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Ayşe hat es schwerer als Anna

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Ausländische Schüler schaffen in Deutschland immer häufiger das Abitur. Am Arbeitsmarkt aber haben sie es immer noch schwerer als deutsche Bewerber. Selbst ein guter Schulabschluss schütze Menschen mit Migrationshintergrund nicht automatisch vor Armut, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin vorgelegten zehnten Ausländerbericht. So liegt der Anteil von Menschen, die von Armut gefährdet sind, bei Abiturienten mit ausländischen Wurzeln mit 20 Prozent doppelt so hoch wie bei Abiturienten ohne Migrationshintergrund. Als armutsgefährdet gelten in Deutschland Menschen, die über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens aller Deutschen verfügen.

Nach wie vor hätten Ausländer Nachteile bei der Bewerbung, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD): „Allein der Name kann darüber entscheiden, ob einer eingeladen wird. Hakan hat es schwerer als Tim.“ Özoğuz bezog sich dabei auf Studien, die zeigen, dass ausländische Bewerber zum Teil doppelt so viele Bewerbungen schreiben müssen wie ihre Altersgenossen. „Das ist kein gutes Zeugnis für Deutschland“, sagte sie. Die Integrationsbeauftragte sprach dennoch auch von deutlichen Fortschritten.



Je nach Name haben Menschen Nachteile bei Bewerbungen

So haben Migranten etwa bei der Bildung aufgeholt. Der Anteil unter den ausländischen Schülern, die das Abitur schafften, stieg dem Bericht zufolge zwischen 2008 und 2012 von 11,2 auf 16,2 Prozent. Außerdem kletterte der Anteil der Studenten mit ausländischer Staatsangehörigkeit an deutschen Hochschulen auf 12 Prozent. Nach dem Bericht sind ausländische Schüler aber weiterhin an Hauptschulen über- und an Gymnasien unterrepräsentiert. 40 Prozent aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund machten 2012 einen Hauptschulabschluss. Ihr Anteil sank gegenüber 2008 um fünf Prozentpunkte. Mehr als elf Prozent verließen jedoch die Schule ohne einen Hauptschulabschluss. Unter den Deutschen waren es 5,4 Prozent.

Ein besorgniserregendes Ergebnis nannte dies der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration in einer Stellungnahme: „Ein Schulabschluss und eine Berufsausbildung sind die grundlegenden Voraussetzungen dafür, Arbeit zu finden und auf eigenen Füßen zu stehen.“

„Bildung lohnt sich für Migranten“, sagte auch Thomas Liebig, Migrationsexperte bei der OECD in Paris. Dass auch Migranten mit Abitur nach wie vor eine höhere Armutsgefahr hätten als andere Abiturienten, erklärte er damit, dass als Migranten nicht nur Kinder, die ihren Abschluss in Deutschland gemacht haben, zählten, sondern eben auch deren Eltern. Diese aber verfügten dann über Hochschulzulassungsberechtigungen aus ihren Heimatländern, die hier zum Teil nicht anerkannt würden. Für Kinder mit Migrationshintergrund aber gelte, dass gute Abschlüsse sehr wohl ihr Armutsrisiko reduzierten. Liebig bestätigte aber, dass Migranten bei gleicher Qualifikation häufig benachteiligt würden. „Selbst mit einem genauso guten Bewerbungsschreiben und gleichem Zeugnis werden sie seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen.“ Dieses Problem gebe es in allen europäischen Ländern. Deutschland habe es aber lange ignoriert.

Özoğuz will nun den Zugang zu Ausbildungsplätzen für Migranten zum Schwerpunkt ihrer Arbeit im nächsten Jahr machen. Auch auf dem Integrationsgipfel am 1. Dezember im Kanzleramt soll dieses Thema im Fokus stehen. Özoğuz will auch in den Unternehmen selbst dafür werben, Ausländer stärker im Bewerbungsprozess zu berücksichtigen. Als Ansatz nannte sie die Charta der Vielfalt, in der sich 1900 Unternehmen verpflichtet hätten, ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem auch Migranten gleiche Chancen hätten. Nina von Hardenberg.

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