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Söldner sind frei

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Das war genau mein Ding, freute sich der Regisseur James Gunn in vielen Interviews der letzten Wochen zu seinem Überraschungserfolg „Guardians of the Galaxy“. Alles drin: Aliens, Weltraumoper, Marvel- Superhelden, Popmusik, Raccoons . . . Über die Mythologie der Waschbären in der amerikanischen Folklore ist hierzulande nur wenig bekannt, bei Karl May, erinnern wir uns vage, war ab und zu die Rede davon. Ich hab Raccoonfiguren gesammelt, erklärt James Gunn, seit meiner Jugendzeit.



Ein radikaler Bruch mit der Superhelden-Tradition: "Guardians of the Galaxy".

Rocket Raccoon heißt einer seiner Helden, der Gewitzteste der fünf Guardians of the Galaxy, eine Waschbärvisage mit dem unvermeidlichen Zug zum Grimmigen und Fiesen. Bradley Cooper spricht ihn im Original, der Irre aus den Hangover-Filmen und dem „Silver Linings Playbook“. Die anderen Guardians zeichnen sich eher physisch aus, durch gedrungenen bis massiven Körperbau oder bei der Frau, Zoe Saldana, durch grüne Haut. Der Anführer ist Peter Quill, dessen Heimatplanet die Erde ist und der gern als „Star-Lord“ auftritt. Das Publikum liebt diese Bande, bei der es derb und kantig, urwüchsig und dreckig zugeht. Am vorigen Wochenende sind die „Guardians“ – nachdem andere erdverbundene Helden wie Stallones „Expendables“ oder die Perversen des neuen „Sin City“-Films von Frank Miller und Robert Rodriguez beim Filmstart auf die Schnauze fielen – zurück an die Spitze des US-Kinocharts gedrungen, sie haben inzwischen an die 500 Millionen Dollar weltweit eingespielt und „Thor“ und „Captain America“ hinter sich gelassen.

Es ist ein radikaler Bruch mit der Superhelden-Tradition des letzten Jahrzehnts, eine kräftige Portion Corned-Beef nach Jahren gutbürgerlicher Küche. Und ein bewusster Affront gegen Regisseure wie Sam Raimi, Christopher Nolan oder Joss Whedon, unter denen das bewährte Genre eine Sophistication erreicht hatte (und eine Sentimentalisierung), die ihm immer größeren Raum in den Feuilletons einbrachte. Super- und Spider-Man, Captain America, der Hulk und Thor sind inzwischen die Top-Melancholiker des amerikanischen Kinos, cry-babies. Enervierend, wie Spidey sein Trauma rumschleppt, er sei schuldig am Tod seines Onkels. Wie Superman sich zurücksehnt ins heimatliche Kansas, ins Haus der Pflegeeltern, wo die Wäsche flattert im Wind.

Die „Guardians“ fangen an mit einer klassischen Spielbergsequenz. Ein kleiner Junge in einem Krankenhausgang, der Vater holt ihn ins Zimmer, wo die Mutter liegt im letzten Stadium, sie nimmt Abschied vom Sohn und gibt ihm ein Mixtape in die Hand, darauf unter anderem „I Want You Back“ von Jackson 5. Der Junge, es ist Peter Quill, läuft raus aus dem Zimmer, ins Freie hinaus, und dort vor dem Krankenhaus erscheint ein Raumschiff über ihm, das ihn in sich zieht. Jahre später sehen wir ihn dann selbst als skrupellosen Freibeuter, der Kapitän, der ihn entführte, ist ihm ein prachtvoller Vater geworden – Michael Rooker, dessen Gesicht hier nicht nur herrlich ledrig ist wie immer, sondern auch noch tiefblau! – und manchmal hört Peter bei seiner Arbeit auf einem Walkman die Musik der Mutter.

Was James Gunn vom Kino erwartet und was er dem Kino zu geben bereit ist, weiß man aus seinen Filmen „Slither“ und „Super“, und auch auf der Website „PG Porn“, die er mit seinen Brüdern kreiert hat und die in Minigeschichten all das Aufregende zeigt, was Porno zu bieten hat – also alles, bevor es dann blöderweise zum Sex kommt. Bei James Gunn ist es gar nicht appetitlich, wenn schleimige Weltraumwesen in die Bewohner einer Kleinstadt eindringen („Slither“) oder wenn ein kleiner Versager sich schwertut bei der Erfüllung des göttlichen Auftrags, ein rächender Superman zu werden („Super“).

Für die Guardians geht es nun um den Orb, einen magischen mächtigen Stein, der im richtigen Kontext ganze Welten zerstören kann und dem deshalb Gut (Glenn Close) wie Böse (Lee Pace, Josh Brolin) hinterher sind. Die galaktischen Krisengebiete sehen finster und barbarisch aus, die Gefilde der Guten sind dagegen schrecklich licht und erinnern an Calatrava. James Gunn zeigt die Superhelden als das, was sie sind, keine edelgesinnten Weltenretter, sondern Söldner, denen durchaus die eigenen Interessen sehr wichtig sind. Keine wehleidigen Kleinbürger wie die Herren Parker und Kent oder der Tüftelmilliardär Tony Stark , keine kostümierten Artusritter wie die „Avengers“. Sondern knorrige Proleten, über weite Strecken unsentimental und unsensibel, um Respektabilität nicht sonderlich bemüht, ihr derbes Outfit sieht aus wie richtige Arbeiterkluft. Und einer von ihnen ist ein wandelnder Baum, gesprochen von Vin Diesel, dem Proll der „Fast & Furios“-Serie.

Proletarisch hat das Kino begonnen, und dass es erst mal ein paar Jahrzehnte sprachlos blieb und ohne die Möglichkeit verbaler Subtilitäten, hat damals seinen Erfolg ausgemacht im multikulturellen Amerika Anfang des 20.Jahrhunderts. Mit D. W. Griffith, dem alten Südstaatler, und seinem Gespür für Formen und Zeremoniell, ist dann auch das Kino bürgerlich geworden, zum Erzählmedium veredelt. Und hat dann, mit seiner Kapitalisierung, wenn es sich Geschichten der Armut und des Proletariats widmete, oft nur Travestien des Reichtums geschaffen. Mit den Guardians geht James Gunn direkt an die Wurzeln zurück, die anarchischen Tumulte der Slapstickzeit. In einem Gefängnis haben die fünf sich zusammengetan, das an einen Basar erinnert, eine unaufhörliche Zirkulation der Gemeinheiten, Beschimpfungen, Anmachen, Vergewaltigungen.

Der Söldner ist eine fröhliche Variante des Underdogs, utopisch in einem Amerika, das seine Soldaten ausbeutet, in halbherzig geführte Kriege schickt und nach der Heimkehr verdrängen möchte. Die Guardian-Söldner sind frei, und in dieser Freiheit steckt schon wieder ein bisschen Sophistication. Sein Raumschiff, gibt der Star-Lord zu, schaut doch irgendwie aus wie ein Jackson Pollock-Gemälde.

Guardians of the Galaxy, USA 2014 – Regie: James Gunn. Buch: Gunn, Nicole Perlman. Kamera: Ben Davis. Mit: Chris Pratt, Zoe Saldana, Lee Pace, Dave Batista. Glenn Close. Walt Disney, 121 Minuten.

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