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Verbrennen, verwerten oder ins All schießen

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Die Entsorgung von Kunststoffen ist ein großes Problem. Am liebsten würden manche das Plastik ins All schießen. Ein ähnlicher Vorschlag kam schon einmal bei der Diskussion um die Entsorgung des Atommülls auf. Aber um die jährlich produzierten 300 Millionen Tonnen Plastikmüll außerirdisch zu entsorgen, müsste ein Spaceshuttle im Jahr etwa 30 Millionen Mal starten. Eine absurde Lösung also. Um das Müllproblem zu lösen, müssten stattdessen die bereits vorhandenen Kunststoffabfälle durch neue Verwertungsmöglichkeiten wertvoller gemacht werden. Zugleich werden intelligentere Plastikvarianten benötigt, die beispielsweise biologisch abbaubar sind. Bislang landet ein Großteil des regulär entsorgten Plastik schlicht in Müllverbrennungsöfen. Was also muss jetzt geschehen? Einige Ideen für die Zukunft, die derzeit erforscht werden.

Plastik-Alternative aus Garnelen

Wissenschaftler und Unternehmen forschen an sogenannten Biokunststoffen. Das sind zum einen Materialien, die aus biologischen Rohstoffen hergestellt wurden. Aus Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben etwa kann Milchsäure gewonnen und zu einem plastikähnlichen Stoff weiterverarbeitet werden. Zum anderen sind es Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind. Dafür müssen sie nicht unbedingt biobasiert hergestellt worden sein. Um einen Kunststoff kompostierbar zu machen, kann man ihm zum Beispiel Enzyme untermischen. Eine biobasierte Alternative zum Kunststoff wurde auch an der Harvard University entwickelt. Dort hat ein Forscherteam eine neue Plastikart vorgestellt, die aus den Panzern von Garnelen gewonnen wird. Aus dem darin enthaltenen Stoff Chitin haben sie das plastikähnliche Shrilk hergestellt, das nach Angaben der Forscher für viele Produkte verwendet werden kann.



Die Ozeane sind nicht so sauber, wie sie manchmal aussehen.

Verpackungen aus Laubblättern

Das Münchner Start-up Leaf Republic produziert als Ersatz für konventionelle Plastikverpackungen nachhaltige Lebensmittelverpackungen und Einweggeschirr aus den Blättern asiatischer Bäume. Der Rohstoff für ihre Verpackungen sind Blätter aus Indien und Bangladesh, die dort gepflückt und zusammengenäht werden. Sind sie getrocknet, werden sie mit einer Schicht aus Biokunststoff umhüllt und anschließend in Form gebracht. Ende 2014 will Leaf Republic mit seinen Lebensmittelverpackungen aus Laubblättern in den Markt einsteigen.

Plastikmüll zum Mitessen

Bei dem Konzept des US-Unternehmens Monosol stellt sich die Frage nach dem Müll erst gar nicht. Seine Kunststoffverpackungen lösen sich in heißem Wasser vollständig auf. Der Hersteller bietet neben Lebensmitteln auch Pflegeprodukte wie Seifen oder Shampoo vorportioniert in der wasserlöslichen Folie an. Auch das Konzept „Ooho!“ basiert auf dieser Überlegung: Drei Londoner Industriedesign-Studenten entwickelten eine essbare Trinkaufbewahrung als umweltgerechte Alternative zur traditionellen Plastikflasche. Nicht-kohlensäurehaltige Getränke werden von einer dünnen Membran aus Braunalgen und Calciumchlorid eingeschlossen. Struktur und Form ähneln der eines Eigelbs. Etwa vier Zentiliter Wasser passen in eine solche Trinkblase.

Müll für den 3D-Drucker

Das Projekt Plastic Bank stellt eine neue Idee für das Recycling vor. In Zeiten von 3D-Druckern möchte das Unternehmen vor allem dem Plastikmüll in den Weltmeeren zu neuem Wert verhelfen. Dieser kann zu Plastikfasern weiterverarbeitet und in 3D-Druckern verwendet werden. Für den 3D-Druck soll aber nicht nur der Plastikmüll verwendet werden, der aktuell in den Meeren treibt. Plastic Bank möchte seine „Banken“ vor allem in ärmeren Gebieten aufbauen. Die Menschen haben dann die Möglichkeit, Müll zu sammeln und Geld dafür zu bekommen. Das Unternehmen hofft, auf diese Weise das Sammeln von Abfall an den Stränden und in den Ozeanen attraktiver zu machen.

