellen Autos erinnert – Denver Clan während des arabischen Frühlings. In der Tat gibt es seifige Momente, etwa wenn Barry mit seinem alten, schwachen Vater spazieren geht und dieser leise jammert, dass er sehr alleine sei, „jetzt wo Saddam und Gaddafi nicht mehr sind“.
Tyrant ist nach Homeland der nächste Versuch, Amerika versus den Mittleren Osten zu erklären: individuelle Entfaltung gegen familiäre Verantwortung. Und natürlich haben die amtierenden Experten diese Aufgabe übernommen. Die Homeland-Macher Howard Gordon (auch 24) und Gideon Raff sind zwei der Executive Producers. Ang Lee (Life of Pi) sollte Regie führen, sagte aber wegen „Müdigkeit und Burnout“ ab. HBO kämpfte um die Serie, verlor jedoch; Showtime winkte ab. FX landete den Coup, weil der Sender die größtmögliche künstlerische Freiheit anbot. Harry Potter-Regisseur David Yates übernahm die Inszenierung des Piloten.
Nach den Vorwürfen, mit Homeland künstlich Angst zu schüren, hatte Howard Gordon sich vorsorglich schon vor Drehbeginn mit Mitgliedern von Muslims on Screen and Television (MOST) beraten, einer Organisation, die Serienschreiber konsultieren können, wenn sie Klischees und falsche Mittlerer-Osten-Phantasien vermeiden wollen. Die kleine MOST-Konferenz bestand aus zwei Ägyptern, einem Syrer und einem Iraker.
Der syrische Teilnehmer befand Tyrant für sehr gut, vor allem die Darstellung des Diktators sei „für Hollywood-Verhältnisse sehr differenziert“. Tyrant ist jedoch nicht angetreten, um ein möglichst detailgetreues Diktatoren-Porträt zu zeichnen oder direkte Parallelen zwischen Syriens Baschar al-Assad und Barry herzustellen: dem Zurückgekehrten aus der westlichen Welt, der in der alten Heimat zu ungeahnter Gewaltbereitschaft tendiert.
Tyrant gibt sich psychologisch statt politisch. Diesmal aber spielt sich das Drama nicht im Kopf einer bipolaren Blondine ab wie in Homeland, sondern in einer durchschnittlichen Vorstadtfamilie und in der Männerpsyche eines Kinderarztes, der seinen inneren Godfather-Konflikt austragen muss, eine der Urängste aller Einwanderer in die USA: Du kannst dein Land verlassen, aber das Land nicht dich. Ist es das, was Gordon meint, wenn er sagt, er hätte die Serie gern „emotional korrekt“?
Mit anderen Worten: Vito Corleone konnte zwar wie ein Kennedy feiern, aber dann, im entscheidenden Moment, bricht der sizilianische Pate in ihm durch. So ergeht es auch dem netten Barry in Tyrant. Er kann noch so viele süße, bürgerliche Kinder in Pasadena behandeln, am Ende bleibt er der Diktatorensohn.
Merkwürdig: 20 Jahre schon ist er in Amerika, aus Bassam wurde Barry, und doch hält man es nach der Pilotfolge für denkbar, dass Barry sich auch in einen Irren verwandelt wie sein Bruder.
Der Konflikt betrifft natürlich auch Barrys Familie, etwa Tochter Emma (Anne Winters) , über die es auf dem Tyrant-Twitteraccount heißt: „Ein normales Teenager-Girl in einer gefährlichen Welt aus Wohlstand und Macht. Kann es sich selbst beschützen?“
Tyrant wird uns in zunächst zehn Episoden die Antwort geben, aber nach den Andeutungen im Piloten wird Emma es nicht schaffen und durch den Kontakt zur reichen Familie ihres Vaters ein durchtriebenes Luxus-Biest werden, sobald es in Kontakt mit Vaters alter, reicher Familie kommt. Die Vorlage für diese Existenz hat Emma jedoch schon in ihrem Heimatland gelernt und ist mit der Erziehung als american girl gut gerüstet, wenn es um die Beschäftigung mit Luxus und Macht geht. Um Emma müssen wir uns also weniger Sorgen machen als um ihren Vater.
In Pasadena wird darüber kein Wort verloren. Barrys Frau Molly (Jennifer Finnigan) weiß nur Vages über den Mann, mit dem sie seit 19 Jahren verheiratet ist. „Euer Großvater ist eine Art König“, erklärt sie den Kindern im Flugzeug, das Bruder Jamal ausschließlich für die Familie aus Los Angeles gemietet hat. Als amerikanische Ehefrau sieht Molly in dem Ausflug das Gute: Nach der ganzen Zeit soll sich Barry mal so richtig mit seinem Vater ausquatschen. Was sie noch nicht weiß: Der Vater hat ihm als Neunjährigem beigebracht, wie man Männer abknallt, die der Herrscherfamilie ans Leder wollen.
Nach dem Riesenerfolg von "Homeland" – hier eine Szene aus der allerersten Episode – gehen die gleichen Macher nun mit "Tyrant" an den Start.
