Unter Kinogängern gibt es eine Disziplin, die sich großer Beliebtheit erfreut: das Blockbuster-Bashing. Blockbuster zu bashen ist einfach und macht mindestens so viel Spaß wie Blockbuster selbst. Immer wieder müssen sie für zwei kulturpessimistische Vorurteile über Hollywood herhalten: dass dort zum Ärger oder zum dumpfen Vergnügen nur blöde rumgeballert und zerstört werde, und dass weiter das Franchise-Prinzip noch jeder verbleibenden Kreativität den Garaus machen würde. Das Faszinierende aber ist, dass viele aktuelle Blockbuster zu dem, was sich in ihnen zum x-ten Mal wiederholt, eine ganz neue Perspektive einnehmen. Ganz so, als würden sie sich aus einiger Distanz selbst betrachten – und so neu erfinden.
Der neue "Planet der Affen" wird aus der Perspektive der Tiere erzählt.
Im neuen „Planet der Affen – Revolution“ zum Beispiel geht die Welt schon im Vorspann unter – eine letzte Reminiszenz an den Vorgängerfilm. Und dann blicken sie einen an: die Augen des Affen. Es ist in dieser Perspektive, durch welche der Zuschauer in den Film eintaucht, als würde er mit der 3-D-Brille sich selbst diese Augen des Affen aufziehen, um die Welt neu sehen zu lernen. Langsam geht die Kamera zurück, auf eine Affenbande kurz vor der Jagd. Kommuniziert wird zunächst nur in gutturalen Lauten, die in Untertiteln übersetzt werden, erst langsam entwickelt sich eine Sprache. Natürlich tauchen schon bald die Menschen auf, die in einem Ghetto in San Francisco hausen. Es gibt actiongeladene Kämpfe zwischen Tier und Mensch. Dennoch bleibt der Film bis zuletzt in der Perspektive der Tiere, sodass einem der Mensch und seine Probleme selten so fremd vorgekommen sind.
Auch Michael Bays „Transformers 4“ ist, mit Sicherheit, so martialisch und futuristisch-technikgläubig, wie alle sagen. Aber die Art, wie das präsentiert wird, ist überraschend subtil. Die Städtezerstörung bleibt, im Gegensatz zum letzten Teil der Reihe, praktisch aus. Es scheint, als seien die Roboter gar nicht mehr richtig in die Wirklichkeit integriert, als hätten sie ihren eigenen Bereich unabhängig vom Wirklichen, das sie kaum mehr berühren – und kaum zerstören. Der Grund: In einem Labor präsentiert ein Steve-Jobs-Verschnitt das Element der Zukunft, das „Transformium“, das über seinen hohlen Händen schwebt, außerhalb des Wirklichen. Eine Horde aus groben Pixeln, die erst die Form eines Hirns annehmen, dann eines Kopfhörers, dann einer Waffe. Leicht kann man im Transformium die digitale Textur computergenerierter Bilder ohne Transformationsgrenzen erkennen. Weniger geht es hier also um Waffen, Autos, Roboter, sondern um das Transformium selbst – mit faszinierendem Ergebnis. Denn nach einem Ausflug in ein irrsinnig unförmiges Mash-Up-Raumschiff schweben am Ende alle möglichen Gegenstände – Autos, Schiffe, Roboter, Menschen – in einer verblüffenden Szene über Hongkong – angesogen von einem riesigen Raumschiffmagneten, der nichts weiter mit ihnen zu tun weiß, als sie irgendwann wieder fallen zu lassen. „Transformers 4“ ist weniger ein weiterer Weltzerstörungsfilm als eine von jedem Gewicht befreite, digitale Dada-Collage, welche die Wirklichkeit nur noch als Hintergrund braucht, auf dem komplett heterogene Figuren zusammengeklebt werden können.
