Können eigentlich auch Filme auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden? Am 24. Oktober startet mit „E-Team“ auf Netflix ein Dokumentarfilm über die Arbeit der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“, der Kinder so konsequent als Sympathiefänger einsetzt, dass man das Gefühl bekommt, man laufe 90 Minuten lang an einem Misereor-Plakat vorbei.
"Human Rights Watch" untersucht Kriegsschauplätze auf der Suche nach Menschenrechtsverletzungen.
Da sind auf der einen Seite die Kinder, die bei den Giftgasangriffen, Plünderungen und Bombardements im Kosovo oder in Syrien ums Leben gekommen sind und deren verunstaltete Leichen hier immer wieder bedrückend über den Bildschirm flimmern.
Und auf der anderen Seite der 12-jährige Sohn der Protagonisten Ole Solvang und Anna Neistat, die als Ermittler im Auftrag von „Human Rights Watch“ in Krisengebiete reisen, um dort Beweise für Menschenrechtsverletzungen zu sammeln: Während anderswo seine Altersgenossen im Bombenhagel umkommen, schaut er „Mr. & Mrs. Smith“ auf dem Laptop und amüsiert sich über die Explosionen.
Nun gilt ja oft die Faustregel: je greller der Kontrast, desto selbstherrlicher die Gewissensagitation. „Human Rights Watch“ ist eine NGO, die sich einem wichtigen Ziel verschrieben hat: Sie dokumentiert Menschenrechtsverletzungen, um Regierungen dazu zu bewegen, unschuldige Zivilisten zu beschützen, und internationalen Gerichtshöfen im Falle eines Prozesses Beweise zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig ist die NGO auf Spenden angewiesen, weshalb sie in ihrer öffentlichen Kommunikation internationale Politik bisweilen auf fahrlässige Weise vereinfacht und verkitscht. Spendenbereitschaft ist ein seltenes Gut, um das ein hart umkämpfter Markt entstanden ist.
Statt diese Zwangslage mitzuerzählen, spielen die Regisseure Ross Kauffman und Katy Chevigny das Spiel mit und beschädigen so ihre Geschichte. Das hat sie nicht verdient, dafür ist sie zu wichtig: Zweieinhalb Jahre haben Kauffman und Chevigny die Ermittler von „Human Rights Watch“ dabei beobachtet, wie sie nach Bombardements und Plünderungen beharrlich ihr Leben riskieren, um vor Ort die Opfer zu zählen, Spuren zu fotografieren und Überlebende zu befragen – alles ohne politisches Mandat, im Auftrag der Menschlichkeit. Sonst macht es ja niemand.
Weil sie keinen Regierungsauftrag im Rücken haben und im Notfall auch illegal in Krisengebiete reisen, sind sie oft die Ersten an den Schauplätzen der Grausamkeit: 1998 war es der HRW-Ermittler Fred Abrahams, der als erster Ausländer das kosovarische Dorf Gornje Obrinje betrat, in dem die jugoslawische Armee gerade ein Massaker begangen hatte. Er erstellte einen Bericht, der wenig später von der New York Times aufgegriffen wurde und so mittelbar zur Intervention der Nato führte. Später sagte Abrahams selbst als Zeuge gegen Milošević aus.
In einem der Schlüsselmomente des Films sind Ole Solvang und Anna Neistat gerade in Syrien unterwegs, als Assad die Stadt Azaz nördlich von Aleppo bombardieren lässt. Als sie dort ankommen, liegt noch der Staub der zertrümmerten Wohnhäuser in der Luft. Die Szene ist einer der wenigen Momente, in dem sich der Film dem Rhythmus seiner Protagonisten überlässt: Professionell befragen die Ermittler die Überlebenden, sie zählen die Opfer und informieren die New Yorker Zentrale, die wiederum sofort eine Pressemitteilung herausgibt. Wie bürokratisch diese Arbeit oft ist, sieht man selten. Der Film unterschlägt das nach Möglichkeit.
Wie es der Titel schon andeutet, inszeniert „E-Team“ die NGO-Ermittler stattdessen als sympathische Idealisten, die mit Block und Bleistift unermüdlich gegen die übermächtigen „Bad Guys“ antreten. Damit werden die Oscar- und Emmy-prämierten Regisseure ihrem Gegenstand aber nicht gerecht. Der Film reduziert sich ohne Not auf das Niveau eines Rekrutierungsfilms, wie ihn auch Armeen produzieren lassen. Das ist durchaus verräterisch: Wenn zwei widerstrebende Ideen auf demselben Marktplatz angeboten werden, gibt es in dieser Konkurrenz nur einen garantierten Gewinner: den Marktplatz.
