Seit 1924 gibt es die Verbandszeitschrift Die Ärztin. Nur ein paar Hundert Frauen praktizierten damals in Kliniken und Praxen, erst 1900 waren sie in den deutschen Staaten überhaupt zum Medizinstudium zugelassen worden. Ihre Devise war, eher sanft und ohne Skalpell ihren Platz im Arztberuf zu finden, ohne großen emanzipatorischen Aufstand unter Medizinmännern. Und so heißt es lieblich in der ersten Ausgabe der Ärztin: „Wie die Mutter in der Familie die härtere Art des Vaters ergänzt zu schöner Harmonie, so möchten wir, dass künftiglich auch im Volksleben das bisher ausschließlich männliche Prinzip einen Ausgleich erfahre, (...) in Berufen, die ihrer mütterlichen Einstellung besonders liegen, wie unseres ärztlichen." Die Operationsmethoden haben sich seitdem stark verändert, das Auftreten der Frauen auch – doch innerhalb der Branche tun sie sich weiter schwer. Vor allem Mütter scheitern an Schichtdiensten und rigiden Weiterbildungsvorschriften.
Gut mehr als die Hälfte, nämlich 63 Prozent, der Neueinsteiger in den Arztberuf sind weiblich. Schon in den Hörsälen zeichnet sich diese Entwicklung sichtbar ab: Sechs von zehn Erstsemestern im Fach Humanmedizin sind Frauen. Doch ziemlich schnell dreht sich das Verhältnis wieder: Bei berufstätigen Medizinern liegt der Frauenanteil später nur noch bei 45 Prozent. Woran das liegt? „An strukturellen und mentalen Barrieren. Es gibt nach wie vor keine berufliche Chancengleichheit", sagt Regine Rapp-Engels, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB).
Nur 45 Prozent der berufstätigen Ärzte sind Frauen.
2000 Mitglieder sind im DÄB organisiert. Von der „schönen Harmonie" ihrer Vorgängerinnen möchten sie nichts mehr wissen. Als vor ein paar Jahren ein paar Herren der Bundesärztekammer meinten, der Ärztemangel sei dadurch verschuldet, dass zu viele Frauen in dieser Branche Teilzeit arbeiteten und nicht anwesend seien, gab es einen Aufstand. „Großer Blödsinn", resümiert Gundel Köbke vom Ärztinnenbund, „es ist schlichtweg so, dass Ärztinnen benachteiligt und mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden sind." In Kliniken seien die Dienste familienfeindlich.
Eine der größten Hürden für Frauen, die Babys bekommen, sind die Rahmenbedingungen für die Facharztweiterbildung. Wer diesen Abschluss nicht hat, tut sich schwerer mit der Karriere, hat später schlechtere Verdienstmöglichkeiten. Das Problem ist, dass die Qualifizierung zur Fachärztin im Block durchgezogen werden muss, Unterbrechungen sind kaum drin. Wer so weit kommt, ist Anfang oder Mitte dreißig – in einem Alter also, in dem viele Frauen über Nachwuchs nachdenken, ihn bekommen – und dann erst mal zu Hause bleiben.
Die Anästhesistin Claudia Wegner, 43, aus Hessen ist so ein Fall. Ob sie die Weiterbildung zur Fachärztin zeitlich jemals auf die Reihe bekommt? Sie weiß es nicht, hat momentan aber auch einen anderen Fokus aufs Leben. Vor zehn Wochen ist sie wieder Mutter geworden, zum vierten Mal. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen, sie werde sowieso ständig gefragt, warum sie überhaupt als Ärztin arbeiten will – wo sie doch so viele Kinder hat. Ihr ältester Sohn ist 16 Jahre alt, sie hat nie länger als ein Jahr Elternzeit genommen. Sie liebt ihren Beruf – aber stößt an Grenzen. „Das Nadelöhr ist die Zeit auf der Intensivstation, sie ist ein Bestandteil der Facharztausbildung", sagt die Medizinerin in Mutterschutz. „Auf Gedeih und Verderb" wäre sie dann in die Schichtdienstmodelle eingegliedert. Zwölf Stunden nachts, acht bis zehn Stunden tags, schwer kalkulierbar. Mit Kindern nicht machbar. Absprachen mit verständnisvollen Chefs wie in anderen Stationen kann es da kaum geben – aus gutem Grund. Auf Intensivstationen ist Kontinuität besonders wichtig; durch zu viele Übergaben gibt es Informationsverluste, und je mehr dort in Teilzeit arbeiten, desto mehr Personal müsste auf dem Laufenden gehalten werden.
