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Die wollen nur spielen

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Im Internet tobt ein Krieg. Die Schlachten werden auf Twitter und Youtube, in Blogs und Magazinen geschlagen. Die Waffen sind Videos, Tweets und Hackerangriffe. Dieser Krieg ist ein moderner, asymmetrischer Krieg: Die Fronten verlaufen nicht eindeutig, Allianzen sind flüchtig und bei einem Großteil der Kämpfer weiß man nicht, um was es ihnen eigentlich genau geht. Die Angreifer sind Blogger und Computerspieler, die sich unter dem Banner „GamerGate“ versammeln. Das Ziel sind Medienkritiker, Journalisten und Entwickler von Videospielen.

Auslöser für diesen Kampf war der digitale Rufmord an zwei jungen Frauen: der Spieleentwicklerin Zoe Quinn und der Videobloggerin Anita Sarkeesian. Quinn wird ihre Beziehung zu einem Journalisten vorgeworfen, die sie genutzt haben soll, um für ihr Spiel „Depression Quest“ gute Kritiken einzuwerben. Die Anschuldigungen stellten sich als falsch heraus, aber da war die Lawine schon losgetreten. Der Fall zeigt, wie schnell im Netz Aufregung oder ein Gerücht außer Kontrolle geraten kann.



Angelina Jolie als Lara Croft, der bekanntesten weiblichen Heldenfigur aus einem Computerspiel.

Die Kulturkritikerin Anita Sarkeesian hatte im Laufe des vergangenen Jahres auf ihrem Youtube-Channel „Feminist Frequency“ vier Videos veröffentlicht, in denen sie sich unter gendertheoretischen Gesichtspunkten mit der oft sexistischen Darstellung weiblicher Charaktere in Computerspielen auseinandersetzt. Die Videos sind professionell gemachte Dekonstruktionen dieser Darstellungen von Frauen als wehrloses und schwaches Objekt. Was folgte war aber kein Lob für diese überfällige Auseinandersetzung mit Sexismus in Spielen, sondern eine beispiellose Hasswelle, der über die Video-Bloggerin in sozialen Netzwerken hereinbrach. Dann kam noch das Gerücht um Zoe Quinn dazu; Ende August eskalierte der Streit endgültig und hat zumindest in den USA längst auch die Feuilletons der traditionellen Medien erreicht. Sogar The New Yorker widmete Zoe Quinn und der Debatte einen Text.

Die Auseinandersetzung entwickelte sich zur Netzbewegung GamerGate. Beide Frauen wurden mit Morddrohungen überhäuft, ihre Online-Accounts wurden gehackt und angebliche Nacktfotos veröffentlicht. Einige Anhänger von GamerGate bekennen sich anonym zu diesen Attacken, andere dementieren eine Teilnahme, ja sympathisieren teilweise ihrerseits mit Sarkeesian. Die Fronten verlaufen eben sehr verworren.

Seitdem wird hitzig diskutiert. Über Sexismus in Spielen, die Rolle des Journalismus und über Vetternwirtschaft. Wir gegen die. Jeder gegen jeden. Unter dem Hashtag GamerGate werden auf Twitter seit Wochen im Sekundentakt die Tweets von Sympathisanten und Gegner abgesetzt. Die meisten Teilnehmer an der Diskussion sind Einzelkämpfer, wie die Helden in den Computerspielen. Ein sinnvoller Dialog kommt kaum zustande. Jeder argumentiert für seine Ansichten.

Die Kontrahenten beharken sich mit Videoanalysen, Gegendarstellungen und Gegendarstellungen zu Gegendarstellungen. Es herrscht heilloses Chaos. In den vergangenen Tagen hat sich auch Wikileaks positiv über GamerGate geäußert. Schließlich kämpfe man quasi gemeinsam gegen die Mächtigen da oben, die Entwickler, die Presse. Hilfe kam von Spielefirmen und Filmregisseuren wie Joss Whedon, der Sarkeesian seine Unterstützung aussprach.

Die meisten Anhänger von GamerGate fordern ein Ende von angeblichen Absprachen und Vetternwirtschaft in der Spielebranche. Manche radikalen Anhänger vermuten gar eine Verschwörung zwischen Entwicklern, Journalisten und sogar Marketingfirmen, mit denen die Entwickler – Skandal! – zusammenarbeiten. Es kursieren Listen mit Szenemagazinen und Journalisten, die man boykottieren soll. Das wären fast alle halbwegs namhaften Magazine, wenn es nach den Game-Aktivisten geht. Stichhaltige Beweise für ausgeprägte Vetternwirtschaft in der Branche bleiben die Ankläger allerdings schuldig. Gegen Hersteller hat sich bisher noch kein Boykottaufruf durchgesetzt. Man möchte ja den Spielenachschub nicht gefährden. In sexistischen Übergriffen und Drohungen, die in den Chats mancher Online-Spiele so zum Alltag geworden sind, dass weibliche Spieler sich als Männer ausgeben, sieht die Bewegung dagegen offenbar kein großes Problem. Auf dem Nebenkriegsschauplatz #NotYourShield wird Kritikern und Journalisten wie Anita Sarkeesian sogar vorgeworfen, die angeblich unterdrückten Frauen zur Vermarktung ihrer Videos zu instrumentalisieren.

Auf der Seite der Befürworter von GamerGate sammeln sich viele, die sich durch einseitige Berichterstattung über die Angriffe auf Sarkeesian und Quinn wiederum selbst angegriffen fühlen. Tatsächlich haben einige britische und amerikanische Journalisten versucht, die Attacken gegen die beiden mit der Theorie vom männlichen, sozial inkompetenten Nerd zu erklären, der ausrastet, wenn sein identitätsstiftendes Hobby kritisiert wird. Erst recht, wenn dies von intelligenten jungen Frauen getan wird.
Die Anhänger von GamerGate sehen sich falsch dargestellt: als das Klischee eines pickligen Jungen, der einsam vor dem PC hockt. Dass die Journalisten mit ihren Erklärungsversuchen wieder einen Stereotyp reproduzieren, wie ihn Sarkeesian in den Spielen als Konstrukt entlarvt hat, scheint vielen von ihnen gar nicht aufzufallen. Auch dass inzwischen fast die Hälfte der Spieler weiblich ist, wird in den Medien kaum wahrgenommen. Und die Pauschalisierung funktioniert in beide Richtungen: Für viele Gamer sind einfach alle Journalisten Idioten. Der Kampf geht weiter.

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