Es ist eine Ära, die an diesem Freitag zu Ende geht. Philipp Mißfelder, gefühlt seit Adenauers Zeiten Vorsitzender der Jungen Union, muss aus Altersgründen sein Amt aufgeben. Als Mißfelder 2002 JU-Chef wurde, war Angela Merkel noch nicht einmal Kanzlerkandidatin. Niemand in der Geschichte der Jugendorganisation war länger Vorsitzender als der 35-Jährige. Es ist eine Zeitenwende. Von den 316 Delegierten, die in Inzell zusammenkommen, waren die meisten bei Mißfelders erster Wahl noch Kinder oder Jugendliche.
Für die JU ist das auch eine Chance. Mißfelder hatte mit seinen dubiosen Kontakten nach Osteuropa und seiner Teilnahme an Gerhard Schröders Geburtstagsparty in St. Petersburg das Bild der JU zuletzt nicht gerade verbessert. Wie es jetzt weitergeht, ist aber auch für die CDU von Bedeutung. Die Jugendorganisation hat 117000 Mitglieder und ist damit so stark wie Grüne und Linke zusammen. Sie stellt 27 Bundestagsabgeordnete und Tausende Mandatsträger in den Kommunen. Wer diese Organisation führt, kann für Merkel eine große Hilfe sein – oder ein ziemliches Ärgernis.
Wer wird der Nachfolger von Philipp Mißfelder?
Am Freitagabend kommt die Kanzlerin selbst nach Inzell. Einige Stunden später soll dann der Mißfelder-Nachfolger gewählt werden. Es wird – zum ersten Mal seit fast 50 Jahren – eine Kampfabstimmung geben.
In der Inzeller Eissporthalle treten Paul Ziemiak und Benedict Pöttering gegeneinander an. Der 29-jährige Ziemiak ist Chef der mächtigen NRW-JU, Pöttering (31) stammt aus Niedersachsen und ist stellvertretender Bundesvorsitzender.
Inhaltlich unterscheiden sich die beiden kaum. Man kann sie ein Dutzend Mal fragen, wo sie eine andere Auffassung als der jeweils andere haben, und bekommt doch keine rechte Antwort. „Wir sind ja in derselben Jugendorganisation, es ist daher weder verwerflich noch überraschend, dass wir bei vielen Fragen ähnliche Positionen haben“, sagt Ziemiak. Streiterprobte Jungsozialisten können über so einen Satz vermutlich nur lachen, Ziemiak meint ihn ernst. Pöttering und er unterscheiden sich bestenfalls in ihren Schwerpunkten erkennbar. Ziemiak ist zum Beispiel die Stärkung der Familien besonders wichtig. Er sei natürlich auch für eine ausreichende Versorgung mit Kita-Plätzen, sagt er. Trotzdem glaube er nach wie vor, dass Eltern ihre Kinder besser erziehen könnten als der Staat. Pöttering redet lieber über Außenpolitik. Als stellvertretender Chef der europäischen Jugendorganisation hat er auf dem Maidan in Kiew gesprochen. Insgesamt gilt Ziemiak als eine Nuance konservativer, vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen. Wahlentscheidend dürfte das aber nicht sein.
Bei der Abstimmung wird es eher darum gehen, was für einen Typen die JU an ihrer Spitze haben will – und wie offen man die Mutterpartei attackieren soll. Und in diesen beiden Fragen unterscheiden sich die Kandidaten enorm. Das beginnt schon bei der Vita. Pöttering ist Sohn von Hans-Gert Pöttering. Der heutige Chef der Adenauer-Stiftung war Präsident des Europäischen Parlaments und zwei Mal CDU-Spitzenkandidat bei Europawahlen. Mehr CDU-Establishment geht kaum.
Ziemiak wurde in Stettin geboren, die Familie kam 1988 in die Bundesrepublik. Deutsch lernte Ziemiak erst im Kindergarten. Sein Mutter starb früh. Das Jurastudium hat Ziemiak abgebrochen, jetzt lernt er Unternehmenskommunikation an der „Business and Information Technology School“ in Iserlohn.
Die beiden liefern sich einen eigenartig verdrucksten Wahlkampf. Sie verzichten auf offene Attacken, indirekt giften sie sich aber doch an. Etwa wenn Pöttering darauf hinweist, er habe sein Studium längst abgeschlossen und arbeite bereits fest bei DocMorris. Besonders gern erzählt Pöttering auch von seinem Auftritt beim jüngsten CDU-Bundesparteitag. Er sei da ans Rednerpult gegangen und habe die Rentenbeschlüsse der Koalition attackiert. Ziemiak hatte es damals vorgezogen zu schweigen. „Parteitage dürfen nicht nur Krönungsmessen sein, wir müssen wieder stärker diskutieren“, sagt Pöttering. „Es gehört auch dazu, für seine Überzeugung zu stehen, auch wenn man sich damit im Adenauer-Haus keine Freunde macht.“ Die JU müsse „in Zukunft wieder stärker inhaltlicher Erneuerer der CDU werden“, sagt er. Dazu sei auch „eine klare Aussprache nötig“.
