Eine neue Welt sollen die Deutschen an diesem Dienstag kennenlernen, und um den Erstkontakt möglichst angenehm zu gestalten, hat die Firma Netflix ein schick möbliertes Apartment in Berlin-Friedrichshain gemietet. Eine Wohnung mit Möbeln aus schwerem Holz und teuren Elektrogeräten in allen Zimmern, mit einer Play Station im Kinderzimmer, einem Flatscreen-TV im Wohnzimmer, und auf allen gibt es natürlich das Angebot von Netflix. Die neue Welt zum Anfassen – und die Geschichte dazu geht so: Das deutsche Fernsehen wird von nun an nie mehr so sein wie bisher. Heute, liebes deutsches Publikum, beginnt die Zukunft.
Der amerikanische Streamingdienst Netflix hat sein Angebot in Deutschland gestartet, seit dem frühen Dienstagmorgen sind dort Filme aus Deutschland und Hollywood zu sehen, dazu Serien, neue und alte, „Keinohrhasen“ und „Hangover“, „Breaking Bad“ und „Fargo“, „Orange Is the New Black“, „Stromberg“ und „Der Tatortreiniger“. Netflix hofft, mit einem ständig wachsenden und sich ständig erneuernden Angebot in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein Drittel aller Deutschen zu Abonnenten zu machen. Das ist ein sportlicher Vorsatz in einem Land, das der Idee, für Fernsehen zu bezahlen, bisher äußerst skeptisch gegenüberstand. Doch sollte die Mission Erfolg haben, könnte sich in der deutschen Fernsehlandschaft mehr verändern als nur der technische Verbreitungsweg.
Revolutioniert Netflix den deutschen Fernsehmarkt?
In Deutschland gibt es ein sehr reiches öffentlich-rechtliches Fernsehen, das für viel Geld jedes Jahr Unmengen an Programmstunden produzieren lässt, Filme, Serien und Shows. Das ist zum einen das Risiko für Netflix in Deutschland, weil die Zuschauer ja schon Gebühren bezahlen und dafür auch jede Menge zu sehen bekommen. Aber es ist auch die Chance für Netflix, weil viele Zuschauer und Kreative dem Internetdienst aus Kalifornien zutrauen, alles besser zu machen als jene deutschen Sender, die sich oft dem erzählerischen Mittelmaß verschrieben haben: Alles bitte nicht zu komplex, alles bitte quotensicher.
Der Streamingdienst Netflix dagegen produziert erst seit wenigen Jahren eigene Serien und hat vor allem mit dem klugen und sehr wohl komplexen Politdrama „House of Cards“ vorgemacht, wie modernes Fernsehen heute aussehen könnte. Es ist kein Wunder, dass so mancher Drehbuchautor hofft, die Firma aus dem Westen möge Fernsehdeutschland kolonialisieren.
Einer dieser Männer aus dem Westen heißt Ted Sarandos, er sitzt auf einem Sofa im ersten Stock des Vorführhauses, ein hemdsärmeliger Typ, leicht ergraut. Sarandos trägt bei Netflix den Titel Chief Content Officer, ist also dafür zuständig, was der Zuschauer in den USA und in all den anderen etwa 40 Netflix-Ländern auf den Bildschirm bekommt. Auch auf ihm ruhen jetzt die Hoffnungen der deutschen Fernsehmacher: Wie großartig müsste es sein, endlich Fernsehen zu machen ohne den einen oder anderen machtverliebten oder eingeschüchterten Redakteur, der es schon für innovativ hält, wenn in einem Krimi bis zum Schluss keine Leiche gefunden wird? Netflix hat, hierzulande kaum vorstellbar, immer betont, seinen Autoren vollkommen freie Hand zu lassen. Das Ergebnis kann man sehen: Es ist hervorragendes Fernsehen. Ja, sagt Ted Sarandos, es wird deutsche Serien geben, gemacht von deutschen Autoren und Produzenten. „Wenn die richtige Gelegenheit da ist, werden wir anfangen.“
Wenn deutsche Senderchefs ihr Programm verteidigen, argumentieren sie gerne mit ihrem Auftrag, ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Ihre auf Quote ausgerichteten und oft entsprechend durchschnittlichen Filme müssten sich eben an möglichst viele Zuschauer wenden – ungewöhnliche Serien für ein elitäres Publikum, das schließe zu viele aus. Interessant ist, dass Netflix diese ungewöhnlichen Serien für ein elitäres Publikum macht – und trotzdem weltweit ein breites Publikum erreicht.
