Die Abgeordnete Katja Keul versuchte gar nicht erst, ihre Enttäuschung zu verbergen. Zwar gebe es „an einigen Stellen erfreuliche Klarstellungen und auch Fortschritte“, sagte die Grünen-Parlamentarierin am Dienstag zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts. „Allerdings ist das Ergebnis für uns größtenteils enttäuschend.“ Keul und zwei weitere Grünen-Bundestagsabgeordnete hatten sich an Karlsruhe gewandt, weil sie 2011 keine Antworten auf Fragen zu Waffenexporten nach Saudi-Arabien und Algerien bekommen hatten.
Die Industrie hingegen jubilierte: Die „legitimen Interessen der Unternehmen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ seien „gewahrt geblieben“, teilte der Branchenverband BDSV mit – schließlich müsse die Regierung auch künftig nur über endgültige Entscheidungen informieren und nicht über die sogenannten Voranfragen, mit denen die Unternehmen klären lassen, ob ein Antrag Aussicht auf eine Genehmigung hat.
Und darüber hinaus? Woher die Eindeutigkeit auf beiden Seiten? Welche Wirkung wird das Urteil in der Praxis haben?
Zunächst zu den „Fortschritten“, die Keul sieht: Hier ist vor allem die Formulierung des Gerichts bemerkenswert, wonach die Bundesregierung auf Anfrage mitteilen muss, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes Exportgeschäft genehmigt oder eben nicht genehmigt hat. Zwar hat die schwarz-rote Koalition die Praxis eingeführt, zwei Wochen nach Sitzungen des Sicherheitsrats den Bundestag über dort erteilte Genehmigungen zu unterrichten – aber eben nicht über abgelehnte Geschäfte. Über die wird, wie auch früher schon, nicht geredet. Das war bislang vor allem für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) unangenehm. Er hatte zu Beginn seiner Amtszeit eine restriktive Exportpolitik angekündigt, konnte seither aber kaum belegen, dass er die Ankündigung umsetzt: Weil die Sitzungen des Sicherheitsrats geheim sind, konnte er nie darüber sprechen, ob Anträge abgelehnt wurden. Stattdessen musste Gabriel sich für jene Genehmigungen rechtfertigen, die dann zwei Wochen später publik wurden. Könnte er künftig auch über abgelehnte Anträge informieren, käme ihm das entgegen.
Bundesverfassungsgericht: Entscheidung zu Gunsten der Bundesregierung
Allerdings gibt es im Urteil einen Passus, über dessen mögliche Auswirkungen auch Fachleute am Dienstag zunächst rätselten. Es heißt dort, die Regierung sei nur verpflichtet, Abgeordneten auf Anfrage hin mitzuteilen, „dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist“.
Heißt das, die Parlamentarier können überhaupt nur nach Geschäften fragen, über die sie ohnehin bereits gut im Bilde sind – jedenfalls gut genug, um konkrete Fragen stellen zu können? Dann wäre das Fragerecht nicht allzu viel wert, schließlich können die Abgeordneten ja gar nicht wissen, was in einem geheim tagenden Gremium so alles zur Genehmigung ansteht. Oder sie müssten auf Basis von Gerüchten möglichst konkrete Anfragen formulieren. Hier jedenfalls muss in der praktischen Arbeit noch einiges geklärt werden.
Weitere „Fortschritte“ aus Sicht der Grünen? Tatsächlich gibt es zwei Details, über die sich die Abgeordnete Keul freuen konnte – wenn auch angesichts des Gesamturteils eher bescheiden. So kann die Bundesregierung künftig nicht nur, wie bisher schon, nach Entscheidungen des Sicherheitsrats Angaben über „Art und Anzahl der Kriegswaffen“ sowie das Empfängerland machen – sondern auch über die beteiligten deutschen Unternehmen und das Gesamtvolumen des Geschäfts. Das bedeutet zumindest ein Stück mehr Transparenz. In diese Richtung deutet auch eine Formulierung des Gerichts, wonach die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung nicht präzise genug seien, um das berechtigte Informationsinteresse der Parlamentarier zu befriedigen. Angaben etwa zu Unternehmen finden sich in den Berichten bislang nicht. Bisher wurden sie einmal jährlich vorgelegt, Gabriel hat das Intervall verkürzt und legt nun zweimal im Jahr Rechenschaft über seine Exportpolitik ab.
Allerdings macht das Gericht eine Einschränkung, von der man in der Opposition befürchtet, sie könne zum Missbrauch geradezu einladen. Demnach darf die Regierung, wenn es um das Staatswohl geht, ausnahmsweise die Antwort auf Fragen zu Exportentscheidungen verweigern. Hier wird man erst einmal abwarten müssen, wie häufig es zu derartigen Ausnahmen kommt. Argumentativ dürfte es jedenfalls nicht allzu schwierig sein, einen solchen Fall zu konstruieren, wenn man kein Interesse daran hat, eine Frage zu beantworten. Auf der anderen Seite würde eine Verweigerung erst recht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wecken – weshalb sich die Regierung die Sache im Zweifel wohl mindestens zweimal überlegen würde.
