In einem Staat, der an gewachsenen Traditionen so arm ist wie die Bundesrepublik, ist das Nachwachsen der Generationen in den Familien des 20. Juli 1944 ein von Jahr zu Jahr schöner werdender Eindruck. Hitler, der Todesfanatiker, hat nicht gesiegt, in einem ganz elementaren Sinn: Inzwischen tummeln sich in den Reihen der Ehrengäste der Gedenkfeiern im Berliner Bendlerblock wieder viele Kinder unter zehn Jahren. Stauffenberg, Trott, Jessen und so viele andere Namen gibt es noch; sie stehen als bloße Namen für sich, während die demokratisch gewählten Politiker sich an diesem Tag durchs Reden bewähren müssen.
Worte zum Freiheitsverständnis der Deutschen: Bundespräsident Joachim Gauck spricht im Bendlerblock
Es ist keine leichte Übung, am 20. Juli an dem Ort, in dem in der Nacht zum 21. Juli 1944 die Hauptverschwörer standrechtlich erschossen wurden, immer wieder die richtigen Worte zu finden. Denn es gibt kaum einen Teil im breiten Spektrum des Widerstands gegen Hitler, an den heutige Parteien oder Politiker programmatisch anschließen könnten. Dass die Verschwörer des 20.Juli ideologisch keine Vorläufer der Bundesrepublik waren, hat ihnen die zeithistorische Forschung fast über Gebühr nachgewiesen.
Der Kommunismus ist ohnehin kompromittiert, trotzdem wird zu Recht an die todesmutigen Kommunisten erinnert, die gegen Hitler kämpften. Der Adels- und Offizierswiderstand, für den der Name Stauffenberg steht, ist zwar nicht ganz ohne Tradition gerade in der preußischen Geschichte: Als Eigensinn des „Landes“ gegen eine nicht unmoralische, aber unzulängliche Regierung des „Königtums“ hat er in Kleists „Prinz von Homburg“ und Fontanes „Vor dem Sturm“ große Bilder gefunden, auch wenn hier kein Einsatz des eigenen Lebens verlangt war.
Und doch: Einer der ersten Sätze, die Bundespräsident Gauck jetzt zum 70. Jahrestag aus Stauffenbergs Regierungserklärung zitierte, hat einen fremden Klang: „Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wiederhergestellt.“ Meinungsfreiheit, das ist Presse, das sind Demonstrationen, wie sie heute Gott sei Dank zum demokratischen Alltag gehören. Freiheit des Geistes ist, wenn es ernst wird, auch eine Charakterfrage. Gauck, der protestantische Pastor, legte einen starken Akzent auf diesen persönlichen Anteil, ohne den weder die Einsamkeit noch die fortdauernde Bedeutung der Taten und Opfer des 20. Juli zu erklären sind. „Und doch kennt jeder einzelne von uns“, sagte Gauck, „jene innere Frage, auf die es eine leichte und gleichzeitig wahrhaftige Antwort schwer geben kann: Wie würde ich mich verhalten, wenn ich wüsste, dass der Preis meines Handelns Gefängnis, Folter und gar das Ende des eigenen Lebens sein kann?“
Der unter entspannten rechtsstaatlichen Umständen natürliche Selbstzweifel, der daraus folgt, aber sei, so Gauck, „etwas enorm Gefährliches: Da man sich nicht vorstellen kann, das letzte Opfer zu bringen, verzichtet man darauf zu erkennen, welches Maß an Opposition oder Widerstand dem einzelnen Individuum möglich ist. Aber aus der Erkenntnis, dass man sich nicht geschaffen fühlt, sein Leben für das Fortleben von Werten zu opfern, darf man niemals folgern, dass man nichts tun kann.“
Das ist in der Tat immer wieder der springende Punkt. „Widerstand“ ist längst gängige Münze, „Gewissen“ klingt schon komplizierter, aber am Ende zeigen die historischen Beispiele, dass es am Ernstesten wird mit dem Widerstand, wenn er aus dem eigenem Gewissen gegen das eigene Milieu mit seiner konventionellen Sittlichkeit oder auch nur gegen schlichten Korpsgeist geleistet werden muss. Das wusste der gewissenlose Hitler besser als heutige postkonventionelle Moralisten, und darum legte er das Beamten- und Offizierskorps des Deutschen Reichs an eine feste immaterielle Kette durch den persönlichen Treueid auf seine Person.
Es hat in der Gegenwart von Uniformierten immer noch etwas Ungewöhnliches, den Helden, derer man gedenkt, wie Kanzleramtsminister Altmaier im Grußwort nachzurühmen, sie hätten „den Eid für ein besseres Deutschland gebrochen“. Und Gauck, den ein törichter „Widerstand“ vor allem im Internet als „Kriegshetzer“ verunglimpft, weil er die internationale Präsenz der Bundeswehr für unabweisbar hält, nutzte die Gelegenheit, an diesem militärischen Ort zu sagen, er sei stolz auf eine Bundeswehr, „die sich nicht auf obrigkeitsstaatliche Traditionen beruft, sondern auf Widerstand gegen das Unrecht“.