Gerade wo man es am wenigsten erwartet, kann das Action-Kino also plötzlich äußerst subtile Züge annehmen. Nicht nur bei Bay, sondern auch dort, wo im Gegenteil die Städteeinäscherung ein bedenkliches Ausmaß annimmt. Zum Beispiel in „Godzilla“ von Gareth Edwards. Die japanische Urzeitbestie und die mit ihr im Kampf liegenden Mutos lassen in Städten wie San Francisco keinen Stein auf dem anderen. Und dennoch sind sie oft gar nicht mehr zu sehen, sondern nur in ihren Effekten gegenwärtig. Da huschen nur noch Auge und Maul ganz nah und riesenhaft unter einer Brücke hindurch, ohne dass man je die ganze Form erfassen könnte. Oder große Monsterteile verschwinden in Nebelbänken. Seine eigentliche Präsenz hat Godzilla eher auf der gewaltig dröhnenden Tonspur. Schon das Filmplakat, auf dem Fallschirmspringer in einen düsteren Abendhimmel stürzen, enthält lediglich eine Andeutung von Godzillas Rücken. Das demonstriert nicht nur seine gewaltige Dimension, sondern auch die Überflüssigkeit, diese überhaupt noch zu zeigen, weil man einfach schon genug gesehen hat.
Dem schließt sich auch Michael Bay an, der bereits im dritten Teil seiner „Transformers“ Chicago zerstört hatte und nun in Teil vier auf Zertrümmerungsorgien verzichtet. Weshalb man eigentlich sagen muss, dass gerade das Wiederholungsprinzip im Hollywoodfilm einiges für sich hat. Dass wir nur dank dieses Prinzips heute in den Genuss von Filmen kommen, die nicht mehr alles zeigen müssen, sondern sich feinere Strategien überlegen müssen. Sodass in ihnen die Zerstörung der Welt zur dadaistischen Collage und das Monster zu einem Phantom wird.
Ein Film, der aus dieser Endlosschleife des Actionkinos selbst den größten Profit zieht, ist „Edge of Tomorrow“. Nachdem er im Kampfeinsatz gegen Aliens fällt, wacht der unsterbliche Soldat Tom Cruise vor dem Einsatz immer wieder auf – um exakt das Gleiche noch einmal zu erleben. Durch diesen permanenten Reboot lernt Cruise die Situationen immer besser zu meistern, sodass ihn irgendwann nichts von dem, was ihm zustößt, noch überraschen kann. Als sei klar, dass wir mittlerweile wirklich fast schon alles gesehen haben. Woraus aber gerade die schönsten narrativ-ironischen und visuellen Perlen des Films entstehen: In der rapide zunehmenden Anzahl an Wiedergeburten und Wiederholungen wird die (bald in allen Details bekannte) Action durch Ellipsen immer mehr übersprungen – als hätte die Filmdatei einen Fehler, als würde der Film hängen bleiben und permanent vor- und zurückspringen.
Auch Wolverine (Hugh Jackman) in Brian Singers letztem „X-Men“ ist ein unsterblicher, zeitreisender Held, der alles schon einmal erlebt zu haben scheint und damit für das Franchise-System, also die ewige Wiederkehr der Superhelden von Film zu Film im etwas stagnierenden Marvel-Universum selbst zu stehen scheint. Inmitten dieser Dauerwiederholung ist aber eben auch Platz für eine Figur, welche die Zeit in einer wunderbaren Szene zu Jim Croces Song „Time in aBottle“ extrem verlangsamt und den Raum so arrangiert, dass seine Freunde von den auf sie fliegenden Kugeln nicht getroffen werden.
Das Actionkino der diesjährigen Blockbuster-Saison zeigt, dass es längst alles an Spektakel gegeben hat. Es sucht natürlich immer noch die große Show, aber seine Originalität liegt nun in der Feinsinnigkeit und Scharfheit, mit der es das Wiederholte und Bekannte seziert. Nicht mehr in den berühmten vierundzwanzig Bildern pro Sekunde, sondern in der Zerdehnung eines einzigen Bildes; in den Ellipsen zwischen Wiederholungen des schon Bekannten; im Verschwinden der Monster; in der Anpreisung, ja gar der dadaistischen Verfremdung seiner Substanz: des digitalen Transformiums, das unabhängig über dem Teppich der aufgenommenen Kamerawirklichkeit schwebt; im Aufziehen eines „neuen Blicks“, der einen vor dem allzu bekannten wieder zum Primaten, zum ersten Menschen macht.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass zum Beispiel in Bays Film sich die Zeichen für eine Zeit nach dem Kino verdichten. Die erste Szene spielt in einem längst verfallenen Filmtheater. An der Wand der Kinoruine: ein Poster von „El Dorado“, dem 1966 gedrehten, vorletzten Western von Howard Hawks. Das war ein richtiger Film. Gemacht aus Wirklichem, aus Staub, aus John Wayne. Von einem richtigen Regisseur, einem der größten. Im Gegensatz zu „Transformers“, gemacht aus Transformium, Pixeln und Robotern.
