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„Ich war ein Volljunkie“

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Es war einer der dunkelsten Momente des an dunklen Momenten wahrlich nicht armen öffentlich-rechtlichen Fernsehens: Am 17. September 2012 trat die Schauspielerin Jenny Elvers sichtlich angetrunken und verwirrt in der NDR-Talkshow „DAS!“ auf. Der Anblick war nicht nur für Elvers beschämend. Auch der Sender benahm sich daneben. Statt das Interview abzubrechen und den Gast vor sich selbst zu schützen, hielt die Kamera 45 Minuten lang drauf. Als Elvers irgendwann ein Glas umstieß, witzelte die Moderatorin, dass „natürlich“ nur Wasser nachgeschenkt werde. Ein Trauerspiel. Es folgten hämische Schlagzeilen über den „Lall-Auftritt“, eine rührselige TV-Beichte und eine sehr öffentliche Trennung von ihrem Mann. Jetzt, fast zwei Jahre später, spricht Jenny Elvers zum ersten Mal über den Verlauf ihrer Therapie und weshalb sie – in Maßen – wieder trinken will. Dazu, dass ihr Freund und Manager Steffen von der Beeck kürzlich alkoholisiert am Steuer erwischt worden sein soll, was ebenfalls breit vom Boulevard berichtet wurde, will die 42-Jährige aus rechtlichen Gründen nichts sagen. Zum Gespräch in einem Wellnesshotel am Tegernsee erscheint Jenny Elvers frisch und ausgeruht. Sie antwortet auch auf unangenehme Fragen offen.



Nach beschämenden Auftritten und einer öffentlichen Trennung kämpft
Jenny Elvers um ihren Ruf.

SZ: Frau Elvers, Sie wollen wieder trinken?
Jenny Elvers: Das ist vor allem meinem Therapeuten wichtig. Er glaubt nicht, dass ich es schaffe, ganz aufzuhören. Was er mir mitgegeben hat, ist die Ansage: Heute trinke ich nicht. Morgen vielleicht, aber heute nicht. Denn dieses Ziel, ein Leben lang nicht mehr zu trinken, ist wie ein Berg, der einen einschüchtert. Die Heute-nicht-Strategie schafft Etappenziele. Aber bis jetzt habe ich die Finger vom Alkohol gelassen.

Sie gehen mit Ihrer Alkoholsucht sehr offenherzig um. Warum?
Ich bin öffentlich abgestürzt, also muss ich öffentlich auf die Beine kommen. Aber, um ehrlich zu sein: Heute bereue ich, dass ich nach der missglückten Talkshow eine öffentliche Alkoholbeichte abgelegt habe.

Warum?
Ich habe die Welt im Vollrausch verlassen und bin nüchtern zurückgekommen. Es war zu früh, ich hätte mehr Zeit gebraucht.

Sind Sie süchtig nach Öffentlichkeit?
Glauben Sie mir, ich fühle mich auch wohl, wenn ich nicht ständig in den Magazinen zu sehen bin. Nach meinem Absturz war es eher die Scham, die mich gleich wieder an die Öffentlichkeit gedrängt hat. Ich wollte allen zeigen: Seht her, mir geht’s gut! Es war ein tolles Gefühl, über den roten Teppich zu laufen und hinterher sagen zu können: Geschafft! Nicht gestolpert! Es ist ja immer die Angst da, dass mir ein Stolpern als Suff ausgelegt wird.

Holt Sie die Öffentlichkeit, die Sie immer gesucht haben, jetzt ein?
Sie hat mir einen normalen Umgang mit dem Thema Alkohol unmöglich gemacht. Wenn ich im Supermarkt einkaufe, verfolgen mich Paparazzi. Ich habe das Gefühl, die Medienwelt wartet darauf, dass ich die Wodkaflasche wieder auspacke, am besten gleich auf dem Supermarktparkplatz.

Sie haben für Ihre öffentliche Beichte aber auch Applaus bekommen.
Es ist ja nicht das erste Mal, dass jemand, der eine schwere Erkrankung hat, Anerkennung bekommt. Auch in der Klinik habe ich Menschen getroffen, die mir gesagt haben: Ich habe Ihren Talkshow-Auftritt gesehen und deswegen den Schritt in die Therapie gemacht. Traurig, nicht wahr?

Aber auch tröstlich.
Finde ich nicht. Was soll ich da antworten? Herzlichen Glückwunsch? Ich will nicht die Vorzeigealkoholikerin der Nation sein.

Lange Zeit haben Sie Ihre Trinkerei ja erfolgreich vertuscht.
Ich habe während der Arbeit getrunken, hatte aber lange Zeit keine Ausfallerscheinungen. Kein Lallen, kein Stolpern, kein wirres Zeug reden. Umso mehr frage ich mich: Wann war dieser verdammte Tag, an dem ich die Kontrolle verloren habe? Ich wüsste das gerne, um es aufarbeiten zu können. Wer das nicht schafft, wird nie kontrolliert trinken können.

Was haben Sie getrunken?
Vor allem Wodka und Gin. Mein Therapeut hat von Druckbetankung gesprochen. Weil es mir nur um den schnellen Rausch ging. In der Klinik habe ich Menschen kennengelernt, bei denen es noch heftiger war. Da war ein Topmanager, der hat Sagrotan getrunken, weil die Ehefrau den Alkohol weggeräumt hatte. Das hat mit Genuss natürlich nichts mehr zu tun.

