Wer einem Grippekranken das Bussi verweigert, verhält sich vernünftig. Wer ungeschützten Sex mit einem HIV-Positiven ablehnt, verhält sich richtig. Wer sich weigert, mit einem HIV-Positiven auch nur im selben Bus zu fahren, verhält sich daneben.
Zwei Maschinen von British Airways stehen am Flughafen Heathrow - ins Ebola-Gebiet werden sie momentan nicht fliegen
Was europäische Fluglinien nun dieser Tage angesichts der Ebola-Seuche in Westafrika tun, ist ungefähr so, als mache man einen Bogen um alle Städte, in denen es HIV-Infizierte gibt. Mediziner bis hinauf zur Weltgesundheitsorganisation WHO werden nicht müde, zu beruhigen und klarzustellen, dass für Flugverbote in dieser Krise gar keine Veranlassung bestehe. Die Vereinten Nationen gehen sogar noch weiter und warnen, dass eine Aussetzung des Flugverkehrs das Seuchen-Problem nicht lindere, sondern eher verschlimmere, weil dadurch dringend benötigte ärztliche Hilfe ausgebremst würde.
Trotzdem haben Air France und British Airways jetzt Flüge nach Westafrika eingestellt; viele kleinere Unternehmen tun es ihnen nach. Es ist eine nervöse Reaktion – mit Folgen: Am Donnerstag warteten mitten in Liberias Metropole Freetown Helfer der katholischen Organisation Don Bosco Mondo darauf, dass ihr Flieger mit dringend benötigter Schutzkleidung aus Paris kommt. Vergebens.
Schon kippen in Westafrika, dieser eigentlich wirtschaftlich aufstrebenden, handelsfreudigen Region, auch die ersten volkswirtschaftlichen Indikatoren nach unten, werden Prognosen, die gestern noch hoffen ließen, kassiert. In Guinea, dem Land, das gerade erst seine Inflation in den Griff bekommen hat, wird die Wirtschaft unter dem Eindruck der Ebola-Krise wohl um ein Drittel weniger wachsen, schätzt die Weltbank; in Liberia ist alle wirtschaftliche Aktivität um ein Drittel eingebrochen. Etliche ausländische Firmen sagen gerade Treffen in der Region ab, selbst an Orten, die Hunderte oder Tausende Kilometer vom letzten Ebola-Verdachtsfall entfernt liegen. So trifft der Schaden noch mehr Länder.
Das ist übertrieben. So grausam und beängstigend das Ebola-Virus ist, so klar und aufgeklärt sind inzwischen seine Infektionswege – zum Glück. Wenn im Flugzeug jemand niest, besteht für die Umstehenden keine Gefahr. Das Fieber springt nur auf den über, der einen Kranken oder seine Körperflüssigkeiten berührt, sei es als Pfleger, als Angehöriger, als Arzt. Seit dem Ausbruch der aktuellen Ebola-Welle haben sich gewiss nicht nur afrikanische Dorfbewohner infiziert, die ihre Toten leichtsinnigerweise rituell gewaschen haben, sondern auch Ausländer, Angehörige von Hilfsorganisationen.
Aber keiner von ihnen ist blind in diese Todesgefahr getappt. Alle sind bewusst auf sie zugegangen, mit hippokratischem Eid, mit großem Mut und großer Menschlichkeit und in der Hoffnung, dass ihre Schutzkleidung dichthält. Das heißt: Wer sich von dieser Todesgefahr fernhalten will, der kann das auch weiterhin tun.
Man muss es nicht so überheblich formulieren wie der Londoner Tropenmediziner Peter Piot, der jüngst verkündete, er würde jederzeit neben einem Ebola-Patienten in der U-Bahn platznehmen. Aber ganze Länder oder eine ganze Weltregion zu isolieren, wie es jetzt die ersten Fluggesellschaften tun, ist medizinisch unnötig. Es ist absurd, wie zum Beispiel am Montag der Leiter des amerikanischen Zentrums für Seuchenschutz – einer der engagiertesten Kämpfer gegen das Virus – auf gepackten Koffern sitzen blieb, weil Brussels Airlines seinen Flug nach Freetown storniert hatte, wo der Amerikaner einen Hilfseinsatz leiten wollte. Und es wundert nicht, wenn sich viele Afrikaner nun kollektiv stigmatisiert sehen.
Vor wenigen Tagen sagte eine große Wirtschaftsdelegation aus Brasilien aus Angst vor Ansteckung ihren geplanten Besuch in Namibia ab. Namibia? Das Land liegt am südlichen Zipfel des Kontinents, mithin 5000 Kilometer vom Krisenherd entfernt, das ist doppelt so weit wie die Strecke von Berlin nach Tel Aviv. Was sich da breitmacht, ist eine Kopflosigkeit, die den zaghaften wirtschaftlichen Aufschwung in Afrikas Handelszentren – von denen gerade im Westen des Kontinents einige der lebendigsten liegen – zunichte machen könnte.
Es ist eine Entwicklung, die Afrikas Handelspartner im Norden sogar aus bloß egoistischem Interesse innehalten lassen müsste – zumal ein anderer großer Akteur in diesen aufgeregten Tagen durchaus Ruhe, Kontrolle und Klarheit bewahrt: China. Der Flugverkehr Peking-Lagos brummt weiterhin. Chinas Geschäftsleute halten sich an ärztlichen Rat. An mehr nicht. In den afrikanischen Ländern, deren Bewohner sich von Europa gerade pauschal zu Aussätzigen gestempelt fühlen, wird man das nicht so schnell vergessen.