Zwei Jahre am Stück für die Facharzt-Ausbildung, auch in Teilzeit, hat Claudia Wegner nicht hinbekommen. Nach ihrer Elternzeit wird sie darum wie bisher an einer kleinen Klinik als Anästhesistin arbeiten, mit sehr wenigen Spät- und Wochenenddiensten. Ein Au-pair-Mädchen schaut dann nach den Kindern.
Auch Ärztinnen mit weniger Kindern kommen nur schwer klar. Sie bemängeln das Fehlen geregelter Arbeitszeiten. Außerdem, so eine DÄB-Studie, ist ein Drittel von 1200 befragten Medizinerinnen mit ihrem Einkommen unzufrieden. 78 Prozent der Frauen haben den Eindruck, ihre Leistungen würden nicht so anerkannt wie die ihrer männlichen Kollegen. Die Unterschiede in Zahlen: Der Anteil der Chefärztinnen in Krankenhäusern wird auf acht bis zehn Prozent geschätzt. Nur 26 Prozent der Leitungsfunktionen sind weiblich besetzt. Dass Rapp-Engels da eine Frauenquote fordert, liegt nahe. Zudem dringt der Ärztinnenbund auf eine Flexibilisierung der Weiterbildungsordnung sowie verbindliche Arbeitszeitmodelle: „Bei der Vereinbarkeit geht es um Kinderbetreuung und auch um Sorgearbeit in der Familie. Viele Männer haben dabei die Familie im Rücken, die meisten Frauen nach wie vor die Familie im Nacken", so Rapp-Engels.
Sogar eine Frau, die sonst alles unverdrossen angreift – selbst die Bundeswehrreform – scheiterte an solchen Hürden: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) studierte vor ihrer Karriere als Politikerin Medizin, sie wollte Frauenärztin werden. Von der Leyen arbeitete als Assistenzärztin, war bis zum Abschluss ihrer Promotion 1991 bereits Mutter von drei Kindern. Ihre Ausbildung zur Fachärztin brach sie ab. Im Nachhinein sagt sie, die Doppelbelastung durch Familie und Arztberuf sei „die schwerste Zeit meines Lebens" gewesen.
Gut mehr als die Hälfte, nämlich 63 Prozent, der Neueinsteiger in den Arztberuf sind weiblich. Schon in den Hörsälen zeichnet sich diese Entwicklung sichtbar ab: Sechs von zehn Erstsemestern im Fach Humanmedizin sind Frauen. Doch ziemlich schnell dreht sich das Verhältnis wieder: Bei berufstätigen Medizinern liegt der Frauenanteil später nur noch bei 45 Prozent. Woran das liegt? „An strukturellen und mentalen Barrieren. Es gibt nach wie vor keine berufliche Chancengleichheit", sagt Regine Rapp-Engels, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB).
Nur 45 Prozent der berufstätigen Ärzte sind Frauen.
2000 Mitglieder sind im DÄB organisiert. Von der „schönen Harmonie" ihrer Vorgängerinnen möchten sie nichts mehr wissen. Als vor ein paar Jahren ein paar Herren der Bundesärztekammer meinten, der Ärztemangel sei dadurch verschuldet, dass zu viele Frauen in dieser Branche Teilzeit arbeiteten und nicht anwesend seien, gab es einen Aufstand. „Großer Blödsinn", resümiert Gundel Köbke vom Ärztinnenbund, „es ist schlichtweg so, dass Ärztinnen benachteiligt und mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden sind." In Kliniken seien die Dienste familienfeindlich.
