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Falscher Optimismus

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Wenn von Umweltpolitik die Rede ist, geht es in Deutschland meist um Klimapolitik. Doch der Klimawandel und die Übernutzung der fossilen Brennstoffe, deren Verbrauch den Klimawandel maßgeblich auslöst, sind nicht die einzigen Umweltprobleme. Es gibt beispielsweise auch eine übermäßige Inanspruchnahme von Wasser, Natur, Böden und Metallen, die spätestens mittelfristig zu existenziellen Knappheitslagen zu führen droht. Diese Probleme betrachtet das neue Buch des Umweltforschers Friedrich Schmidt-Bleek, der sich seit Jahrzehnten Ressourcenproblemen widmet.

Der übermäßige Ressourcenverbrauch liegt nicht etwa in erster Linie am weltweiten Bevölkerungswachstum. Entscheidend sind vielmehr der hohe Wohlstand in den Industriestaaten und seine schrittweise Übernahme durch die Ober- und Mittelschichten in Schwellenländern wie China. Schmidt-Bleek hat zu diesen wichtigen Themen einiges zu sagen. Von der Lektüre sollte man sich nicht durch gelegentliche Eitelkeiten in der Darstellung sowie den populistischen Titel abschrecken lassen.



Blockheizkraftwerk in Berlin: Deutschland könnte besser sein im Klimaschutz

Entlarvungsformeln über „grüne Lügen“ und angeblich daran allein schuldige Politiker und Unternehmen mögen vielen gefallen, doch sind sie zu einfach, da Politiker und Unternehmer sich mit Wählern und Konsumenten gegenseitig beeinflussen. Inhaltlich hat Schmidt-Bleek dennoch in wichtigen Punkten recht. Umweltschutz, so seine Hauptthese, ist nicht nur Klimaschutz. Und auch beim Klimaschutz stünden Deutschland und die EU keineswegs an der Spitze, sondern würden sich oft in die Tasche lügen. Damit liegt er richtig: Unsere Emissionen verweilen absolut auf hohem Niveau, und die Emissionsreduktionen sind oft bloße Verlagerungen in andere Bereiche. Beispielsweise sind manche klimafreundliche Produkte im Verbrauch sparsamer, dafür aber in der Herstellung umso energieintensiver.

Schmidt-Bleek illustriert solche in der Politik, der Öffentlichkeit und teils auch in der Wissenschaft ignorierten Befunde näher. Biosprit und Elektroautos etwa dienen in mancher Hinsicht nur vordergründig dem Klimaschutz: In der Summe setzen sie schlimmstenfalls mehr statt weniger Klimagase frei. Beide Innovationen verbrauchen auch jede Menge Natur beziehungsweise seltene Metalle. Das Elektroauto in seiner bisherigen Form erzeugt zudem viel giftigen Abfall. Schmidt-Bleek sucht daher – seit Jahrzehnten – nach einer Gesamtumweltbilanz für Produkte. Er bringt sie auf eine einfache Formel: den Material-Input pro Serviceeinheit, kurz MIPS. So soll errechnet werden, was für Herstellung, Nutzung und Entsorgung an Umweltverbrauch auftrete.

Schmidt-Bleeks Forderung lautet also: Man muss bei Produkten und Tätigkeiten immer eine optimale Gesamtbilanz in puncto Klimaschutz und auch generell in puncto Umweltschutz anstreben. Es stimmt: Wenn ein Produkt in der Nutzung zum Beispiel weniger Klimagase ausstößt, dafür aber umso mehr in der Produktion verschlingt, dann ist das keine gute Lösung. Doch ist das Ganze nicht so einfach, wie es Schmidt-Bleek propagiert. Denn verschiedene Umweltschäden lassen sich untereinander nicht so einfach vergleichen, und manche sind schlimmer als andere.

Zu optimistisch erscheint ferner Schmidt-Bleeks Vorstellung, auf rein technischem Wege die Ressourcennutzung auf ein verträgliches Maß zu begrenzen. Zwar sind technische Optionen wie eine effizientere Ressourcennutzung und der Umstieg von endlichen auf erneuerbare Ressourcen richtig und wichtig. Dass die Ressourceneffizienz in allen Lebensbereichen relativ rasch um den Faktor zehn erhöht werden könnte, dürfte jedoch eine gewagte Hoffnung sein.

Damit zeigt sich, dass ein zentraler Punkt bei Schmidt-Bleek fehlt: Probleme wie der Klimawandel sind vielleicht gar nicht auf ausschließlich technischem Wege zu lösen. Dafür sind die Herausforderungen vielleicht schlicht zu groß – nötig ist auch, dass wir alle uns anders verhalten. Also nicht nur effizienter Auto fahren, sondern einfach auch weniger Autos haben. Weniger haben könnte dann aber heißen: Abschied von der Wachstumsgesellschaft nehmen. Das muss nicht einmal die Bilanz unserer Lebensqualität verschlechtern.

An der Endlichkeit des Planeten Erde, die ewiges Wachstum naturgemäß unwahrscheinlich macht, kann die Menschheit wenig ändern. Man sollte also nicht wie Schmidt-Bleek noch mehr wirtschaftlichen Erfolg versprechen. Das stimmt allenfalls beim Umweltschutz durch technische Neuerungen, denn die kann man verkaufen. Ein bisschen recht hat er trotzdem: Sich kontrolliert zu beschränken, ist auch rein wirtschaftlich betrachtet wohl klüger, als Kriege um Ressourcen zu riskieren.

Natürlich ergeben sich Folgefragen: Unter welchen Bedingungen ist ein gesellschaftlicher Wandel überhaupt möglich? Und was wären wirksame politische Maßnahmen für einen breit angelegten Umweltschutz? Erstere Frage lässt Schmidt-Bleek ganz aus, letztere beantwortet er mit einem prinzipiell treffenden Hinweis: Man müsse endlich umfassend Ressourcenpolitik und nicht nur Klimapolitik betreiben, etwa indem der Ressourcenverbrauch durch Abgaben verteuert wird. Dass man dies international organisieren müsste, um nicht wieder nur Probleme ins Ausland zu verlagern, und mit welchen Tricks man unwillige Staaten ins Boot holen könnte, wird leider nicht behandelt. Auch bleibt unbeantwortet, wie mögliche soziale Verteilungsfragen gelöst werden sollen, die sich ergeben, wenn der Staat Ressourcen planmäßig verteuert.

Trotz all dieser zentralen Auslassungen ist Schmidt-Bleeks Buch ein äußerst lesenswerter Weckruf zur rechten Zeit für all die, die glauben, Deutschland sei auch beim Umweltschutz weltmeisterlich.

Friedrich Schmidt-Bleek: Grüne Lügen: Nichts für die Umwelt, alles fürs Geschäft – wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten. Ludwig, München 2014. 301 Seiten, 19. 99 Euro

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