Zwei Maschinen von British Airways stehen am Flughafen Heathrow - ins Ebola-Gebiet werden sie momentan nicht fliegen
Was europäische Fluglinien nun dieser Tage angesichts der Ebola-Seuche in Westafrika tun, ist ungefähr so, als mache man einen Bogen um alle Städte, in denen es HIV-Infizierte gibt. Mediziner bis hinauf zur Weltgesundheitsorganisation WHO werden nicht müde, zu beruhigen und klarzustellen, dass für Flugverbote in dieser Krise gar keine Veranlassung bestehe. Die Vereinten Nationen gehen sogar noch weiter und warnen, dass eine Aussetzung des Flugverkehrs das Seuchen-Problem nicht lindere, sondern eher verschlimmere, weil dadurch dringend benötigte ärztliche Hilfe ausgebremst würde.
Trotzdem haben Air France und British Airways jetzt Flüge nach Westafrika eingestellt; viele kleinere Unternehmen tun es ihnen nach. Es ist eine nervöse Reaktion – mit Folgen: Am Donnerstag warteten mitten in Liberias Metropole Freetown Helfer der katholischen Organisation Don Bosco Mondo darauf, dass ihr Flieger mit dringend benötigter Schutzkleidung aus Paris kommt. Vergebens.
Schon kippen in Westafrika, dieser eigentlich wirtschaftlich aufstrebenden, handelsfreudigen Region, auch die ersten volkswirtschaftlichen Indikatoren nach unten, werden Prognosen, die gestern noch hoffen ließen, kassiert. In Guinea, dem Land, das gerade erst seine Inflation in den Griff bekommen hat, wird die Wirtschaft unter dem Eindruck der Ebola-Krise wohl um ein Drittel weniger wachsen, schätzt die Weltbank; in Liberia ist alle wirtschaftliche Aktivität um ein Drittel eingebrochen. Etliche ausländische Firmen sagen gerade Treffen in der Region ab, selbst an Orten, die Hunderte oder Tausende Kilometer vom letzten Ebola-Verdachtsfall entfernt liegen. So trifft der Schaden noch mehr Länder.
Das ist übertrieben. So grausam und beängstigend das Ebola-Virus ist, so klar und aufgeklärt sind inzwischen seine Infektionswege – zum Glück. Wenn im Flugzeug jemand niest, besteht für die Umstehenden keine Gefahr. Das Fieber springt nur auf den über, der einen Kranken oder seine Körperflüssigkeiten berührt, sei es als Pfleger, als Angehöriger, als Arzt. Seit dem Ausbruch der aktuellen Ebola-Welle haben sich gewiss nicht nur afrikanische Dorfbewohner infiziert, die ihre Toten leichtsinnigerweise rituell gewaschen haben, sondern auch Ausländer, Angehörige von Hilfsorganisationen.
Aber keiner von ihnen ist blind in diese Todesgefahr getappt. Alle sind bewusst auf sie zugegangen, mit hippokratischem Eid, mit großem Mut und großer Menschlichkeit und in der Hoffnung, dass ihre Schutzkleidung dichthält. Das heißt: Wer sich von dieser Todesgefahr fernhalten will, der kann das auch weiterhin tun.
Man muss es nicht so überheblich formulieren wie der Londoner Tropenmediziner Peter Piot, der jüngst verkündete, er würde jederzeit neben einem Ebola-Patienten in der U-Bahn platznehmen. Aber ganze Länder oder eine ganze Weltregion zu isolieren, wie es jetzt die ersten Fluggesellschaften tun, ist medizinisch unnötig. Es ist absurd, wie zum Beispiel am Montag der Leiter des amerikanischen Zentrums für Seuchenschutz – einer der engagiertesten Kämpfer gegen das Virus – auf gepackten Koffern sitzen blieb, weil Brussels Airlines seinen Flug nach Freetown storniert hatte, wo der Amerikaner einen Hilfseinsatz leiten wollte. Und es wundert nicht, wenn sich viele Afrikaner nun kollektiv stigmatisiert sehen.
Vor wenigen Tagen sagte eine große Wirtschaftsdelegation aus Brasilien aus Angst vor Ansteckung ihren geplanten Besuch in Namibia ab. Namibia? Das Land liegt am südlichen Zipfel des Kontinents, mithin 5000 Kilometer vom Krisenherd entfernt, das ist doppelt so weit wie die Strecke von Berlin nach Tel Aviv. Was sich da breitmacht, ist eine Kopflosigkeit, die den zaghaften wirtschaftlichen Aufschwung in Afrikas Handelszentren – von denen gerade im Westen des Kontinents einige der lebendigsten liegen – zunichte machen könnte.
Es ist eine Entwicklung, die Afrikas Handelspartner im Norden sogar aus bloß egoistischem Interesse innehalten lassen müsste – zumal ein anderer großer Akteur in diesen aufgeregten Tagen durchaus Ruhe, Kontrolle und Klarheit bewahrt: China. Der Flugverkehr Peking-Lagos brummt weiterhin. Chinas Geschäftsleute halten sich an ärztlichen Rat. An mehr nicht. In den afrikanischen Ländern, deren Bewohner sich von Europa gerade pauschal zu Aussätzigen gestempelt fühlen, wird man das nicht so schnell vergessen.