Eine der größten Hürden für Frauen, die Babys bekommen, sind die Rahmenbedingungen für die Facharztweiterbildung. Wer diesen Abschluss nicht hat, tut sich schwerer mit der Karriere, hat später schlechtere Verdienstmöglichkeiten. Das Problem ist, dass die Qualifizierung zur Fachärztin im Block durchgezogen werden muss, Unterbrechungen sind kaum drin. Wer so weit kommt, ist Anfang oder Mitte dreißig – in einem Alter also, in dem viele Frauen über Nachwuchs nachdenken, ihn bekommen – und dann erst mal zu Hause bleiben.
Die Anästhesistin Claudia Wegner, 43, aus Hessen ist so ein Fall. Ob sie die Weiterbildung zur Fachärztin zeitlich jemals auf die Reihe bekommt? Sie weiß es nicht, hat momentan aber auch einen anderen Fokus aufs Leben. Vor zehn Wochen ist sie wieder Mutter geworden, zum vierten Mal. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen, sie werde sowieso ständig gefragt, warum sie überhaupt als Ärztin arbeiten will – wo sie doch so viele Kinder hat. Ihr ältester Sohn ist 16 Jahre alt, sie hat nie länger als ein Jahr Elternzeit genommen. Sie liebt ihren Beruf – aber stößt an Grenzen. „Das Nadelöhr ist die Zeit auf der Intensivstation, sie ist ein Bestandteil der Facharztausbildung", sagt die Medizinerin in Mutterschutz. „Auf Gedeih und Verderb" wäre sie dann in die Schichtdienstmodelle eingegliedert. Zwölf Stunden nachts, acht bis zehn Stunden tags, schwer kalkulierbar. Mit Kindern nicht machbar. Absprachen mit verständnisvollen Chefs wie in anderen Stationen kann es da kaum geben – aus gutem Grund. Auf Intensivstationen ist Kontinuität besonders wichtig; durch zu viele Übergaben gibt es Informationsverluste, und je mehr dort in Teilzeit arbeiten, desto mehr Personal müsste auf dem Laufenden gehalten werden.
Zwei Jahre am Stück für die Facharzt-Ausbildung, auch in Teilzeit, hat Claudia Wegner nicht hinbekommen. Nach ihrer Elternzeit wird sie darum wie bisher an einer kleinen Klinik als Anästhesistin arbeiten, mit sehr wenigen Spät- und Wochenenddiensten. Ein Au-pair-Mädchen schaut dann nach den Kindern.
Auch Ärztinnen mit weniger Kindern kommen nur schwer klar. Sie bemängeln das Fehlen geregelter Arbeitszeiten. Außerdem, so eine DÄB-Studie, ist ein Drittel von 1200 befragten Medizinerinnen mit ihrem Einkommen unzufrieden. 78 Prozent der Frauen haben den Eindruck, ihre Leistungen würden nicht so anerkannt wie die ihrer männlichen Kollegen. Die Unterschiede in Zahlen: Der Anteil der Chefärztinnen in Krankenhäusern wird auf acht bis zehn Prozent geschätzt. Nur 26 Prozent der Leitungsfunktionen sind weiblich besetzt. Dass Rapp-Engels da eine Frauenquote fordert, liegt nahe. Zudem dringt der Ärztinnenbund auf eine Flexibilisierung der Weiterbildungsordnung sowie verbindliche Arbeitszeitmodelle: „Bei der Vereinbarkeit geht es um Kinderbetreuung und auch um Sorgearbeit in der Familie. Viele Männer haben dabei die Familie im Rücken, die meisten Frauen nach wie vor die Familie im Nacken", so Rapp-Engels.
Sogar eine Frau, die sonst alles unverdrossen angreift – selbst die Bundeswehrreform – scheiterte an solchen Hürden: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) studierte vor ihrer Karriere als Politikerin Medizin, sie wollte Frauenärztin werden. Von der Leyen arbeitete als Assistenzärztin, war bis zum Abschluss ihrer Promotion 1991 bereits Mutter von drei Kindern. Ihre Ausbildung zur Fachärztin brach sie ab. Im Nachhinein sagt sie, die Doppelbelastung durch Familie und Arztberuf sei „die schwerste Zeit meines Lebens" gewesen.