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Panzer, Raketen und tote Soldaten

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Ein Zeichen der Entspannung könnte der Handschlag zwischen Wladimir Putin und Petro Poroschenko gewesen sein, hofften manche. Doch einen Tag nachdem die Präsidenten Russlands und der Ukraine in der weißrussischen Hauptstadt zum ersten Mal seit fast drei Monaten wieder persönlich miteinander gesprochen haben, deuten viele andere Zeichen auf eine weitere Eskalation hin.



Ein Auto brennt in Donezk - der Krieg in der Ukraine schwelt weiter

Die ukrainische Armee meldete am Mittwoch, eine Kolonne russischer Militärfahrzeuge habe im Südosten des Landes die Grenze überquert. Etwa hundert Fahrzeuge, darunter Panzer, Truppentransporter und Grad-Raketenwerfer, seien auf dem Weg in die Ortschaft Telmanowe, 80 Kilometer südlich von Donezk. Allerdings konnte der nationale Sicherheitsrat in Kiew diese Angaben am Abend nicht bestätigen. Bei Gefechten zwischen Regierungseinheiten und Separatisten um die strategisch wichtige Anhöhe Saur-Mogila und die Stadt Ilowaisk wurden laut Berichten örtlicher Medien auf beiden Seiten zahlreiche Kämpfer getötet und verletzt.

Premierminister Arsenij Jazenjuk hat nun um Beistand der Nato gebeten: „Wir brauchen Hilfe“, sagte er auf einer Kabinettssitzung in Kiew. Das Militärbündnis müsse auf seinem Gipfel in der kommenden Woche in Wales „Schlüsselentscheidungen“ treffen, um seinem Land zu helfen. Bei den Kämpfen sind seit Mitte April laut Zählung der Vereinten Nationen mindestens 2200 Menschen getötet worden.

In Russland kommen derweil täglich neue Indizien dafür ans Licht, dass nicht nur Freiwillige gegen die Armee des Nachbarlandes kämpfen, sondern auch Angehörige der regulären russischen Streitkräfte. Das Komitee der Soldatenmütter im Gebiet Stawropol stellte eine Liste mit vierhundert Namen junger Männer auf, die verletzt oder getötet wurden. Die Angaben stammten aus unterschiedlichen Quellen in den russischen Streitkräften, sagte die Vorsitzende der Organisation, Ljudmila Bogatenkowa. Es handle sich um Angehörige unterschiedlicher Einheiten aus dem Nordkaukasus. In anderen Wehrkreisen könnte es weitere Opfer gegeben haben. Die russischen Behörden bemühen sich, Nachrichten über Gefallene oder Verwundete geheim zu halten. Nachdem Kreml-kritische Medien berichtet hatten, dass in der Nähe von Pskow Angehörige einer Fallschirmbrigade heimlich beerdigt worden waren, wurden die Namen von den Gräbern entfernt.

In einem Telefonat mit Präsident Putin forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „die jüngsten Berichte von der Präsenz russischer Soldaten auf ukrainischem Territorium“ aufzuklären, wie in Berlin mitgeteilt wurde. Das US-Außenministerium erklärte, die jüngsten Vorfälle ließen darauf schließen, dass in den beiden Rebellenhochburgen Luhansk und Donezk offenbar eine von Russland geleitete Gegenoffensive anlaufe.

In Kiew führte der Geheimdienst am Mittwoch zehn junge Männer der Öffentlichkeit vor, die in der Region Donezk von den ukrainischen Streitkräften gefangen genommen worden waren. Die Soldaten erklärten, Vorgesetzte hätten ihnen gesagt, sie würden an einer Übung teilnehmen. Putin hatte die Festnahme der Soldaten am Dienstag indirekt bestätigt. Er habe von dem Fall gehört, aber noch keine Zeit gehabt, sich vom Verteidigungsministerium über die Details unterrichten zu lassen. Ukrainischen Sicherheitskräfte nahmen einem Medienbericht zufolge, der als Quelle den Geheimdienst SBU nannte, einen russischen Soldaten im Osten des Landes fest, der die Lieferung von Militärgütern an die Separatisten gestanden habe. Der 19-Jährige gehöre zu einer Schützenbrigade des russischen Heeres.

Poroschenko hatte in Minsk erklärt, alle Teilnehmer des Treffens unterstützten den Friedensplan, den er im Juni vorgelegt hatte. Putin erklärte zwar erneut, er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um zu einem Ende des blutigen Konflikts beizutragen. Für eine Waffenruhe sei Moskau aber der falsche Ansprechpartner, diese müsse Kiew mit den Separatisten in Donezk und Luhansk aushandeln.

Poroschenko bezeichnete das zweistündige Gespräch mit Putin als „hart und kompliziert“. Man habe sich aber einigen können, dass Grenzschutz und Generalstäbe beider Länder Beratungen aufnehmen. Zudem soll die Ukraine-Kontaktgruppe mit Vertretern Russlands, der Ukraine und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bald wieder tagen. Die Kontaktgruppe müsse „ihre Bemühungen um einen Waffenstillstand und eine effektive Grenzsicherung intensivieren“, ließ Merkel nach dem Telefonat mit Putin mitteilen.

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