"Human Rights Watch" untersucht Kriegsschauplätze auf der Suche nach Menschenrechtsverletzungen.
Da sind auf der einen Seite die Kinder, die bei den Giftgasangriffen, Plünderungen und Bombardements im Kosovo oder in Syrien ums Leben gekommen sind und deren verunstaltete Leichen hier immer wieder bedrückend über den Bildschirm flimmern.
Und auf der anderen Seite der 12-jährige Sohn der Protagonisten Ole Solvang und Anna Neistat, die als Ermittler im Auftrag von „Human Rights Watch“ in Krisengebiete reisen, um dort Beweise für Menschenrechtsverletzungen zu sammeln: Während anderswo seine Altersgenossen im Bombenhagel umkommen, schaut er „Mr. & Mrs. Smith“ auf dem Laptop und amüsiert sich über die Explosionen.
Nun gilt ja oft die Faustregel: je greller der Kontrast, desto selbstherrlicher die Gewissensagitation. „Human Rights Watch“ ist eine NGO, die sich einem wichtigen Ziel verschrieben hat: Sie dokumentiert Menschenrechtsverletzungen, um Regierungen dazu zu bewegen, unschuldige Zivilisten zu beschützen, und internationalen Gerichtshöfen im Falle eines Prozesses Beweise zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig ist die NGO auf Spenden angewiesen, weshalb sie in ihrer öffentlichen Kommunikation internationale Politik bisweilen auf fahrlässige Weise vereinfacht und verkitscht. Spendenbereitschaft ist ein seltenes Gut, um das ein hart umkämpfter Markt entstanden ist.
Statt diese Zwangslage mitzuerzählen, spielen die Regisseure Ross Kauffman und Katy Chevigny das Spiel mit und beschädigen so ihre Geschichte. Das hat sie nicht verdient, dafür ist sie zu wichtig: Zweieinhalb Jahre haben Kauffman und Chevigny die Ermittler von „Human Rights Watch“ dabei beobachtet, wie sie nach Bombardements und Plünderungen beharrlich ihr Leben riskieren, um vor Ort die Opfer zu zählen, Spuren zu fotografieren und Überlebende zu befragen – alles ohne politisches Mandat, im Auftrag der Menschlichkeit. Sonst macht es ja niemand.
Weil sie keinen Regierungsauftrag im Rücken haben und im Notfall auch illegal in Krisengebiete reisen, sind sie oft die Ersten an den Schauplätzen der Grausamkeit: 1998 war es der HRW-Ermittler Fred Abrahams, der als erster Ausländer das kosovarische Dorf Gornje Obrinje betrat, in dem die jugoslawische Armee gerade ein Massaker begangen hatte. Er erstellte einen Bericht, der wenig später von der New York Times aufgegriffen wurde und so mittelbar zur Intervention der Nato führte. Später sagte Abrahams selbst als Zeuge gegen Milošević aus.
In einem der Schlüsselmomente des Films sind Ole Solvang und Anna Neistat gerade in Syrien unterwegs, als Assad die Stadt Azaz nördlich von Aleppo bombardieren lässt. Als sie dort ankommen, liegt noch der Staub der zertrümmerten Wohnhäuser in der Luft. Die Szene ist einer der wenigen Momente, in dem sich der Film dem Rhythmus seiner Protagonisten überlässt: Professionell befragen die Ermittler die Überlebenden, sie zählen die Opfer und informieren die New Yorker Zentrale, die wiederum sofort eine Pressemitteilung herausgibt. Wie bürokratisch diese Arbeit oft ist, sieht man selten. Der Film unterschlägt das nach Möglichkeit.
Wie es der Titel schon andeutet, inszeniert „E-Team“ die NGO-Ermittler stattdessen als sympathische Idealisten, die mit Block und Bleistift unermüdlich gegen die übermächtigen „Bad Guys“ antreten. Damit werden die Oscar- und Emmy-prämierten Regisseure ihrem Gegenstand aber nicht gerecht. Der Film reduziert sich ohne Not auf das Niveau eines Rekrutierungsfilms, wie ihn auch Armeen produzieren lassen. Das ist durchaus verräterisch: Wenn zwei widerstrebende Ideen auf demselben Marktplatz angeboten werden, gibt es in dieser Konkurrenz nur einen garantierten Gewinner: den Marktplatz.