Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Gaumenkino

$
0
0
Madame hat eigentlich nicht die Absicht, sich wegen des Gewürzrauschs in der Küche gegenüber groß den Kopf zu zerbrechen. Ihr gehört ein Restaurant am Rande eines kleinen Ortes in Südfrankreich, einen Stern hat ihr Lokal, eine perfekt renovierte Fassade und Damasttischdecken. Gegenüber ist nun eine indische Familie eingezogen. Mit den Vorbesitzern ist sie fertig geworden, und dass ihr diese Inder ernstlich Konkurrenz machen können, glaubt sie nicht wirklich – mit ihrem alten Häuschen und dem Innenhof mit den schäbigen Holzmöbeln, und den Currys und den bunten Lämpchen. Aber sie ist vorsichtshalber trotzdem auf der Hut. Wenn sie wüsste, was des neuen Kochs Spezialität ist, würde sie sich wundern: Seeigel. In Curry, klar.



Der Film wäre nur die Hälfte wert ohne seine Hauptdarstellerin Helen Merrin.

Lasse Hallströms neuer Film „Madame Mallory und der Duft von Curry“ wäre nur die Hälfte wert ohne seine Hauptdarstellerin, Dame Helen Mirren, die göttlich und sehr schön diabolisch ist, hochnäsig und durchtrieben. Voller Herablassung taucht sie am Vorabend der Eröffnung im neuen indischen Restaurant auf, mit geheuchelter Höflichkeit erkundigt sie sich nach der Speisekarte. Hassan Kadam (Manish Dayal) und sein Vater lassen sie arglos draufschauen, aber am nächsten Morgen gibt es eine böse Überraschung: Alle Lebensmittel, die sie bräuchten, hat Madame Mallory auf dem nächsten Markt einfach weggekauft. Dass die Familie Kadam diesen Neuanfang dringend bräuchte – sie haben Indien verlassen nach dem Tod der Mutter, das Restaurant, das sie dort hatten, wurde bei Unruhen verwüstet – weiß sie nicht einmal. Dafür weiß sie etwas anderes: Was gut ist, ist weder Geschmackssache noch eine Frage der Herkunft. Es gibt tausendundeine Art, aus demselben Fisch etwas Köstliches zu machen.

So entbrennt ein Kleinkrieg der Köche. Papa Kadam und Madame Mallory bleiben einander nichts schuldig in Stur- und Boshaftigkeit, schwärzen sich gegenseitig bei den Behörden an, schnappen sich die besten Fische weg und sprühen Gift. Auch die Stimmung im Ort ist nun vergiftet, was leider die lokalen Rechten anstachelt, von denen einer in Madames Küche arbeitet. Da wird es dann Zeit für eine Klärung der Fronten – so eine ist sie nicht, da steht sie Papa Kadam doch lieber bei.

Vor allem aber erkennt sie, dass Hassan, der Sohn des Hauses, eine große Gabe hat, und verliebt sich in seine Kochkünste. Reinen Herzens tut sie der Familie damit das Schlimmste an – indem sie ihn abwirbt und überredet, in ihrem Restaurant gegenüber auch die französische Cuisine zu erlernen. Der junge Mann begreift schnell, wie er französische Raffinesse mit den Gewürzen Indiens vermählen kann.
Was nun die Rezeptur von Filmen betrifft, liebt Lasse Hallström es, Familien neu zusammenzuwürfeln, und er tut das bevorzugt in schönen Landschaften, was dann auf jeden Fall schon mal für Schauwerte sorgt; seine Werke haben auch gerne einen süßlichen Beigeschmack. Manchmal übertreibt er es dabei, dann kommt so etwas wie „Chocolat“ heraus; manchmal aber beweist er einfach, wie grandios das Kino sein kann, wenn es sentimental wird: bei „Gilbert Grape“ etwa, „Teufels Werk und Gottes Beitrag“ oder „Ein ungezähmtes Leben“.

„Madame Mallory“ liegt irgendwo zwischen diesen Polen – so großartig wie „Teufels Werk“ ist der Film nicht, dazu ist die Geschichte mit dem Restaurant, den Rassisten und den Guide-Michelin-Sternen viel zu schlicht. Aber pappsüß schmeckt „Madame Mallory“ nun auch wieder nicht. Dazu ist die Familienzusammenführung, die den Kadams bevorsteht, zu eigenartig. Und man möchte Hallström und Helen Mirren schon gern glauben, dass man mit dem Essen fast alles erklären kann: Man sieht nur mit dem Gaumen gut.

The Hundred-Foot Journey, USA/ Indien/Arabische Emirate 2014 – Regie: Lasse Hallström. Drehbuch: Steven Knight nach dem Roman von Richard C. Morais. Kamera: Linus Sandgren. Mit: Helen Mirren, Om Puri, Manish Dayal. Constantin, 119 Minuten.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345