„Rechtsstaat muss immer Rechtsstaat, Demokratie muss immer Demokratie, Menschenwürde muss immer Menschenwürde bleiben“ – jener präsidiale Satz klingt nach Edward Snowden, dem Helden gegen sein eigenes Milieu, unphrasenhaft. „Einigkeit“ ist das erste Wort der Nationalhymne, die im Bendlerblock am Ende gesungen wird, aber die beiden anderen sind deutlich wichtiger.
Worte zum Freiheitsverständnis der Deutschen: Bundespräsident Joachim Gauck spricht im Bendlerblock
Es ist keine leichte Übung, am 20. Juli an dem Ort, in dem in der Nacht zum 21. Juli 1944 die Hauptverschwörer standrechtlich erschossen wurden, immer wieder die richtigen Worte zu finden. Denn es gibt kaum einen Teil im breiten Spektrum des Widerstands gegen Hitler, an den heutige Parteien oder Politiker programmatisch anschließen könnten. Dass die Verschwörer des 20.Juli ideologisch keine Vorläufer der Bundesrepublik waren, hat ihnen die zeithistorische Forschung fast über Gebühr nachgewiesen.
Der Kommunismus ist ohnehin kompromittiert, trotzdem wird zu Recht an die todesmutigen Kommunisten erinnert, die gegen Hitler kämpften. Der Adels- und Offizierswiderstand, für den der Name Stauffenberg steht, ist zwar nicht ganz ohne Tradition gerade in der preußischen Geschichte: Als Eigensinn des „Landes“ gegen eine nicht unmoralische, aber unzulängliche Regierung des „Königtums“ hat er in Kleists „Prinz von Homburg“ und Fontanes „Vor dem Sturm“ große Bilder gefunden, auch wenn hier kein Einsatz des eigenen Lebens verlangt war.
Und doch: Einer der ersten Sätze, die Bundespräsident Gauck jetzt zum 70. Jahrestag aus Stauffenbergs Regierungserklärung zitierte, hat einen fremden Klang: „Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wiederhergestellt.“ Meinungsfreiheit, das ist Presse, das sind Demonstrationen, wie sie heute Gott sei Dank zum demokratischen Alltag gehören. Freiheit des Geistes ist, wenn es ernst wird, auch eine Charakterfrage. Gauck, der protestantische Pastor, legte einen starken Akzent auf diesen persönlichen Anteil, ohne den weder die Einsamkeit noch die fortdauernde Bedeutung der Taten und Opfer des 20. Juli zu erklären sind. „Und doch kennt jeder einzelne von uns“, sagte Gauck, „jene innere Frage, auf die es eine leichte und gleichzeitig wahrhaftige Antwort schwer geben kann: Wie würde ich mich verhalten, wenn ich wüsste, dass der Preis meines Handelns Gefängnis, Folter und gar das Ende des eigenen Lebens sein kann?“
Der unter entspannten rechtsstaatlichen Umständen natürliche Selbstzweifel, der daraus folgt, aber sei, so Gauck, „etwas enorm Gefährliches: Da man sich nicht vorstellen kann, das letzte Opfer zu bringen, verzichtet man darauf zu erkennen, welches Maß an Opposition oder Widerstand dem einzelnen Individuum möglich ist. Aber aus der Erkenntnis, dass man sich nicht geschaffen fühlt, sein Leben für das Fortleben von Werten zu opfern, darf man niemals folgern, dass man nichts tun kann.“
Das ist in der Tat immer wieder der springende Punkt. „Widerstand“ ist längst gängige Münze, „Gewissen“ klingt schon komplizierter, aber am Ende zeigen die historischen Beispiele, dass es am Ernstesten wird mit dem Widerstand, wenn er aus dem eigenem Gewissen gegen das eigene Milieu mit seiner konventionellen Sittlichkeit oder auch nur gegen schlichten Korpsgeist geleistet werden muss. Das wusste der gewissenlose Hitler besser als heutige postkonventionelle Moralisten, und darum legte er das Beamten- und Offizierskorps des Deutschen Reichs an eine feste immaterielle Kette durch den persönlichen Treueid auf seine Person.
Es hat in der Gegenwart von Uniformierten immer noch etwas Ungewöhnliches, den Helden, derer man gedenkt, wie Kanzleramtsminister Altmaier im Grußwort nachzurühmen, sie hätten „den Eid für ein besseres Deutschland gebrochen“. Und Gauck, den ein törichter „Widerstand“ vor allem im Internet als „Kriegshetzer“ verunglimpft, weil er die internationale Präsenz der Bundeswehr für unabweisbar hält, nutzte die Gelegenheit, an diesem militärischen Ort zu sagen, er sei stolz auf eine Bundeswehr, „die sich nicht auf obrigkeitsstaatliche Traditionen beruft, sondern auf Widerstand gegen das Unrecht“.
„Rechtsstaat muss immer Rechtsstaat, Demokratie muss immer Demokratie, Menschenwürde muss immer Menschenwürde bleiben“ – jener präsidiale Satz klingt nach Edward Snowden, dem Helden gegen sein eigenes Milieu, unphrasenhaft. „Einigkeit“ ist das erste Wort der Nationalhymne, die im Bendlerblock am Ende gesungen wird, aber die beiden anderen sind deutlich wichtiger.