Für die politische Debatte bedeutet das Urteil keinen Fortschritt. Das Gericht urteilt, die Regierung müsse keine Angaben zu den Gründen ihrer Entscheidungen machen – und enthebt sie so der Pflicht, etwaige außenpolitische Interessen klar zu benennen und zu rechtfertigen. Über strittige Fragen, etwa darüber, ob Panzerlieferungen an arabische Länder im deutschen Interesse liegen könnten, dürfte also auch in Zukunft so verdruckst diskutiert werden wie bisher.
Die Industrie hingegen jubilierte: Die „legitimen Interessen der Unternehmen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ seien „gewahrt geblieben“, teilte der Branchenverband BDSV mit – schließlich müsse die Regierung auch künftig nur über endgültige Entscheidungen informieren und nicht über die sogenannten Voranfragen, mit denen die Unternehmen klären lassen, ob ein Antrag Aussicht auf eine Genehmigung hat.
Und darüber hinaus? Woher die Eindeutigkeit auf beiden Seiten? Welche Wirkung wird das Urteil in der Praxis haben?
Zunächst zu den „Fortschritten“, die Keul sieht: Hier ist vor allem die Formulierung des Gerichts bemerkenswert, wonach die Bundesregierung auf Anfrage mitteilen muss, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes Exportgeschäft genehmigt oder eben nicht genehmigt hat. Zwar hat die schwarz-rote Koalition die Praxis eingeführt, zwei Wochen nach Sitzungen des Sicherheitsrats den Bundestag über dort erteilte Genehmigungen zu unterrichten – aber eben nicht über abgelehnte Geschäfte. Über die wird, wie auch früher schon, nicht geredet. Das war bislang vor allem für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) unangenehm. Er hatte zu Beginn seiner Amtszeit eine restriktive Exportpolitik angekündigt, konnte seither aber kaum belegen, dass er die Ankündigung umsetzt: Weil die Sitzungen des Sicherheitsrats geheim sind, konnte er nie darüber sprechen, ob Anträge abgelehnt wurden. Stattdessen musste Gabriel sich für jene Genehmigungen rechtfertigen, die dann zwei Wochen später publik wurden. Könnte er künftig auch über abgelehnte Anträge informieren, käme ihm das entgegen.
Bundesverfassungsgericht: Entscheidung zu Gunsten der Bundesregierung
Allerdings gibt es im Urteil einen Passus, über dessen mögliche Auswirkungen auch Fachleute am Dienstag zunächst rätselten. Es heißt dort, die Regierung sei nur verpflichtet, Abgeordneten auf Anfrage hin mitzuteilen, „dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist“.
Heißt das, die Parlamentarier können überhaupt nur nach Geschäften fragen, über die sie ohnehin bereits gut im Bilde sind – jedenfalls gut genug, um konkrete Fragen stellen zu können? Dann wäre das Fragerecht nicht allzu viel wert, schließlich können die Abgeordneten ja gar nicht wissen, was in einem geheim tagenden Gremium so alles zur Genehmigung ansteht. Oder sie müssten auf Basis von Gerüchten möglichst konkrete Anfragen formulieren. Hier jedenfalls muss in der praktischen Arbeit noch einiges geklärt werden.
Weitere „Fortschritte“ aus Sicht der Grünen? Tatsächlich gibt es zwei Details, über die sich die Abgeordnete Keul freuen konnte – wenn auch angesichts des Gesamturteils eher bescheiden. So kann die Bundesregierung künftig nicht nur, wie bisher schon, nach Entscheidungen des Sicherheitsrats Angaben über „Art und Anzahl der Kriegswaffen“ sowie das Empfängerland machen – sondern auch über die beteiligten deutschen Unternehmen und das Gesamtvolumen des Geschäfts. Das bedeutet zumindest ein Stück mehr Transparenz. In diese Richtung deutet auch eine Formulierung des Gerichts, wonach die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung nicht präzise genug seien, um das berechtigte Informationsinteresse der Parlamentarier zu befriedigen. Angaben etwa zu Unternehmen finden sich in den Berichten bislang nicht. Bisher wurden sie einmal jährlich vorgelegt, Gabriel hat das Intervall verkürzt und legt nun zweimal im Jahr Rechenschaft über seine Exportpolitik ab.
Allerdings macht das Gericht eine Einschränkung, von der man in der Opposition befürchtet, sie könne zum Missbrauch geradezu einladen. Demnach darf die Regierung, wenn es um das Staatswohl geht, ausnahmsweise die Antwort auf Fragen zu Exportentscheidungen verweigern. Hier wird man erst einmal abwarten müssen, wie häufig es zu derartigen Ausnahmen kommt. Argumentativ dürfte es jedenfalls nicht allzu schwierig sein, einen solchen Fall zu konstruieren, wenn man kein Interesse daran hat, eine Frage zu beantworten. Auf der anderen Seite würde eine Verweigerung erst recht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wecken – weshalb sich die Regierung die Sache im Zweifel wohl mindestens zweimal überlegen würde.
Für die politische Debatte bedeutet das Urteil keinen Fortschritt. Das Gericht urteilt, die Regierung müsse keine Angaben zu den Gründen ihrer Entscheidungen machen – und enthebt sie so der Pflicht, etwaige außenpolitische Interessen klar zu benennen und zu rechtfertigen. Über strittige Fragen, etwa darüber, ob Panzerlieferungen an arabische Länder im deutschen Interesse liegen könnten, dürfte also auch in Zukunft so verdruckst diskutiert werden wie bisher.