Auftritt Jamal. Der durchgeknallte Bruder fährt im roten Lamborghini vor, Led Zeppelin brüllt aus den Boxen, vorher sehen wir ihn beim Hass-Sex mit seiner Frau. Wir lernen: Jamal ist der lunatic in der Familie. Der Irre, der im Land geblieben ist, während Barry sich rausnahm, den amerikanischen Traum zu leben. Barrys Vergangenheit holt ihn nun ein. Molly, die gesprächsbereite Amerikanerin, wird seine Kommunikationsstörung, Gewaltbereitschaft und „Zugeknöpftheit“ nicht mehr verstehen. Aha, so ist er also, der Mann aus dem Mittleren Osten. Auch das lernen wir.
Soll Tyrant, die neue Serie, von FX als Hit fest eingeplant, sich tatsächlich um Männerprobleme drehen? Am Morgen nach dem Piloten am letzen Dienstag fühlten sich einige TV-Blogs an eine gutgemachte Soap mit vielen Explosionen, Jungfrauen-Sex, Prostituierten-Sex, Erschießungen und schnellen Autos erinnert – Denver Clan während des arabischen Frühlings. In der Tat gibt es seifige Momente, etwa wenn Barry mit seinem alten, schwachen Vater spazieren geht und dieser leise jammert, dass er sehr alleine sei, „jetzt wo Saddam und Gaddafi nicht mehr sind“.
Tyrant ist nach Homeland der nächste Versuch, Amerika versus den Mittleren Osten zu erklären: individuelle Entfaltung gegen familiäre Verantwortung. Und natürlich haben die amtierenden Experten diese Aufgabe übernommen. Die Homeland-Macher Howard Gordon (auch 24) und Gideon Raff sind zwei der Executive Producers. Ang Lee (Life of Pi) sollte Regie führen, sagte aber wegen „Müdigkeit und Burnout“ ab. HBO kämpfte um die Serie, verlor jedoch; Showtime winkte ab. FX landete den Coup, weil der Sender die größtmögliche künstlerische Freiheit anbot. Harry Potter-Regisseur David Yates übernahm die Inszenierung des Piloten.
Nach den Vorwürfen, mit Homeland künstlich Angst zu schüren, hatte Howard Gordon sich vorsorglich schon vor Drehbeginn mit Mitgliedern von Muslims on Screen and Television (MOST) beraten, einer Organisation, die Serienschreiber konsultieren können, wenn sie Klischees und falsche Mittlerer-Osten-Phantasien vermeiden wollen. Die kleine MOST-Konferenz bestand aus zwei Ägyptern, einem Syrer und einem Iraker.
Der syrische Teilnehmer befand Tyrant für sehr gut, vor allem die Darstellung des Diktators sei „für Hollywood-Verhältnisse sehr differenziert“. Tyrant ist jedoch nicht angetreten, um ein möglichst detailgetreues Diktatoren-Porträt zu zeichnen oder direkte Parallelen zwischen Syriens Baschar al-Assad und Barry herzustellen: dem Zurückgekehrten aus der westlichen Welt, der in der alten Heimat zu ungeahnter Gewaltbereitschaft tendiert.
Tyrant gibt sich psychologisch statt politisch. Diesmal aber spielt sich das Drama nicht im Kopf einer bipolaren Blondine ab wie in Homeland, sondern in einer durchschnittlichen Vorstadtfamilie und in der Männerpsyche eines Kinderarztes, der seinen inneren Godfather-Konflikt austragen muss, eine der Urängste aller Einwanderer in die USA: Du kannst dein Land verlassen, aber das Land nicht dich. Ist es das, was Gordon meint, wenn er sagt, er hätte die Serie gern „emotional korrekt“?
Mit anderen Worten: Vito Corleone konnte zwar wie ein Kennedy feiern, aber dann, im entscheidenden Moment, bricht der sizilianische Pate in ihm durch. So ergeht es auch dem netten Barry in Tyrant. Er kann noch so viele süße, bürgerliche Kinder in Pasadena behandeln, am Ende bleibt er der Diktatorensohn.
Merkwürdig: 20 Jahre schon ist er in Amerika, aus Bassam wurde Barry, und doch hält man es nach der Pilotfolge für denkbar, dass Barry sich auch in einen Irren verwandelt wie sein Bruder.
Der Konflikt betrifft natürlich auch Barrys Familie, etwa Tochter Emma (Anne Winters) , über die es auf dem Tyrant-Twitteraccount heißt: „Ein normales Teenager-Girl in einer gefährlichen Welt aus Wohlstand und Macht. Kann es sich selbst beschützen?“
Tyrant wird uns in zunächst zehn Episoden die Antwort geben, aber nach den Andeutungen im Piloten wird Emma es nicht schaffen und durch den Kontakt zur reichen Familie ihres Vaters ein durchtriebenes Luxus-Biest werden, sobald es in Kontakt mit Vaters alter, reicher Familie kommt. Die Vorlage für diese Existenz hat Emma jedoch schon in ihrem Heimatland gelernt und ist mit der Erziehung als american girl gut gerüstet, wenn es um die Beschäftigung mit Luxus und Macht geht. Um Emma müssen wir uns also weniger Sorgen machen als um ihren Vater.