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Der Drei-Länder-Dinosaurier

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Montagabend, im Foyer der Schweizer Botschaft in Berlin. In wirklich letzter Minute verlegt ein Handwerker einen roten Teppich. Gleich werden Intendanten, Politiker und Schauspieler vom klirrend kalten Berlin in die mollig warme Botschaft eilen – und noch immer sind ein paar Treppenstufen nackt.



3sat ist keine Geldmaschine, der Marktanteil des Senders liegt bei nur 1,1 Prozent.

3sat feiert sich an diesem Abend selbst: Am 1. Dezember 1984 ging das anspruchsvolle, überraschende und oft auch sperrige Kultur- und Wissenschaftsprogramm des deutschen, österreichischen und Schweizer Fernsehens auf Sendung. 3sat ist ein Dinosaurier im TV-Business, in dem alle paar Monate private und öffentliche Sender mit neuen Formaten versuchen, die Generation Internet vor die Mattscheibe zu locken. Viele werden wieder eingestellt. 3sat aber, das werbefreie Drei-Länder-Projekt von ZDF, ARD, ORF und SRG, ist geblieben.

Warum eigentlich?

Die Teppichverlegung in letzter Minute wirft die Frage auf, ob 3sat womöglich selbst nicht damit gerechnet hat, so alt zu werden. Um kurz nach 18 Uhr kommen die ersten Gäste – Menschen, denen Rudi Carrell noch ein Begriff ist: Kurt Beck, Sunnyi Melles, Norbert Röttgen, Claudia Roth, Dieter Kosslick und Martina Gedeck. Zum selben Zeitpunkt läuft auf 3sat die beliebte Wissenschaftssendung nano mit dem Titel: „ . . . wollt ihr ewig leben?“

Gute Frage.

Wie lange wird 3sat noch senden? Alexander Wrabetz, Generaldirektor des ORF, prophezeite am Partyabend: „Uns wird es noch mindestens weitere 30 Jahre geben.“ 3sat sei „ein ganz wichtiges Projekt“, das „gegen die marktschreierische Lautheit unserer Konkurrenz reüssiert“. Klingt gut, ist aber womöglich auch viel Geburtstagspoesie, also nur die halbe Wahrheit: Die Österreicher, meldete der Tagesspiegel kürzlich, haben ihr 3sat-Budget für die Programmgestaltung im vergangenen Jahr um 40 Prozent gekürzt. Der ORF spart, wegen deutlich zurückgegangener Gebühreneinnahmen. Die ARD dachte 2004 gar über einen kompletten Ausstieg nach.

3sat ist keine Geldmaschine, sondern ein Luxus, den sich die vier Sender gönnen. Der Marktanteil liegt bei nur 1,1 Prozent. Die Frage lautet also auch: Wer schaut diesen besten deutschsprachigen Kultursender überhaupt und die geniale tägliche Kulturzeit mit der klugen, verschmitzten Tina Mendelsohn? Wer folgt den ungewöhnlichen Fragen, die in Gert Scobels Debattensendung gestellt werden? Wer lernt durch Dokumentarfilme wie We feed the world, die zeigen, wie viel Essen jeden Tag weggeworfen wird?

Die Koordinatorin von ZDFkultur und 3sat, Dinesh Kumari Chenchanna, ist für das Gesamtprogramm von 3sat verantwortlich. Sie ist auch zur Party in die Schweizer Botschaftsvilla gekommen, und wenn man sie fragt, wer 3sat schaut, gibt sie zu: „Wir sind kein Jugendsender, aber wir wissen auch, wie man junge Menschen für uns gewinnen kann.“ Zur Landung der Raumsonde Rosetta auf dem Kometen etwa brachte 3sat Liveschaltungen ins Darmstädter Kontrollzentrum. Ergebnis: Bis zu vier Prozent der jungen Zielgruppe von 14 bis 49 Jahren schalteten 3sat ein. Und seit der Sender seine angestaubte Internetseite aufgemöbelt hat, „haben wir 30 Prozent mehr Zugriffe“, sagt Chenchanna.

Wie sie die Zukunft des Fernsehens sieht? Da ist sie sicher, dass das Sitzen vor einem Fernsehschirm in 30 Jahren „als etwas Anachronistisches“ betrachtet werden wird. „Fernsehen wird man dann überall schauen. Man wird sich dann auch nicht mehr zum gemeinsamen Fernsehabend verabreden müssen an einem Ort, sondern dann vielleicht gemeinsam Fernsehen schauen, ohne zusammen zu sein.“

Zum 30. Geburtstag von 3sat sind viele Artikel erschienen, einer steht auf der Internetseite der Tagesschau. Wenn man die Kommentare anschaut, bekommt man eine Ahnung davon, wie schwer es sein wird für 3sat, seine Zuschauer bei der Stange zu halten. Am Montag um 14.28 Uhr, nur wenige Stunden vor der Geburtstagsparty in der Schweizer Botschaftsvilla in Berlin, postete ein „Freewheelin Franklin“ auf tagesschau.de den traurigen Gratulationsgruß: „3sat. Guter Sender, hatte ich oft eingeschaltet, als ich noch fernsah.“

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