Trotzdem haben Sie am Morgen danach funktioniert?
Anfangs schon. Natürlich habe ich gemerkt, dass ich nach dem Aufstehen gezittert habe. Aber nach einem Gläschen Prosecco war ich wieder fit. Nicht mein Kopf wollte trinken, sondern mein Körper. Ich dachte mir: Um das Zittern abzustellen, trinkst du jetzt was, und morgen lässt du es. Das habe ich mir eingeredet. Solange, bis ich morgens gar nicht mehr aus dem Bett gekommen bin. Ich war ein Volljunkie.

Wie viel hatten Sie intus, als Sie in der berüchtigten Talkshow saßen?
Nicht viel. Das Problem war, dass ich schon einen Grundpegel hatte. Da haben zwei Gläser Prosecco vor der Sendung gereicht, dass alles extrem gekippt ist.

Wann ist Ihnen klar geworden, dass Ihr Auftritt fatal war?
Sie werden es nicht glauben, aber danach war ich mit zwei Freundinnen zum Essen verabredet, da habe ich mich total klar gefühlt. Ich habe schon gespürt, dass die Sendung nicht so gut gelaufen war, aber es ging mir gut. Am Abend bin ich mit dem Gesicht auf dem Boden der Restauranttoilette aufgewacht.

Wie war der Tag danach?
Ich habe mich wahnsinnig geschämt. Ganz Deutschland hatte mich besoffen gesehen. Und Alkohol ist eine Droge, die man gern dem Penner auf der Parkbank zuschreibt.

Ist die Scham noch da?
Die habe ich erst kürzlich wieder gespürt. Zu einem WM-Spiel hatte ich Freunde eingeladen. Im Supermarkt dachte ich mir: Scheiße, Bier kaufen kann ich nicht. Wegen der Blicke. Ich habe es dann trotzdem gemacht, aber an der Kasse hätte ich am liebsten eine Erklärung dazu abgegeben.

Die Blicke, die öffentliche Aufmerksamkeit: Das sind große Themen für Sie.
Auch wenn mir das keiner glaubt, ich hatte nie den Gedanken: Ich stehe in der Zeitung, also bin ich.

Jetzt flunkern Sie aber.
Es stimmt schon, dass die Aufmerksamkeit für mich früher eine große Antriebsfeder war. Und natürlich wusste ich, dass ich abgelichtet werde, wenn ich über den roten Teppich gehe. Und wenn mein Foto in der Gala hinterher das größte ist, dann habe ich meinen Job gut gemacht. Mal ehrlich: Das ist Teil des Jobs. Aber ich gehöre nicht zu den hauptberuflichen Rote-Teppich-Geherinnen, bei denen ich mich frage, wie die eigentlich ihr Geld verdienen.

Das fragen sich bei Ihnen auch einige.
Ich bin Schauspielerin.

Sie haben die Buhlschaft bei den Berliner Jedermann-Festspielen gespielt und Lady Diana in einer Theaterinszenierung von Christoph Schlingensief. Andererseits waren Sie im „Big Brother“-Haus und füttern den Boulevard mit Schlagzeilen.
Ich finde, das eine schließt das andere nicht aus. Ich habe mich immer in beiden Welten wohlgefühlt, auch wenn weder Boulevard noch Feuilletons diesen Ausfallschritt verstanden haben.

Wann hat das angefangen: diese Lust am Fotografiert-Werden? War das, als Sie mit 17 Jahren „Heidekönigin“ wurden?
Auf jeden Fall hat sich damals eine neue Welt für mich geöffnet. Ich war noch nie geflogen, und plötzlich durfte ich als Heidekönigin nach Japan reisen. Ich war in den Zeitungen, eine Modelagentur kam auf mich zu, dann bekam ich eine Anfrage für Shampoo-Werbung. Ich habe das gar nicht überblickt. Mit 17 war ich plötzlich in einer neuen Welt. Da gab es kein Zurück mehr.

Sind Prominente besonders gefährdet?
Das weiß ich nicht. Aber ich kann Ihnen sagen, dass in der Entzugsklinik hochrangige Manager waren, auch jemand aus dem Showbereich. Alles Leute, die unter öffentlicher Beobachtung stehen.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass Sie abhängig geworden sind?
Ich habe immer gern und viel getrunken, ohne dass es problematisch war. Wann es gekippt ist, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es mit Schlaftabletten angefangen hat. Ich konnte nicht schlafen, also habe ich eine Tablette genommen, irgendwann zwei, dann drei, und trotzdem war ich um drei Uhr morgens noch wach. Also habe ich angefangen, zusätzlich ein Glas Rotwein zu trinken. Dann zwei Gläser, drei Gläser und irgendwann eine ganze Flasche.

Wie geht es Ihnen heute?
An guten Tagen komme ich klar, an schlechten bitte ich die Leute um mich herum, nicht in meiner Gegenwart zu trinken. Aber auf keinen Fall möchte ich mit Alkohol alleine sein. Als mein Mann mich kurz nach dem Entzug nach zehn Jahren Ehe verlassen hat, war ich mit 800 Flaschen Wein allein im Haus. Frisch aus dem Entzug, mit Liebeskummer: Das war heftig. Ich habe den Weinkeller sofort ausräumen lassen. Ich habe mir selbst nicht vertraut.

Wie sieht es mit dem Vertrauen in Ihrem Umfeld aus?
Ich möchte von niemandem kontrolliert werden. Der Einzige, der das darf, ist mein Sohn. Ich habe ihm einen Alkomaten geschenkt, damit er mich jederzeit testen und mir irgendwann wieder vertrauen kann.

Haben Sie nach Ihrem Talkshow-Auftritt darüber nachgedacht, hinzuwerfen und sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen – auch Ihrem Sohn zuliebe?
Das war eine Option, natürlich. Aber ich liebe meinen Beruf. Und ich kann ja nichts anderes, ich habe nichts anderes gelernt.

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