Pöttering tritt eher bayerisch brachial auf. Auch mit seiner Erscheinung könnte er im Freistaat reüssieren. Pöttering macht Politik à la Markus Söder. Via Bild-Zeitung attackierte er sogar Merkel. „Dieser blonder Bubi greift die Kanzlerin an“, schrieb das Boulevard-Blatt über den Text. „Bubi“ ist nicht unbedingt ein Kompliment, aber Pöttering war wieder etwas bekannter. Ziemiak hält von so einem Politik-Stil wenig. „Als Kandidat sollte man nicht jede Gelegenheit nutzen, um durch plumpe Kritik persönlich gewinnen zu wollen“, sagt er. „Die JU muss laut sein, damit sie wahrgenommen wird. Aber sie muss dabei auch ernsthaft und konstruktiv bleiben. Platte Attacken bringen einen nicht weiter.“ Wen Ziemiak damit meint, ist klar.
Pöttering gibt in der Auseinandersetzung den Basisdemokraten. Im Internet lässt er die Mitglieder abstimmen, welche Positionen sie sich wünschen. Da geht es dann auch um Sterbehilfe oder Wehrpflicht. Ziemiak hält davon nichts. „Viele Themen kann man nicht mit einfachen Ja-Nein-Fragen behandeln“, sagt er. „Politik ist nicht so banal, und die Leute wissen das auch.“ Er hat deshalb ein eigenes Programm vorgelegt. Auf 28 Seiten schreibt er, was ihm wichtig ist. In die Bild-Zeitung kommt man damit aber nicht.
Das Lager von Ziemiak verbreitet dafür, Pöttering wolle mit seiner Basisdemokratie nur verdecken, dass er als Bundes-Vize Teil des bisherigen Systems sei und Mißfelder gerne ihn als Nachfolger installiert hätte. Schließlich könne der Niedersachse Pöttering dem Nordrhein-Westfalen Mißfelder keinen Listenplatz für die nächste Bundestagswahl in NRW streitig machen. Und so fliegen die Giftpfeile hin und her. Freitagnacht wird man wissen, wer dabei erfolgreicher war.
Für die JU ist das auch eine Chance. Mißfelder hatte mit seinen dubiosen Kontakten nach Osteuropa und seiner Teilnahme an Gerhard Schröders Geburtstagsparty in St. Petersburg das Bild der JU zuletzt nicht gerade verbessert. Wie es jetzt weitergeht, ist aber auch für die CDU von Bedeutung. Die Jugendorganisation hat 117000 Mitglieder und ist damit so stark wie Grüne und Linke zusammen. Sie stellt 27 Bundestagsabgeordnete und Tausende Mandatsträger in den Kommunen. Wer diese Organisation führt, kann für Merkel eine große Hilfe sein – oder ein ziemliches Ärgernis.
Wer wird der Nachfolger von Philipp Mißfelder?
Am Freitagabend kommt die Kanzlerin selbst nach Inzell. Einige Stunden später soll dann der Mißfelder-Nachfolger gewählt werden. Es wird – zum ersten Mal seit fast 50 Jahren – eine Kampfabstimmung geben.
In der Inzeller Eissporthalle treten Paul Ziemiak und Benedict Pöttering gegeneinander an. Der 29-jährige Ziemiak ist Chef der mächtigen NRW-JU, Pöttering (31) stammt aus Niedersachsen und ist stellvertretender Bundesvorsitzender.
Inhaltlich unterscheiden sich die beiden kaum. Man kann sie ein Dutzend Mal fragen, wo sie eine andere Auffassung als der jeweils andere haben, und bekommt doch keine rechte Antwort. „Wir sind ja in derselben Jugendorganisation, es ist daher weder verwerflich noch überraschend, dass wir bei vielen Fragen ähnliche Positionen haben“, sagt Ziemiak. Streiterprobte Jungsozialisten können über so einen Satz vermutlich nur lachen, Ziemiak meint ihn ernst. Pöttering und er unterscheiden sich bestenfalls in ihren Schwerpunkten erkennbar. Ziemiak ist zum Beispiel die Stärkung der Familien besonders wichtig. Er sei natürlich auch für eine ausreichende Versorgung mit Kita-Plätzen, sagt er. Trotzdem glaube er nach wie vor, dass Eltern ihre Kinder besser erziehen könnten als der Staat. Pöttering redet lieber über Außenpolitik. Als stellvertretender Chef der europäischen Jugendorganisation hat er auf dem Maidan in Kiew gesprochen. Insgesamt gilt Ziemiak als eine Nuance konservativer, vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen. Wahlentscheidend dürfte das aber nicht sein.
