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Mein Freund, der Vampir

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Dipper Pines ist besorgt, sehr besorgt. Er ist sich ziemlich sicher, dass seine zwölfjährige Zwillingsschwester Mabel einen Zombie datet – denn Norman, Mabels Eroberung, verhält sich verdächtig. Er trägt schwarze Kapuzenpullis, hat einen schleppenden Gang und behauptet, die roten Farbspritzer auf seiner Wange seien bloß Marmelade. Als Beweis zieht Dipper das geheimnisvolle Tagebuch hervor, das er kurz zuvor im Wald gefunden hat. „Traue niemandem!“, rät ein unbekannter Autor darin, denn düstere Gestalten trieben ihr Unwesen in den Wäldern von Gravity Falls. Zum Beispiel Vampire. Und Zombies. Besonders bei Letzteren sei Vorsicht geboten: „Wegen ihres blassen Teints und schlechter Laune“, heißt es, laufe man Gefahr, sie mit Teenagern zu verwechseln.



Disney Channel ist normalerweise nicht für anspruchsvolles Fernsehen bekannt.

Die Zeichentrickserie Willkommen in Gravity Falls, in der es die Zwillinge Dipper und Mabel Pines in eine mysteriöse Kleinstadt verschlägt, startete im Sommer 2012 in den USA. Produziert wird sie von Disney, ausgestrahlt auf dem amerikanischen Disney Channel. Beim deutschen Pendant ist sie seit anderthalb Jahren zu sehen – zunächst nur unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit im Pay-TV. Seit Januar ist der Kanal nun frei empfangbar, weitgehend unbekannt ist die großartige Serie aber trotzdem noch.
Als Kombination aus den Simpsons, Twin Peaks, X-Files und Calvin & Hobbes hat die New York Times die Trickserie beschrieben – und als eine für den zahmen Disney Channel überraschend mutige Produktion. Mit Gravity-Falls-Schöpfer Alex Hirsch hat der Sender ein Nachwuchstalent engagiert. Nach seinem Studium am angesehenen California Institute of the Arts hatte Hirsch sich als Drehbuchschreiber und Storyboard Artist für Disney einen Namen gemacht. Als der Sender ihn darum bat, eine Animationsserie zu entwerfen, war Hirsch 26 Jahre alt. Heute, mit 29, nennt Time ihn „Wunderkind“, Gravity Falls ist in den USA ein Quotenerfolg.

Hirsch beschreibt seine Serie als Mischung aus Komödie, Mystery-Serie und Familienabenteuer. In Gravity Falls werden Dipper und Mabel Pines für den Sommer in das gleichnamige Kaff in Oregon geschickt. Dort, mitten im Wald, lebt ihr Großonkel Stan, Betreiber eines bizarren Museums, das zweifelhafte ausgestopfte Fabelwesen ausstellt. Die Zwillinge sollen im Museumsshop aushelfen. Und sind wenig begeistert. Bis Dipper das Tagebuch findet – und die beiden bemerken, dass die dunkle Seite von Gravity Falls mehr ist als nur ein fauler Marketingtrick ihres Onkels.

In jeder Episode erleben die Zwillinge ein Abenteuer, gehen auf Monsterjagd, kämpfen gegen entsprungene Computerspiel-Helden oder zerstreute Zeitreisende. Für das kulleräugige, stupsnasige Äußere seiner Figuren hat Hirsch sich von den Muppets inspirieren lassen.

Eine seriengewordene Kindheitsfantasie ist Gravity Falls, eine Welt, in der paranormale Wesen und Geheimtüren Realität sind. Und eine Serie, die das Rätselraten nicht allein ihren Protagonisten überlässt. „Als Kind habe ich immer und überall nach geheimen Botschaften gesucht“, sagt Hirsch im Pressematerial zur Serie. In Gravity Falls hat er sie überall platziert. Im Vorspann jeder Folge gibt es eine Sprachbotschaft, rückwärts abgespielt verrät diese eine Decodierungsmethode, die wiederum auf einen chiffrierten Satz im Abspann angewendet werden kann.

Hirsch dürfte wohl weniger gefallen, dass ausgerechnet die verschlüsselten Botschaften in der deutschen Free-TV-Version fehlen, eine Sprecherin des Disney Channels lässt wissen, sie seien „kein elementarer Bestandteil für das Verständnis einer Episode“, dies beeinträchtige nicht das Sehvergnügen der Zuschauer. Für Hirsch, der Gravity Falls inzwischen einen Anderen zeichnen lässt, sind die chiffrierten Nachrichten dagegen Chefsache: Darin kommentiert er die Episode oder gibt dem Zuschauer Hinweise. Die werden in Foren und auf eigenen Internetseiten mit fast wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit diskutiert, über die Identität des Tagebuchschreibers etwa existieren die wildesten Theorien. Hirsch sagt: „Fast alles, was wir versteckt haben, wurde schon gefunden, aber nicht alles wurde auch richtig gedeutet.“

Dass Gravity Falls mit X-Files und den Simpsons verglichen wird, ist kein Zufall, beide gehören zu Hirschs Lieblingsserien. In Gravity Falls finden Überirdisches und Selbstreflexivität zusammen, das Mysterygenre wird parodiert, Sehgewohnheiten werden unterlaufen. Als Mabels merkwürdiger Freund Norman endlich gesteht, was sich wirklich unter seinem schwarzen Hoodie verbirgt, ist man – wie die Zwillinge – auf Vampire, Zombies und Werwölfe gefasst. Normans Geheimnis aber ist dank der Kreativität seines Schöpfers noch sehr viel abwegiger. 

Gravity Falls, Disney Channel, täglich, 18.55 Uhr

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