Sarandos sagt, Netflix mache Programm „für jedermann, nicht nur für eine demografische Gruppe“. Für jeden soll etwas dabei sein. Das klingt wie ein Kessel Buntes und wie öffentlich-rechtliche Familienshows, gemeint ist aber etwas ganz anderes: Netflix bietet für jeden Geschmack etwas, bedient den Freund des eher flachen Humors ebenso wie den Anhänger der anspruchsvollen Politserie. Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland nehmen oft in Kauf, Teile ihres Publikums dem Mainstreamgeschmack zu opfern. Netflix aber will alle Gruppen erreichen, wohl wissend, dass nicht alle Serien und Filme gleich viele Zuschauer finden können. Macht aber nichts: Auch Filme und Serien für ein kleineres Publikum finden unter den 50 Millionen Netflix-Nutzern genügend Zuschauer.
Das ist der Punkt, an dem der neue Dienst den deutschen Sendern gefährlich werden könnte. Wenn die Amerikaner es schaffen sollten, die Deutschen tatsächlich vom bezahlten Fernsehen zu überzeugen, wenn sie ein großes Publikum erreichen und im großen Stil deutsches Programm produzieren, müssen die Sender um ihre Macher und um ihr Publikum fürchten. Dass das funktionieren wird, ist keineswegs gesagt. Aber schon die Möglichkeit könnte den deutschen Sendebetrieb aufmischen.
Wann genau die erste deutsche Netflix-Serie starten, wann die Revolution also tatsächlich beginnen könnte, dazu sagt keiner der Männer aus dem Westen etwas. Nur: In Norwegen und in Mexiko war Netflix zwei, drei Jahre lang auf dem Markt, bevor man mit der ersten eigenen Serie begann. Reed Hastings, Chef und Gründungsmitglied von Netflix, sagt, dass er nicht schon wieder etwas zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte sehen möchte, er denke eher an eine Parodie oder an eine Komödie, an „etwas Ungewöhnliches, etwas Schockierendes“. Auch das hört man nicht oft von deutschen Fernsehredakteuren.
Ganz besonders großartig, sagt einer der Netflix-Herren noch, finde man in Kalifornien übrigens die Serie „Der Tatortreiniger“, dieses kleine feine Format mit Bjarne Mädel, der Wohnräume von Leichenresten befreit und dabei schräge Bekanntschaften macht. Netflix hat die Rechte daran gekauft– das sei eine Serie, die könne man ganz groß rausbringen, so gut sei die. In Deutschland läuft „Der Tatortreiniger“, diese Serie mit dem Hitpotenzial, spätabends. Im dritten Programm.
Der amerikanische Streamingdienst Netflix hat sein Angebot in Deutschland gestartet, seit dem frühen Dienstagmorgen sind dort Filme aus Deutschland und Hollywood zu sehen, dazu Serien, neue und alte, „Keinohrhasen“ und „Hangover“, „Breaking Bad“ und „Fargo“, „Orange Is the New Black“, „Stromberg“ und „Der Tatortreiniger“. Netflix hofft, mit einem ständig wachsenden und sich ständig erneuernden Angebot in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein Drittel aller Deutschen zu Abonnenten zu machen. Das ist ein sportlicher Vorsatz in einem Land, das der Idee, für Fernsehen zu bezahlen, bisher äußerst skeptisch gegenüberstand. Doch sollte die Mission Erfolg haben, könnte sich in der deutschen Fernsehlandschaft mehr verändern als nur der technische Verbreitungsweg.
Revolutioniert Netflix den deutschen Fernsehmarkt?
In Deutschland gibt es ein sehr reiches öffentlich-rechtliches Fernsehen, das für viel Geld jedes Jahr Unmengen an Programmstunden produzieren lässt, Filme, Serien und Shows. Das ist zum einen das Risiko für Netflix in Deutschland, weil die Zuschauer ja schon Gebühren bezahlen und dafür auch jede Menge zu sehen bekommen. Aber es ist auch die Chance für Netflix, weil viele Zuschauer und Kreative dem Internetdienst aus Kalifornien zutrauen, alles besser zu machen als jene deutschen Sender, die sich oft dem erzählerischen Mittelmaß verschrieben haben: Alles bitte nicht zu komplex, alles bitte quotensicher.
Der Streamingdienst Netflix dagegen produziert erst seit wenigen Jahren eigene Serien und hat vor allem mit dem klugen und sehr wohl komplexen Politdrama „House of Cards“ vorgemacht, wie modernes Fernsehen heute aussehen könnte. Es ist kein Wunder, dass so mancher Drehbuchautor hofft, die Firma aus dem Westen möge Fernsehdeutschland kolonialisieren.