Aber genau da gelingt Bay, den man nicht gerade als den subtilsten Filmemacher bezeichnen würde, die größte aller Feinheiten: einen Film zu machen, der kein richtiger Film mehr ist, sondern nur noch einem ähnelt. Das Kino ist nun in die Phase seiner Mimikry eingetreten. Worin heute auch sein neues El Dorado liegen könnte.
Der neue "Planet der Affen" wird aus der Perspektive der Tiere erzählt.
Im neuen „Planet der Affen – Revolution“ zum Beispiel geht die Welt schon im Vorspann unter – eine letzte Reminiszenz an den Vorgängerfilm. Und dann blicken sie einen an: die Augen des Affen. Es ist in dieser Perspektive, durch welche der Zuschauer in den Film eintaucht, als würde er mit der 3-D-Brille sich selbst diese Augen des Affen aufziehen, um die Welt neu sehen zu lernen. Langsam geht die Kamera zurück, auf eine Affenbande kurz vor der Jagd. Kommuniziert wird zunächst nur in gutturalen Lauten, die in Untertiteln übersetzt werden, erst langsam entwickelt sich eine Sprache. Natürlich tauchen schon bald die Menschen auf, die in einem Ghetto in San Francisco hausen. Es gibt actiongeladene Kämpfe zwischen Tier und Mensch. Dennoch bleibt der Film bis zuletzt in der Perspektive der Tiere, sodass einem der Mensch und seine Probleme selten so fremd vorgekommen sind.
Auch Michael Bays „Transformers 4“ ist, mit Sicherheit, so martialisch und futuristisch-technikgläubig, wie alle sagen. Aber die Art, wie das präsentiert wird, ist überraschend subtil. Die Städtezerstörung bleibt, im Gegensatz zum letzten Teil der Reihe, praktisch aus. Es scheint, als seien die Roboter gar nicht mehr richtig in die Wirklichkeit integriert, als hätten sie ihren eigenen Bereich unabhängig vom Wirklichen, das sie kaum mehr berühren – und kaum zerstören. Der Grund: In einem Labor präsentiert ein Steve-Jobs-Verschnitt das Element der Zukunft, das „Transformium“, das über seinen hohlen Händen schwebt, außerhalb des Wirklichen. Eine Horde aus groben Pixeln, die erst die Form eines Hirns annehmen, dann eines Kopfhörers, dann einer Waffe. Leicht kann man im Transformium die digitale Textur computergenerierter Bilder ohne Transformationsgrenzen erkennen. Weniger geht es hier also um Waffen, Autos, Roboter, sondern um das Transformium selbst – mit faszinierendem Ergebnis. Denn nach einem Ausflug in ein irrsinnig unförmiges Mash-Up-Raumschiff schweben am Ende alle möglichen Gegenstände – Autos, Schiffe, Roboter, Menschen – in einer verblüffenden Szene über Hongkong – angesogen von einem riesigen Raumschiffmagneten, der nichts weiter mit ihnen zu tun weiß, als sie irgendwann wieder fallen zu lassen. „Transformers 4“ ist weniger ein weiterer Weltzerstörungsfilm als eine von jedem Gewicht befreite, digitale Dada-Collage, welche die Wirklichkeit nur noch als Hintergrund braucht, auf dem komplett heterogene Figuren zusammengeklebt werden können.
Gerade wo man es am wenigsten erwartet, kann das Action-Kino also plötzlich äußerst subtile Züge annehmen. Nicht nur bei Bay, sondern auch dort, wo im Gegenteil die Städteeinäscherung ein bedenkliches Ausmaß annimmt. Zum Beispiel in „Godzilla“ von Gareth Edwards. Die japanische Urzeitbestie und die mit ihr im Kampf liegenden Mutos lassen in Städten wie San Francisco keinen Stein auf dem anderen. Und dennoch sind sie oft gar nicht mehr zu sehen, sondern nur in ihren Effekten gegenwärtig. Da huschen nur noch Auge und Maul ganz nah und riesenhaft unter einer Brücke hindurch, ohne dass man je die ganze Form erfassen könnte. Oder große Monsterteile verschwinden in Nebelbänken. Seine eigentliche Präsenz hat Godzilla eher auf der gewaltig dröhnenden Tonspur. Schon das Filmplakat, auf dem Fallschirmspringer in einen düsteren Abendhimmel stürzen, enthält lediglich eine Andeutung von Godzillas Rücken. Das demonstriert nicht nur seine gewaltige Dimension, sondern auch die Überflüssigkeit, diese überhaupt noch zu zeigen, weil man einfach schon genug gesehen hat.