Leben ohne Verpackung

Vor allem Tomaten, Nudeln, Süßigkeiten und Co. werden in Verpackungen gehüllt – manchmal sogar stückweise – und dann noch meist in Tüten nach Hause getragen. Hier setzen die verpackungsfreien Lebensmittelläden an. Im September soll in Berlin etwa ein solcher Supermarkt öffnen. Und in anderen Orten wie zum Beispiel in Kiel gibt es solche Läden bereits. „Original Unverpackt“, so der Name, bietet Produkte ohne Verpackung an. Die Kunden bringen Aufbewahrungsbehälter selbst mit und füllt die Produkte darin ab. Nudeln, Erbsen, Mehl und alle anderen gewöhnlich nur in Plastik gehüllten Lebensmittel gibt es dort in Bottichen. Vorbild ist der Laden „Unpackaged“ – 2007 wurde er in London als einer der ersten verpackungsfreien Supermärkte eröffnet. Seit Januar hat das britische Vorbild allerdings geschlossen: Die Besitzerin hatte an den Laden Ende 2012 ein Restaurant angeschlossen. Doch das erweitertes Konzept funktionierte nicht.

Abfall als Ressource

Auf dieser Überlegung basiert das Konzept des Urban Mining. Es betrachtet die Stadt und ihr Abfallaufkommen als Mine für Rohstoffe. Das soll das Denken über Abfall verändern: Müll wird eben nur zu Müll, wenn er als solcher deklariert wird. Im Prinzip sind Abfälle aber „Materialien, über die man keine Information hat“. So beschreibt es jedenfalls Andreas Middendorf vom Fraunhofer-Institut Berlin in dem Buch „Morgenstadt“, in dem verschiedene Forscher des Instituts ihre Ideen zur Stadt der Zukunft präsentieren. Die Autoren sind überzeugt, dass Müll in der Zukunft automatisch weiterverwertet wird. „Unser Traum für die Morgenstadt ist es, dass alles im Kreislauf geführt wird und es keine Abfälle mehr gibt.“

Diese Idee wurde auch schon in einem Konzept mit dem griffigen Namen „Cradle-to-Cradle“ („Von der Wiege zur Wiege“) umgesetzt. Produkte sollen also nicht weggeworfen, sondern nach ihrer Verwendung zur Gänze wieder zu Rohstoffen zerlegt werden. Das Modell steht im Gegensatz zum Cradle-to-Grave-Prinzip („Von der Wiege zur Bahre“), das heute noch größtenteils verfolgt wird: Das heißt, Rohstoffe werden genommen, zu Produkten verarbeitet und verkauft und enden dann auf Mülldeponien oder in Müllverbrennungsanlagen. Der Wert der Materialien ist damit unwiederbringlich verloren. Beim Cradle-to-Cradle-Modell hingegen werden Materialien wieder zu Rohstoffen, die sich in einem Kreislauf bewegen. Der Begriff „Abfall“, wie er heute benutzt wird, existiert in diesem Konzept nicht mehr. Im Video stellt das Cradle to Cradle Products Innovation Institute seine Vorstellung einer Zukunft vor. Benjamin Bongardt von der Umweltorganisatuion Nabu befürwortet das Konzept, hat aber einen Einwand: „Grundsätzlich ist das schon die richtige Herangehensweise. Das Konzept hat aber den Beinamen intelligente Verschwendung.“ Es werde nicht darauf geachtet, ob verschwenderisch mit den natürlichen Ressourcen umgegangen wird.

Die Konzepte der Forscher sind kleine Schritte auf dem Weg zu einer Welt ohne Plastikmüll – das Ziel ist aber wohl noch ziemlich weit entfernt.

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