Bei der Abstimmung wird es eher darum gehen, was für einen Typen die JU an ihrer Spitze haben will – und wie offen man die Mutterpartei attackieren soll. Und in diesen beiden Fragen unterscheiden sich die Kandidaten enorm. Das beginnt schon bei der Vita. Pöttering ist Sohn von Hans-Gert Pöttering. Der heutige Chef der Adenauer-Stiftung war Präsident des Europäischen Parlaments und zwei Mal CDU-Spitzenkandidat bei Europawahlen. Mehr CDU-Establishment geht kaum.
Ziemiak wurde in Stettin geboren, die Familie kam 1988 in die Bundesrepublik. Deutsch lernte Ziemiak erst im Kindergarten. Sein Mutter starb früh. Das Jurastudium hat Ziemiak abgebrochen, jetzt lernt er Unternehmenskommunikation an der „Business and Information Technology School“ in Iserlohn.
Die beiden liefern sich einen eigenartig verdrucksten Wahlkampf. Sie verzichten auf offene Attacken, indirekt giften sie sich aber doch an. Etwa wenn Pöttering darauf hinweist, er habe sein Studium längst abgeschlossen und arbeite bereits fest bei DocMorris. Besonders gern erzählt Pöttering auch von seinem Auftritt beim jüngsten CDU-Bundesparteitag. Er sei da ans Rednerpult gegangen und habe die Rentenbeschlüsse der Koalition attackiert. Ziemiak hatte es damals vorgezogen zu schweigen. „Parteitage dürfen nicht nur Krönungsmessen sein, wir müssen wieder stärker diskutieren“, sagt Pöttering. „Es gehört auch dazu, für seine Überzeugung zu stehen, auch wenn man sich damit im Adenauer-Haus keine Freunde macht.“ Die JU müsse „in Zukunft wieder stärker inhaltlicher Erneuerer der CDU werden“, sagt er. Dazu sei auch „eine klare Aussprache nötig“.
Pöttering tritt eher bayerisch brachial auf. Auch mit seiner Erscheinung könnte er im Freistaat reüssieren. Pöttering macht Politik à la Markus Söder. Via Bild-Zeitung attackierte er sogar Merkel. „Dieser blonder Bubi greift die Kanzlerin an“, schrieb das Boulevard-Blatt über den Text. „Bubi“ ist nicht unbedingt ein Kompliment, aber Pöttering war wieder etwas bekannter. Ziemiak hält von so einem Politik-Stil wenig. „Als Kandidat sollte man nicht jede Gelegenheit nutzen, um durch plumpe Kritik persönlich gewinnen zu wollen“, sagt er. „Die JU muss laut sein, damit sie wahrgenommen wird. Aber sie muss dabei auch ernsthaft und konstruktiv bleiben. Platte Attacken bringen einen nicht weiter.“ Wen Ziemiak damit meint, ist klar.
Pöttering gibt in der Auseinandersetzung den Basisdemokraten. Im Internet lässt er die Mitglieder abstimmen, welche Positionen sie sich wünschen. Da geht es dann auch um Sterbehilfe oder Wehrpflicht. Ziemiak hält davon nichts. „Viele Themen kann man nicht mit einfachen Ja-Nein-Fragen behandeln“, sagt er. „Politik ist nicht so banal, und die Leute wissen das auch.“ Er hat deshalb ein eigenes Programm vorgelegt. Auf 28 Seiten schreibt er, was ihm wichtig ist. In die Bild-Zeitung kommt man damit aber nicht.
Das Lager von Ziemiak verbreitet dafür, Pöttering wolle mit seiner Basisdemokratie nur verdecken, dass er als Bundes-Vize Teil des bisherigen Systems sei und Mißfelder gerne ihn als Nachfolger installiert hätte. Schließlich könne der Niedersachse Pöttering dem Nordrhein-Westfalen Mißfelder keinen Listenplatz für die nächste Bundestagswahl in NRW streitig machen. Und so fliegen die Giftpfeile hin und her. Freitagnacht wird man wissen, wer dabei erfolgreicher war.