Dem schließt sich auch Michael Bay an, der bereits im dritten Teil seiner „Transformers“ Chicago zerstört hatte und nun in Teil vier auf Zertrümmerungsorgien verzichtet. Weshalb man eigentlich sagen muss, dass gerade das Wiederholungsprinzip im Hollywoodfilm einiges für sich hat. Dass wir nur dank dieses Prinzips heute in den Genuss von Filmen kommen, die nicht mehr alles zeigen müssen, sondern sich feinere Strategien überlegen müssen. Sodass in ihnen die Zerstörung der Welt zur dadaistischen Collage und das Monster zu einem Phantom wird.
Ein Film, der aus dieser Endlosschleife des Actionkinos selbst den größten Profit zieht, ist „Edge of Tomorrow“. Nachdem er im Kampfeinsatz gegen Aliens fällt, wacht der unsterbliche Soldat Tom Cruise vor dem Einsatz immer wieder auf – um exakt das Gleiche noch einmal zu erleben. Durch diesen permanenten Reboot lernt Cruise die Situationen immer besser zu meistern, sodass ihn irgendwann nichts von dem, was ihm zustößt, noch überraschen kann. Als sei klar, dass wir mittlerweile wirklich fast schon alles gesehen haben. Woraus aber gerade die schönsten narrativ-ironischen und visuellen Perlen des Films entstehen: In der rapide zunehmenden Anzahl an Wiedergeburten und Wiederholungen wird die (bald in allen Details bekannte) Action durch Ellipsen immer mehr übersprungen – als hätte die Filmdatei einen Fehler, als würde der Film hängen bleiben und permanent vor- und zurückspringen.
Auch Wolverine (Hugh Jackman) in Brian Singers letztem „X-Men“ ist ein unsterblicher, zeitreisender Held, der alles schon einmal erlebt zu haben scheint und damit für das Franchise-System, also die ewige Wiederkehr der Superhelden von Film zu Film im etwas stagnierenden Marvel-Universum selbst zu stehen scheint. Inmitten dieser Dauerwiederholung ist aber eben auch Platz für eine Figur, welche die Zeit in einer wunderbaren Szene zu Jim Croces Song „Time in aBottle“ extrem verlangsamt und den Raum so arrangiert, dass seine Freunde von den auf sie fliegenden Kugeln nicht getroffen werden.
Das Actionkino der diesjährigen Blockbuster-Saison zeigt, dass es längst alles an Spektakel gegeben hat. Es sucht natürlich immer noch die große Show, aber seine Originalität liegt nun in der Feinsinnigkeit und Scharfheit, mit der es das Wiederholte und Bekannte seziert. Nicht mehr in den berühmten vierundzwanzig Bildern pro Sekunde, sondern in der Zerdehnung eines einzigen Bildes; in den Ellipsen zwischen Wiederholungen des schon Bekannten; im Verschwinden der Monster; in der Anpreisung, ja gar der dadaistischen Verfremdung seiner Substanz: des digitalen Transformiums, das unabhängig über dem Teppich der aufgenommenen Kamerawirklichkeit schwebt; im Aufziehen eines „neuen Blicks“, der einen vor dem allzu bekannten wieder zum Primaten, zum ersten Menschen macht.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass zum Beispiel in Bays Film sich die Zeichen für eine Zeit nach dem Kino verdichten. Die erste Szene spielt in einem längst verfallenen Filmtheater. An der Wand der Kinoruine: ein Poster von „El Dorado“, dem 1966 gedrehten, vorletzten Western von Howard Hawks. Das war ein richtiger Film. Gemacht aus Wirklichem, aus Staub, aus John Wayne. Von einem richtigen Regisseur, einem der größten. Im Gegensatz zu „Transformers“, gemacht aus Transformium, Pixeln und Robotern.
Aber genau da gelingt Bay, den man nicht gerade als den subtilsten Filmemacher bezeichnen würde, die größte aller Feinheiten: einen Film zu machen, der kein richtiger Film mehr ist, sondern nur noch einem ähnelt. Das Kino ist nun in die Phase seiner Mimikry eingetreten. Worin heute auch sein neues El Dorado liegen könnte.