Einer dieser Männer aus dem Westen heißt Ted Sarandos, er sitzt auf einem Sofa im ersten Stock des Vorführhauses, ein hemdsärmeliger Typ, leicht ergraut. Sarandos trägt bei Netflix den Titel Chief Content Officer, ist also dafür zuständig, was der Zuschauer in den USA und in all den anderen etwa 40 Netflix-Ländern auf den Bildschirm bekommt. Auch auf ihm ruhen jetzt die Hoffnungen der deutschen Fernsehmacher: Wie großartig müsste es sein, endlich Fernsehen zu machen ohne den einen oder anderen machtverliebten oder eingeschüchterten Redakteur, der es schon für innovativ hält, wenn in einem Krimi bis zum Schluss keine Leiche gefunden wird? Netflix hat, hierzulande kaum vorstellbar, immer betont, seinen Autoren vollkommen freie Hand zu lassen. Das Ergebnis kann man sehen: Es ist hervorragendes Fernsehen. Ja, sagt Ted Sarandos, es wird deutsche Serien geben, gemacht von deutschen Autoren und Produzenten. „Wenn die richtige Gelegenheit da ist, werden wir anfangen.“
Wenn deutsche Senderchefs ihr Programm verteidigen, argumentieren sie gerne mit ihrem Auftrag, ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Ihre auf Quote ausgerichteten und oft entsprechend durchschnittlichen Filme müssten sich eben an möglichst viele Zuschauer wenden – ungewöhnliche Serien für ein elitäres Publikum, das schließe zu viele aus. Interessant ist, dass Netflix diese ungewöhnlichen Serien für ein elitäres Publikum macht – und trotzdem weltweit ein breites Publikum erreicht.
Sarandos sagt, Netflix mache Programm „für jedermann, nicht nur für eine demografische Gruppe“. Für jeden soll etwas dabei sein. Das klingt wie ein Kessel Buntes und wie öffentlich-rechtliche Familienshows, gemeint ist aber etwas ganz anderes: Netflix bietet für jeden Geschmack etwas, bedient den Freund des eher flachen Humors ebenso wie den Anhänger der anspruchsvollen Politserie. Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland nehmen oft in Kauf, Teile ihres Publikums dem Mainstreamgeschmack zu opfern. Netflix aber will alle Gruppen erreichen, wohl wissend, dass nicht alle Serien und Filme gleich viele Zuschauer finden können. Macht aber nichts: Auch Filme und Serien für ein kleineres Publikum finden unter den 50 Millionen Netflix-Nutzern genügend Zuschauer.
Das ist der Punkt, an dem der neue Dienst den deutschen Sendern gefährlich werden könnte. Wenn die Amerikaner es schaffen sollten, die Deutschen tatsächlich vom bezahlten Fernsehen zu überzeugen, wenn sie ein großes Publikum erreichen und im großen Stil deutsches Programm produzieren, müssen die Sender um ihre Macher und um ihr Publikum fürchten. Dass das funktionieren wird, ist keineswegs gesagt. Aber schon die Möglichkeit könnte den deutschen Sendebetrieb aufmischen.
Wann genau die erste deutsche Netflix-Serie starten, wann die Revolution also tatsächlich beginnen könnte, dazu sagt keiner der Männer aus dem Westen etwas. Nur: In Norwegen und in Mexiko war Netflix zwei, drei Jahre lang auf dem Markt, bevor man mit der ersten eigenen Serie begann. Reed Hastings, Chef und Gründungsmitglied von Netflix, sagt, dass er nicht schon wieder etwas zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte sehen möchte, er denke eher an eine Parodie oder an eine Komödie, an „etwas Ungewöhnliches, etwas Schockierendes“. Auch das hört man nicht oft von deutschen Fernsehredakteuren.
Ganz besonders großartig, sagt einer der Netflix-Herren noch, finde man in Kalifornien übrigens die Serie „Der Tatortreiniger“, dieses kleine feine Format mit Bjarne Mädel, der Wohnräume von Leichenresten befreit und dabei schräge Bekanntschaften macht. Netflix hat die Rechte daran gekauft– das sei eine Serie, die könne man ganz groß rausbringen, so gut sei die. In Deutschland läuft „Der Tatortreiniger“, diese Serie mit dem Hitpotenzial, spätabends. Im dritten Programm.